Bewegungsdatenanalyse

Was A1 und Magenta mit Handy-Bewegungsdaten tracken können – und was nicht

Symbolbild © Pexels / Pixabay
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Vor rund zwei Wochen wurde bekannt, dass A1 – und mittlerweile auch Magenta – in Zeiten der Coronakrise anonymisierte Bewegungsdaten an die Regierung übermitteln. Damit will man „zu einem langsameren Verlauf der Infektionskurve beitragen“. In vielen Teilen der Bevölkerung wurde dieser Schritt weniger positiv aufgenommen, vor allem Datenschützer meldeten Bedenken an. Die seien ungerechtfertigt, Rückschlüsse auf die persönlichen Daten der Nutzer seien nicht möglich. Das erklärte A1 heute im Rahmen einer Online-Pressekonferenz. Magenta argumentiert ähnlich.

„Uns sind die Wassertropfen egal, wir wollen wissen, wohin der Fluss überhaupt fließt“, hieß es vonseiten des Roten Kreuz bei der Pressekonferenz gemeinsam mit A1 und Invenium. Bei Invenium handelt es sich um ein Spin-Off der TU Graz, das dem Telekomanbieter dabei hilft, mittels Algorithmen Bewegungsanalysen aus den erhobenen Daten zu erstellen. Es handle sich bei diesem System um eine „angepasste Abwandlung dessen, was es bereits so gibt“, hieß es weiter. Zuletzt wurde Kritik laut, weil die Mobilfunker die Regierung mit anonymisierten Bewegungsdaten der Nutzer versorgen. Anwesend waren Patrick Hasler vom Roten Kreuz, Michael Cik von Invenium und Mario Mayerthaler von der A1 Group.

-> Hier gehts zum Download des Datensatzes von gestern: A1 Mobility Insights COV19_31_03_2020

A1: Bewegungsprofile der 30 größten Städte

Vor allem in größere Städten lassen sich tatsächlich einige spannende Auswirkungen der Maßnahmen erkennen. Vielerorts liegt der Rückgang der Mobilität bei bis zu 80 Prozent, am Wochenende wird der Chart, der die Daheimgebliebenen abbildet, aber regelmäßig kleiner. Das bestätigen auch die Zahlen von Citymapper. Wir hatten Einsicht in die PDFs, die A1 der Regierung schickt. Außer diesen städtischen Bewegungsprofilen lässt sich in dieser Form aber tatsächlich nicht mehr ableiten. Dazu komme eine gewisse Ungenauigkeit: „Wenn sich ein Device anmeldet (beim Masten A, B oder C) erstellt das System einen ungefähren Bereich, wo sich das Device befindet. In Städten kommt es zu Abweichungen von bis zu 500 Meter, am Land teilweise sogar bis zu zehn Kilometern“.

So bereitet A1 die Daten für die Regierung auf. © A1 / Invenium
So bereitet A1 die Daten für die Regierung auf. © A1 / Invenium

A1 packe das in größere Gebiete und könne so etwaige Ausschläge feststellen. „Wir haben gar nicht die Möglichkeit, einzelne Straßenzüge oder Netze zu erkennen – das ist gar nicht möglich“, erklärt Mayerthaler. Man spreche hier von anonymisierten Daten in aggregierter Form – also von aggregierten Analysedaten.

Noch ein paar Worte zur Methodik: Die Daten kommen von SIM-Karten von A1 und den diversen Brands. Nachdem die Nutzer von A1 nicht 100 Prozent der Bevölkerung darstellen, wird hochgerechnet – eine gewisse Schwankungsbreite sei also enthalten, der repräsentative Durchschnitt wird auch mit einem Marktanteilsfaktor hochgerechnet.

+++Coronavirus: A1 liefert Bewegungsprofile der Bevölkerung an Regierung (Update)+++

Magenta argumentiert ähnlich: „Zunächst sei unterstrichen, dass es sich zu keinem Zeitpunkt um Kundendaten handelt. Die Rede ist von anonymisierten Bewegungsdaten, die in einem Mobilfunknetz anfallen, keinesfalls von persönlichen Daten. Wir stellen anonyme Bewegungsdaten zur Verfügung, um zu einem langsameren Verlauf der Infektionskurve beizutragen. Dem geht ein entsprechendes Ansuchen des Krisenstabs der Österreichischen Bundesregierung voraus, dem Magenta Telekom zugestimmt hat.“

Zusammenführung theoretisch möglich?

Was aber ist mit den Stammdaten, also den persönlichen Daten, die A1 – und auch Magenta – vom Nutzer haben? Würden sich diese nicht theoretisch mit den Bewegungsprofilen koppeln lassen? Nein, beschwichtigt man bei A1. Grundsätzlich würden alle Daten bei A1 am Rechenzentrum bleiben, auch Invenium würde dort rechnen. Die Behörden bekommen lediglich die fertigen Analysen. A1 müsse aber natürlich wissen, wo sich der Nutzer aufhält: „Wenn der Mobilfunker nicht weiß, wo Herr X ist, könnten wir auch keinen Mobilfunk aufbauen.“ Systemimmanent sei es zu wissen, wo das Handy ist. Die Stammdaten seien indes notwendig für die Rechnungslegung und die Bereitstellung der Dienstleistung.

Allerdings: Die jetzige Vorgehensweise verfolge einen ganz anderen Zweck und baue auf Signalisierungsdaten auf – es seien also keine persönlichen Rückschlüsse notwendig. Bei A1 stehe auch intern kein Name dahinter (dem Datensatz, Anm.), aber die SIM-Nummer. Es gebe einen genauen Prozess, welche Personen während des Anonymisierungsprozesses Zugriff haben. „Dann werden Verschlüsselungen eingebaut, die Daten werden so von A1 aufgearbeitet und abschließend wird der Schlüssel wieder gelöscht.“

A1 und Magenta: Daten zu ungenau

Dennoch bestünde die theoretische Möglichkeit, Personen zu „re-anonymisieren“, oder? Auch hier winkt A1 ab – wenn auch nach mehrmaligem Nachfragen. Auch wenn man die Stammdaten hätte, was nur auf richterlichen Beschluss hin möglich ist, wären die Daten immer noch zu ungenau. „Da brauchen Sie so viele Zusatzinfos, die Sie nie bekommen würden“. Der Aufwand sei unverhältnismäßig hoch und auch dann seien keine Rückschlüsse auf die Person möglich.

In China wird bekanntlich mit Personendaten getrackt. Für Österreich sei das undenkbar, wird im Pressegespräch bestätigt. Im Unterschied zu China, das App-Daten erhebt, seien die Bewegungsprofile über die Mobilfunkzelle einfach zu ungenau um zu sagen, dass Herr X Frau Y getroffen hat. Derartiges Tracking funktioniere nicht über Mobilfunkzellen.

Magenta bestätigt: „Die Rede ist von anonymisierten Bewegungsdaten, die in einem Mobilfunknetz anfallen, keinesfalls von persönlichen Daten. Bei Bewegungsdaten handelt es sich um statistische Hochrechnungen. Sie entstehen auf Basis anonymisierter, aggregierter und DSGVO-konformer Auswertung von anfallenden Mobilfunksignalen unterschiedlicher Endgeräte, auch Schwarmdaten genannt. Spezielle Verfahren machen einen individuellen Personenbezug unmöglich.“ Eine Rückführung auf die ursprünglichen Daten sei bei diesem Verfahren selbst für Magenta Telekom nicht möglich.

Rotes Kreuz: Vorteilhaft für die Einsatzplanung

Warum dann das Ganze? Patrick Hasler vom Roten Kreuz Österreich schätzt die Analysen als sinnvoll ein: „Die Infos sind wichtig, um zu beurteilen, ob unsere Maßnahmen wirken. Je besser wir das im Vorhinein beurteilen können, umso besser können wir die Krise bewältigen“. Bewegungstracking sei ein guter Frühindikator, nur epidemiologische Daten seien zur Einsatzplanung schlichtweg nicht ausreichend.

„Die Anzahl der Infektionen zeigt sich erst nach einigen Tagen, das schlägt sich in den Statistiken nieder“, erklärt er. „Nur mit diesen Daten (epidemiologischen Daten, Anm.) ist das, als würde man versuchen, ein Auto zu steuern, dessen Lenkung fünf Sekunden verzögert ist. Damit wir als Rotes Kreuz nicht ins Schleudern kommen, brauchen wir Frühindikatoren und evidenzbasierte Analysen, um gegensteuern zu können.“

Sehe man anhand dieser Analysen, dass sich nichts ändert, könnte das Rote Kreuz rasch reagieren und beispielsweise Meldungen entsprechend anpassen. Wichtig sei das System auch für die frühzeitige Einschätzung der Notwendigkeit von Rot-Kreuz-Teams. Dazu kommen andere evidenzbasierte Daten. Die Summe aller Daten (auch Einsatzdaten und epidemische Daten) sei wichtig im Einsatzmanagement und für unterschiedliche Analysen und Einschätzungen.

Kritik an Kommunikation

Kritik gab es vor allem an der Kommunikation mit der Bevölkerung. Michael Cik von Invenium: „Das ganze Thema rückte jetzt mehr in den Fokus und war für den einen oder anderen vielleicht auch neu – für Invenium aber nicht“. Es gebe auch Darstellungen und Erklärungen zum Datenschutz auf der Homepage von Invenium. Das Thema sei transparent, aber „hat halt nicht jeden interessiert“. Per se sei es transparent und auch vorgestellt worden. Und beim Roaming? Auch Nutzer, die sich über das Roaming einwählen, werden ausgewertet. Wissen die das? „Wir brauchen keine Zustimmung, da es sich um keine personenbezogenen Daten handelt“.

Magenta verweist noch auf die rechtliche Situation: „Den Einsatz von datenschutzkonformen Bewegungsdaten bestätigt übrigens auch der Europäische Datenschutzausschuss in einer schriftlichen Stellungnahme. Darin heißt es, Datenanalysen zur COVID-19-Eindämmung seien legitim, solange bei der Datenverarbeitung die Datenschutz-Grundverordnung eingehalten wird. Laut Medienberichten setzt aktuell auch die Europäische Kommission auf Bewegungsdaten einiger europäischer Handynetzbetreiber um den Verlauf des Coronavirus zu analysieren.“

Antwort der Regierung noch offen

Von Seiten des Innenministeriums beziehungsweise der Regierung war kein Teilnehmer bei der Online-Pressekonferenz dabei. Wir haben uns bereits an das BMI gewandt und fragen nach, wie lange die anonymisierten Daten gespeichert werden und warum die Kommunikation so schlecht anlief. Wir liefern die Antworten zeitnah nach.

-> Hier gehts zum Download des Datensatzes von gestern: A1 Mobility Insights COV19_31_03_2020

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