Interview

„Wir brauchen die Austria Limited dringend im Laufe des nächsten Jahres“

Werner Wutscher. © Christian Lendl
Werner Wutscher. © Christian Lendl

Es ist eine Frage, die den Startup-Sektor derzeit mehr bewegt als jede andere: Wird Österreich eine neue Gesellschaftsform bekommen? Und wenn ja, welche? Das Wirtschaftsministerium hat, wie Trending Topics exklusiv berichtete, die Austria Limited vorgeschlagen, die die digitaler, schneller und einfacher zu gründen ist als die allseits bekannte GmbH und bei der es auch möglich sein soll, Mitarbeiter einfach zu beteiligen. Nun liegt der Ball beim Justizministerium.

Aber sollte man die bestehende GmbH oder die AG nicht besser reformieren? Werner Wutscher sagt: nein. Es braucht die Austria Limited, alles andere dauere viel zu lange. Wutscher ist Vorstandsmitglied der Austrian Angel Investors Association (aaia),  Vorsitzender des Investment-Komitees des aws Mittelstandsfonds, Generalsekretär des Europäischen Forum Alpbach und war sieben Jahre Generalsekretär im Landwirtschafts- und Umweltministerium.

Im Interview mit Trending Topics erläutert Wutscher, warum die Austria Limited besser ist als die Reform von GmbH oder AG.

Trending Topics: Warum braucht es deiner Meinung nach eine Austria Limited?

Werner Wutscher: Wann sollen wir solche innovativen Schritte sonst setzen, wenn nicht jetzt? Wir stehen wirtschaftspolitisch vor einem der größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Es wird darum gehen, die österreichische und die europäische Wirtschaft zu transformieren.

Dazu brauchen wir unter anderem viele Gründer, die Technologien wie AI oder Blockchain für unsere Wirtschaft nutzbar machen. Umso einfacher die Gründungsformalitäten abgewickelt werden, umso mehr werden sich auch trauen zu gründen. die formellen Hürden für Gründungen müssen reduziert werden.

Dazu kommt die Frage des Risikokapitals und ein funktionierender Kapitalmarkt. da wird eine Schlüsselfrage sein, wie wir die 293 Milliarden Euro der österreichischen Sparer in Zukunft auch für Innovationen, wie Digitalisierung und neue Technologien mobilisieren können. Der Staat wird das nicht alleine stemmen können oder am Ende zahlen es wieder wir Steuerzahler. Um privates Kapital zu mobilisieren, ist eine flexible Rechtsform unabdingbar.

Zudem könnten wir auch internationale Unternehmen wieder dazu bringen nach Österreich zurückzukehren. Die neue Rechtsform ist daher nicht nur für Startups, sondern auch für KMUs extrem wichtig.

Was sind die Kernpunkte, die diese neue Gesellschaftsform haben muss?

Aus unserer Sicht sind folgende Fragen Schlüsselfragen:

  • die möglichst einfache, formfreie Gründung, wenn gewünscht in englischer Sprache und in digitaler Form
  • eine einfachere Übertragung der Anteile, als in der jetzigen Rechtsform der GmbH, um die Skalierung zu erleichtern
  • die Lösung der Mitarbeiterbeteiligung durch verschiedene Anteilskategorien, wie stimmrechtslose Vorzugsaktien. Das ist eine der zentralen Fragen, da der Arbeitsmarkt für Startups immer enger wird
  • einfache Kapitalerhöhungen, um vor allem Startups in der Skalierung zu unterstützen
  • einfachere Führung durch formfreiere Beschlüsse (Umlaufbeschlüsse, Einsatz der elektronische Signatur, digitale Versammlungen etc.)

Daneben könnten noch Fragen der Besetzung des Beirates und Vereinfachungen bettreffend die Formvorschriften für den Gesellschafts/Syndikatsvertrag diskutiert werden.

Gründern ist wichtig, dass die Gesellschaftsform international anerkannt ist – Stichwort Investoren und Expansion. Wäre die Neuerfindung einer neuen Gesellschaftsform da nicht hinderlich? Sollte man nicht besser auf internationale bekannte Formen setzen? In der Szene gibt es auch Meinungen, dass man die GmbH oder die AG überarbeiten sollte, anstatt die Austria Limited einzuführen. Wäre das nicht auch ein gangbarer Weg?

Das ist der sicherste Weg ins Nirwana! Ich schätze die GmbH durchaus und sie hat eine lange Tradition, aber: Ich bin selbst Jurist, war 15 Jahre Beamter und hatte das Vergnügen, im österreichischen Konvent als Ausschussvorsitzender zu dienen. Du weißt, was rausgekommen ist: Nichts!

Politiker fordern derzeit jeden Tag von Unternehmern, ihre Unternehmen irgendwie über Wasser zu halten und raten ihnen ständig zu Innovationen.

Ich bin überzeugt, daß eine Reform des GmbH-Gesetzes aus rechtspolitischen Überlegung ungefähr 5 Jahren dauern wird. Wir brauchen eine Lösung aber nächstes Jahr. Es sollte daher der gordische Knoten durchschlagen werden und bewusst ein neuer Weg gegangen werden. Wir sind im „Doing Business Ranking“ in der EU auf viert letztem Platz. Wir haben Handlungsbedarf. Es ist an der Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden und neue Wege zu gehen.

Du kennst die Politik von innen. Wann sollte man realistischerweise mit einer neuen bzw. erneuerten Gesellschaftsform rechnen? Wie lange dauern solche Gesetze?

Ich möchte nochmals auf die Dramatik hinweisen, in der wir uns befinden. Wir brauchen im Laufe des nächsten Jahres klare Signale für den Wirtschafts- und Innovationsstandort Österreich. Wir brauchen Zukunftssignale jenseits von Kurzarbeit und Investitionszuschuss, genauso wie wir Signale im Kapitalmarkt dringend brauchen.

Wenn es in den letzten drei Monaten gelungen ist, über den COVID-Startup-Hilfsfonds 100 Millionen Euro aufzustellen, davon 50 Millionen von privaten Investoren, sind das positive Signale. Daher brauchen wir die neue Rechtsform dringend im Laufe des nächsten Jahres.

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