Interview

Wasser 3.0: Die Gründerin, die Mikroplastik aus dem Wasser fischt

Katrin Schuhen, CEO von Wasser 3.0. © Wasser 3.0
Katrin Schuhen, CEO von Wasser 3.0. © Wasser 3.0
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Es sieht wie Popcorn aus, ist aber eigentlich verklumptes Mikroplastik, das man einfach aus dem Wasser fischen kann. Doch um es in den Popcorn-Zustand zu bringen, hat es viele Jahre an Forschung gebraucht. Bereits 2016 hat die deutsche Wissenschaftlerin Katrin Schuhen (Credo: „Ein Weg entsteht, wenn man ihn geht.“) damit begonnen, sich mit den kleinen Kunststoff-Teilchen mit einem Durchmesser unter 5 Millimeter zu befassen. Denn: Das Mikroplastik ist nicht nur gefährlich für Tiere im Wasser, sondern gelangt unter Umständen sogar über Mineralwasser in den menschlichen Körper.

Schuhen hat nach intensiver Forschung mit Wasser 3.0 ihre eigene Firma gegründet, die das Mikroplastik-Problem auf der ganzen Welt angehen will. Im Interview mit Trending Topics im Rahmen der Konferenz TEDx Vienna spricht die Gründerin über ihre Lösung, wo sie zum Einsatz kommen soll – und warum die Anlagen sogar auf Balkonen stehen könnten.

Trending Topics: Wie schaffst du es, die kleinen Kunststoffteilchen aus dem Wasser zu fischen?

Katrin Schuhen: Ich habe 2012 begonnen, an Stoffen zu arbeiten, die in der Lage sind, Mikroschadstoffe zu binden. Rückstände von Pharmazeutika und Pestizide waren damals das große Thema. Ab 2016 haben wir uns dann mit Mikroplastik beschäftigt. Das schwimmt im Wasser, und wir können es mit der Verbindung, die wir gefunden haben, zusammenhaften.

Bei Mikroplastik gibt es Verbindungen, die oben auf schwimmen, aber auch solche, die absinken, und andere schweben in der Mitte. Der erste Trick ist, alle verschiedenen Mikroplastikarten (es gibt rund 200 verschiedene, Anm.) an einen Ort zu bringen. Wir haben einen eigens konstruierten Rührer, der es uns erlaubt, das zu tun. Dann kann man sie aneinander haften. Sie treiben dann oben und man kann sie dem Wasser entnehmen. Das sieht dann aus wie Popcorn.

© Wasser 3.0
© Wasser 3.0

Wie viele Millionen Tonnen an Mikroplastik sind weltweit im Wasser?

Das kann man leider nicht schätzen. Seit den 1950ern, als die industrielle Produktion von Polymer begann, wurde 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoffe synthetisiert worden. Aktuell sind 2,6 Milliarden Tonnen im Umlauf. Es gibt also recht viel Plastik, was irgendwo sein muss.

Wie entsteht dieses Mikropastik?

Es gibt so genannte Microbeads, also Mikroplastik kleiner als 1 mm, meist Polyethlen, was Kosmetika zugesetzt wird, etwa für Peelings oder Zahncreme. Und es gibt auch den Eintrag über Kunststoff-haltigen Müll, also über unsachgemäß entsorgte Abfallprodukte. Wenn man etwa einen Plastikstuhl im Salzwasser liegen lässt, dann werden nach und nach Schichten abgetragen, und dadurch entstehen immer kleinere Partikel. Das ist so genanntes sekundäres Mikroplastik.

Warum kann das Mikroplastik nicht einfach mit einem Sieb aus dem Wasser fischen?

Wenn man Sieben oder Filtrieren würde, würden die Filter verstopfen. Deswegen filtrieren wir nicht, sondern separieren.

Wie funktioniert eure Technologie?

Das kann sich wirklich wie Klebstoff vorstellen. Wir haben ein so genanntes reaktives Hybrid-Kiesel-Gel, das aus einem organischen und einen anorganischen Teil besteht. Der organische Teil hat die Information: „Ziehe Mikroplastik an dich heran und binde es, und der anorganische Teil sorgt für die Stabilität, damit der Klumpen nicht wieder zerfällt. Und dieser Klumpen treibt dann nach oben.

Was passiert anschließend mit diesen Mikroplastik-Klumpen?

Wir haben in den letzten Jahren mit Volldampf an der Pilotanlage gearbeitet, also mal viel Zeit in die Lösung investiert. Wir sind jetzt dabei, die Verwertung der Sekundärstoffe zu betrachten. Wir wissen jetzt schon, dass wir sehr energieeffizient sind und 95 Prozent des Mikroplastiks entfernen können. Es geht jetzt darum, zu evaluieren, wie das Mikroplastik weiter verwertet werden kann.

Katrin Schuhen, CEO von Wasser 3.0, im Gespräch mit Jakob Steinschaden von Trending Topics. © Gavin Gough / TEDxVienna
Katrin Schuhen, CEO von Wasser 3.0, im Gespräch mit Jakob Steinschaden von Trending Topics. © Gavin Gough / TEDxVienna

Wo kann die Technologie eingesetzt werden? Funktioniert sie nur im Zusammenspiel mit einer Kläranlage?

Nein, sie kann unabhängig davon, ob eine Kläranlage vorhanden ist, eingesetzt werden. Es ist eine mobile Container-Lösung, und die kann überall hingestellt werden, wo man sie haben will. Man kann sie etwa in einer Waschanlage, wo Textilien gereinigt werden, installieren. In einer solchen Großwäscherei könnte das Mikroplastik aus dem Wasser gefischt werden, bevor das Wasser zur Kläranlage geschickt wird. So kann die Industrie proaktiv die Vermeidung von Mikroplastik angehen. So entlastet man die kommunalen Kläranlagen und letztendlich den Bürger, der ja etwa in Deutschland Abwassergebühren entsprechend dem des Belastungsgrades zahlt.

Wie viel Liter Wasser schafft die Anlage?

Der Reaktor an sich hat 1.000 Liter Fassungsvermögen und läuft im Dauerbetrieb. Der gesamte Prozess dauert weniger als fünf Minuten. Man kann die Container-Lösung auch stapeln und somit auch mehr Wasser gleichzeitig reinigen.

Ist eine solche Anlage nur für die Industrie gedacht, oder auch für Privathaushalte?

ja, es ist denkbar, sich die Anlage auch auf den Balkon zu stellen. Aber ich möchte eigentlich nicht, dass die Menschen sich das zu Hause hinstellen müssen. Es ist natürlich effizienter, das Wasser zentral von Mikroplastik zu reinigen. Lieber weiter vorne ansetzen.

Welche Regionen und Länder sind vom Mikroplastik-Problem besonders betroffen?

Mikroplastik ist überall, das ist wirklich ein globales Problem. Länder und Inseln, die an Plastik-Strudeln im Pazifik oder im Atlantik grenzen, sind sehr stark betroffen, weil dort oft Entsalzungsanlagen stehen. Meerwasser wird dort verwendet, und wenn dort Mikroplastik nicht entfernt wird, kommt es in die Leitung. Aber auch der Rhein oder die Ostsee hat viel Mikroplastik. Unser Startpunkt war die Kläranlage, weil da das Wasser zusammenläuft, was wiederum in die Oberflächengewässer gespeist wird.

Du kommst aus der Forschung und hast die Technologie patentiert. Machst du daraus ein Startup?

Ich bin seit 2018 nicht mehr an der Uni, sondern eben mittlerweile mit Startup Wasser 3.0 unterwegs. Wir sind mit Wasser 3.0 so weit, dass wir die Expertisen gebündelt haben. Wir werden die Anlagen nicht selbst bauen, sondern suchen uns dafür die richtigen Partner. Wir sind die Knowhow-Träger und die Partner arbeiten mit uns zusammen zielorientiert und vor allem zügig und effizient – ein Win Win für alle Seiten.

Gibt es andere, konkurrierende Lösungen für Mikroplastik im Wasser?

Seit 2017 wurden in Deutschland viele Millionen an Forschungsgeldern ausgegeben, die alle das Thema Mikroplastik hatten – also von der Detektion bis zur Lösung. Wir sind den Low-Budget-Weg gegangen und haben sehr schnell die Lösungen gezeigt. Auf Ebene der Bundesministerien ist das Thema Lösung für Mikroplastik für 2021 angesetzt. Wir sind früh dran und treten da viele Manifeste ein. Wenn es um das gesamte Thema Mikroschadstoffe geht, gibt es eine große Lobby, gerade in Deutschland.

Es gibt verschiedene Ansätze und Unternehmen, die sich damit beschäftigen, Mikroschadstoffe – inbesondere Medikamente und Medikamentenrückstände, aber auch Pestizide und Mikroplastik – aus dem Wasser zu entfernen. Für alle gelösten Verbindungen ist Aktivkohle ein Ansatz, Ozonierung ist ein zweiter, Elektrochemie ist der dritte Ansatz. Und es gibt „Out of the box“-Lösungen wie uns, und da argumentiert und diskutiert man gegen und mit Menschen, die seit 25, 30 Jahren an dem Thema forschen.

Siehst du viele andere Gründer, die die sich im Umweltschutz engagieren?

Im Startup-Bereich passiert wahnsinnig viel, wenn es um Umweltschutz geht. Manchmal würde ich mir wünschen, dass es bessere Netzwerke gibt, um die Themen besser abzustimmen und Neues zuzulassen. Je mehr Startups zusammen finden, die sich in einem Bereich befruchten und nicht in die Quere kommen, desto eher würde vieles schneller und zielgerichter vorangehen.

Katrin Schuhen, CEO von Wasser 3.0, im Gespräch mit Jakob Steinschaden von Trending Topics. © Gavin Gough / TEDxVienna
Katrin Schuhen, CEO von Wasser 3.0, im Gespräch mit Jakob Steinschaden von Trending Topics. © Gavin Gough / TEDxVienna
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