Kommentar

Wenn Tesla das iPhone der E-Autos ist, dann wird VW das Android

Produktion des VW ID4 bei Volkswagen Sachsen in Zwickau. © Oliver Killig/Volkswagen AG
Produktion des VW ID4 bei Volkswagen Sachsen in Zwickau. © Oliver Killig/Volkswagen AG

Eigentlich, möchte man meinen, ist Tesla die erste Wahl für Millennial-Autofahrer mit etwas Geld in der Tasche. Doch in den letzten Monaten habe ich bemerkt, dass unter anderem Startup-Gründer noch eine andere Automarke ganz cool finden: VW. Sechs Jahre nach Diesel-Gate hat sich der deutsche Autokonzern vom bösen Umweltverschmutzer zur europäischen E-Auto-Hoffnung gemausert.

Natürlich unter riesigen Anstrengungen. 73 Milliarden Euro wird Volkswagen bis 2026 in E-Mobilität, Hybridisierung und Digitalisierung (dafür alleine 27 Milliarden Euro) investieren und mit geplanten 10.000 IT-Developern zum zweitgrößten Software-Unternehmen Europas aufsteigen. Zum Vergleich: Vorreiter SAP hat etwa 30.000 Entwickler in seinen Reihen.

Volkswagen: E-Auto-Business sollte eigentlich 195 Mrd. Euro wert sein

Lange wurden die Pläne und die Bewunderung, die VW-CEO Herbert Diess für Elon Musk pflegt, belächelt, und man traute sich kaum hinschauen, als Volkswagen an einem eigenen Betriebssystem zu arbeiten begann. Doch mittlerweile werden die VW-Pläne, nicht nur Elektroautos zu bauen, sondern auch für das Drumherum (Software für Infotainment, autonomes Fahren & die Batterien) zu sorgen, immer glaubhafter. Zuletzt machte die Allianz mit Northvolt aus Schweden Schlagzeilen: Volkswagen bestellte Akkus um fast 12 Milliarden Euro bei dem Unternehmen, dass die „grünste Batterie der Welt“ bauen will.

Bald auf Augenhöhe mit Tesla

So sagen Analysten mittlerweile voraus, dass Volkswagen bereits ab 2022 bereits auf Augenhöhe mit dem heutigen Weltmarktführer Tesla E-Autos verkaufen könnte – jeweils 1,2 Millionen Stück sind laut Analysten der Schweizer Großbank UBS für beide Unternehmen drinnen. Mittlerweile finden auch die Börsianer den VW-Kurs gut: Die Aktie der Deutschen hat seit Dezember 2020 um 75 Prozent zugelegt, seit Diesel-Gate 2015 hat sie sich verdreifacht. Auch an der Börse eifert Volkswagen nun Tesla nach (Trending Topics berichtete).

Der Abgasskandal, mit dem sich die Weltmarke selbst beschmutzte, ist gewissermaßen auch der Beschleuniger für die E-Mobilitätsbestrebungen des Konzerns. Ein Monat, nachdem Diesel-Gate 2015 über VW hereinbrach, entschied die Führungsriege, dass man zukünftig stark auf Elektromobilität setzen wird, um das schmutzige Image wieder loszuwerden. Außerdem ist die E-Strategie sowieso von den strengen EU-Richtlinien (werden Grenzwerte beim CO2-Ausstoß überschritten werden, zahlen Autohersteller satte Strafen) vorgegeben – die Manager hätten gar nicht anders können. Diesel-Gate aber beschleunigte die Entscheidung.

Volkswagen: E-Auto-Business sollte eigentlich 195 Mrd. Euro wert sein

Chance, eine Plattform zu werden

Im Unterschied zur agilen, schnellen Firma Tesla bringt Volkswagen neben sehr viel Kapital noch eines mit: hohe Schlagkraft. Wenn die Umstellung gelingt, dann kann Volkswagen mit mehr als 600.000 Mitarbeiter und einem weltumspannenden Produktions- und Vertriebsnetzwerk seinen Modulare E-Antriebs-Baukasten (MEB) als Plattform voll ausrollen. Ab 2025 soll MEB dafür sorgen, dass Volkswagen E-Autos billiger produzieren kann als heute Verbrenner.

Und: MEB hat noch eine Chance. Der deutsche Baukasten kann auch anderen Autoherstellern als Plattform für ihre E-Fahrzeuge dienen – Ford aus den USA etwa setzt seine E-Autos künftig auf diese deutsche Plattform. Wenn es Volkswagen dann noch das Kunststück gelingt, gute Software zu entwickeln, dann wäre das die erste Software-Plattform, die es mit Android Auto aufnehmen kann. Vor allem europäische, aber auch chinesische Autohersteller sind sicher an einer Software aus dem Datenschutz-sensiblen Europa interessiert. Dazu muss Volkswagen aber schneller werden, denn Renault aus Frankreich hat sich etwa für die Google-Software entschieden.

Während Volkswagen Allianzen mit Northvolt und Ford schmiedete und sehr öffentlich mit Musk flirtete, ist der andere Autoriese in Sachen Elektro sehr still geblieben. Toyota aus Japan, nach Stückzahlen und Börsenbewertung größer als VW, setzt vorerst noch sehr erfolgreich auf Hybrid-Autos und holt damit die Zweifler ab, die dem reinen E-Auto bei der Reichweite nicht trauen. Dieser vermeintliche Vorteil kann sich aber ins Gegenteil drehen. Und das Wasserstoffauto, auf das Toyota ebenfalls stark setzt, liegt in weiter Ferne.

Volkswagen bestellt Batterien um 14 Milliarden Dollar bei Northvolt

Aus europäischer Sicht muss man nun die Daumen drücken, dass Volkswagen der Umschwung gelingt. Dann haben die Deutschen die Chance, neben Tesla die ganz große Rolle zu spielen. Denn wenn Tesla das iPhone der Elektroautos ist, dann wird Volkswagen das Android sein.

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