Artificial Intelligence

Xephor: Die Künstliche Intelligenz wohnt in einem kleinen Haus in Perchtoldsdorf

© Pixabay
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Wenn Isabell Kunst von Künstlichen Intelligenzen spricht, klingt es fast so, als handle es sich um Kinder. Immer wenn das System der Firma Xephor Solutions für eine neue Aufgabe vorbereitet wird, beginnt das mit einem gemeinsamen Training. „Man liest dann zum Beispiel gemeinsam mit dem System Texte und wenn das System etwas nicht versteht, muss man ihm das erklären“, sagt Kunst. Diese Erklärungen unterschieden sich oft kaum von jenen, die man auch einem Kind geben würde. „Will das System wissen, was ein Patient ist, sage ich ihm, dass es sich um einen Mann, eine Frau oder ein Kind handeln könnte“. Beginnt ein System Zusammenhänge selbstständig zu erkennen, fragt es zunächst brav nach, ob stimmt, was es sich zusammenreimt.

Vier Jahre Feilen am Code

„Wir haben versucht das System aus neuronalen Netzwerken des menschlichen Gehirns so gut es geht nachzubauen“, sagt Konstantin Oppl, der Xephor Systems gegründet hat. Oppl ist der Vater der Xephor-Intelligenz. Rund vier Jahre, bis 2016, hat er in C++ daran geschrieben. Das Maschinendenken der KI geht noch einen Schritt weiter als herkömmliches Maschinenlernen. Man könnte fast sagen, die Maschine ist kreativ, obwohl wir nach wie vor nicht wissen, wie Denken und Kreativität biologisch genau funktionieren. „Beim Maschinendenken wird quasi ein Zufallsgenerator gezündet“, sagt Oppl. „Dadurch entsteht etwas Neues und die Maschinen kann lernen zu entscheiden, ob das Neue Sinn ergibt oder nicht“, erklärt der Mathematiker. Seine Stimme ist kaum zu hören, das Surren der Server macht eine Unterhaltung schwierig. Das ausgeklügelte Computerprogramm braucht Server mit insgesamt einem Terabyte Arbeitsspeicher.

„Deshalb haben wir auch aus Wien heraus müssen“, erklärt Kunst. Die Firma sitzt am Rand von Perchtoldsdorf im Westen Wiens. Das unscheinbare Einfamilienhaus steht in einer ruhigen Nebenstraße und wer den Serverraum im Erdgeschoss betritt hat das Gefühl, einen Programmierer im Home-Office zu stören. Probleme machten die Server in dem ehemaligen Büro in Wien nicht nur wegen der enormen Hitze, sondern vor allem aufgrund des Gewichts.

Schlauer als internationale KI-Giganten

2016 kam eine Anfrage aus den USA. Eine große internationale Bank wollte ein intelligentes System für eine dreimonatige Vorhersage für Finanzdaten. „Wir waren völlig überrascht“, sagt Kunst. Sie trainierte das Xephor-System und ließ es eine Prognose erstellen. Die Bank wartete die drei Monate ab und verglich die Ergebnisse mit der Realität. Xephor erhielt den Auftrag schließlich. Was Kunst und Oppl erst dann bewusst wurde: sie waren nur ein Teilnehmer einer internationalen Ausschreibung und haben sich gegen große Player durchgesetzt. Künstliche Intelligenzen werden etwa von IBM, Microsoft, Google oder Palantir angeboten. Kleinere Unternehmen greifen in der Regel auf White-Label-Lösungen dieser Anbieter zurück. „Der Unterschied lag in den Daten, die wir dem System fütterten“, erklärt Kunst den Erfolg bei dem Wettbewerb der US-Bank. Es waren nicht nur, wie üblich, historische Finanzdaten, sondern auch Reuters-Nachrichten. Die Xephor-KI hatte gelernt, für die Finanzwelt relevante Nachrichten zu erkennen und mit Kursschwankungen in Verbindung zu bringen.

Watson ist ein guter Spieler, aber ein schlechter Arzt

Wenn es um intelligente Systeme geht, denkt man schnell an IBMs Watson. Auch Watson ist ein System, das Eingaben in natürlicher Sprache verstehen und verarbeiten kann. Bekannt wurde das Programm durch die TV-Show Jeopardy. Bei dem beliebten Format müssen Teilnehmer die Fragen zu bewusst zweideutig formulierten Antworten finden. Bereits 2011 schlug Watson die menschlichen Teilnehmer, die bis dahin bei der Show am besten abschnitten. 2016 diagnostizierte das System eine seltene Form von Krebs, seither mehren sich aber in medizinischen Kreisen die Skeptiker. „Unser System ist in diesem Punkt besser als Watson, hat uns IBM Österreich bestätigt“, sagt Kunst.

Zu den Kunden von Xephor Systems gehören internationale Banken und Spitäler – in Österreich interessieren sich vor allem Industrieunternehmen für die künstliche Intelligenz. Derzeit betreut Xephor zehn Kunden, die für die Künstliche Intelligenz jährliche Lizenzgebühren von je 300.000 Euro bezahlen. Schon bevor das System für einen neuen Kunden eingerichtet werden kann, fällt viel Vorarbeit an. Am meisten Zeit investiert Kunst ins Zuhören: „Es gab noch nie zweimal denselben Usecase“. Dann wird das System mit den benötigten Funktionen ausgestattet, am häufigsten mit Vorhersage und Maschinendenken. Oft berät Xephor auch bei der Anschaffung und Konfiguration des Servers. Dann aber beginnt die Arbeit der Kunden.

Nach 500 Stunden wird das System skeptisch

Ein System, das später medizinische Diagnosen stellen soll, bekommt nun Befunde zu lesen. Es lernt zu erkennen, welche Informationen wichtig und welche irrelevant sind, welche Wörter was bedeuten und in welchem Zusammenhang miteinander stehen. Rund 50 Stunden muss ein Trainer mit dem System üben, bis es erste Zusammenhänge erkennen kann. Bis das System wirklich intelligent ist, sich also zum Beispiel selbstständig auf neue Situationen einstellen kann, vergehen mehrere hundert Stunden. In dieser Zeit kann das Programm phasenweise eigenständig trainieren. Stößt es auf Ungereimtheiten, fragt es einfach beim Trainer nach. Solche Zwischenfragen zum Beispiel treten auf, wenn das System einen Zusammenhang entdeckt und sich nicht sicher ist, ob dieser relevant ist. Nach etwa 500 Stunden ist das System bereits so schlau, dass es merkt, wenn ein neuer Trainer vielleicht nicht so gut ist wie der bisherige. Dann kann es passieren, dass das Programm den Menschen ausbessert. Grundsätzlich sei es aber gut, wenn ein System mehrere Trainer hat, betont Kunst. Es braucht eben ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.

Konstantin Oppl und Isabell Kunst. © Xephor Solutions
Konstantin Oppl und Isabell Kunst. © Xephor Solutions

 

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