Vision 2025

Startup-Beirat & Entrepreneurship-Woche: Neue Vorschläge für ein besseres Gründerland

Philipp Kinsky (Herbst Kinsky), Oliver Holle (Speedinvest), Hansi Hansmann, Markus Raunig (Austrian Startups), Lisa Fassl (aaia), Eric Demuth (Bitpanda) und Rudolf Kinsky (AVCO). © Trending Topics
Philipp Kinsky (Herbst Kinsky), Oliver Holle (Speedinvest), Hansi Hansmann, Markus Raunig (Austrian Startups), Lisa Fassl (aaia), Eric Demuth (Bitpanda) und Rudolf Kinsky (AVCO). © Trending Topics
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„Absurd“, „ärgerlich“, „frustrierend“. Am Montag Abend bei einem Hintergrundgespräch mit wichtigen Vertretern der Startup-Szene konnte man zum Eindruck kommen, dass es für digitale, wachstumsorientierte Jungfirmen in Österreich nicht gut aussieht. Der Thinktank AustrianStartups, die Austrian Angel Investors Association (aaia) und die Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO) hatten geladen, um ihr gemeinsames „Visionspapier 2025“ zu präsentieren.

Das von den drei Organisationen vorgelegte Papier (-> Vision 2025, PDF) beinhaltet eine Reihe von Empfehlungen an eine kommende Regierung, um unser Land bis 2025 zu einem „global führenden Kapitalmarkt- und Gründungsstandort“ zu machen. Denn: „Österreich droht den Anschluss an das Spitzenfeld zu verlieren. Besonders eklatant zeigt sich dies in den Bereichen der unternehmerischen Bildung, des Kapitalmarktes und der Finanzierung und Förderung von Gründerinnen und Gründern“, heißt es in dem gemeinsamen Dokument, das Lisa Fassl (aaia), Markus Raunig (AustrianStartups) und Rudolf Kinsky (AVCO) unterzeichnet haben.

Visionspapier 2025

Die Forderungen, die das Visionspapier enthält, kennt man zum Großteil bereits. Sie werden von den einzelnen Organisationen teilweise seit Jahren gefordert. Gab es rund um das erste Startup-Paket der SPÖ/ÖVP-Regierung von 2017 erste Maßnahmen zu erkennen, wurden diese von der folgenden ÖVP/FPÖ-Regierung Anfang 2018 im Wesentlichen wieder gestrichen (Risikokapitalprämie und die Lohnnebenkostenförderung, Anm.). Anfang 2019 wurde von der damals zuständigen Ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, Margarete Schramböck (ÖVP), ein neues Startup-Paket in Aussicht gestellt, doch dazu kam es nicht – Ibiza setzte der Regierung Kurz ein Ende.

Welche Maßnahmen wünschen sich also nun AustrianStartups, aaia und AVCO? Hier ein Überblick:

1. Förderung von Entrepreneurial Education

Die Orgnaisationen schlagen eine österreichweite Entrepreneurship-Woche vor, bei der Schülerinnen und Schüler lernen, wie man Probleme erkennt, Ideen entwickelt und daraus erste Prototypen baut. Denn: “Wir kriegen aus unserem Bildungssystem nicht die Leute heraus, die wir brauchen”, sagte Business Angel Hansi Hansmann, Präsident der aaia. Startups in Österreich hätten massive Probleme, die richtigen Talente zu finden und anzustellen.

2. Stärkung des Kapitalmarkts

Ebenfalls bekannt ist, dass sich österreichische Startups schwer tun, im Inland genug Geld bei einer Series A oder Series B zu raisen, wo es meist um mehrere Millionen geht. Damit Österreich ein bevorzugter Standort für Venture-Capital- und Private-Equity-Managementgesellschaften und deren Fonds wird, brauche es attraktive rechtliche und steuerliche Rahmenbedingungen für institutionelle – auch internationale – Anleger.

„Wir schlagen die Gründung eines 300-Millionen-Euro-Dachfonds zur Stärkung des Innovations- und Wirtschaftsstandortes vor. Dieser soll privatwirtschaftlich organisiert werden und in Zielfonds investieren, die wiederum ihrerseits Startups sowie Klein- und Mittelständische Unternehmen in der Wachstumsphase durch Eigenkapital finanzieren“, so der Vorschlag. Der Bund solle dabei für einen Teil eine Ausfallbürgschaft übernehmen.

3. Bessere rechtliche Rahmenbedingungen

“Man investiert Wochen seines Lebens, und es ist nur frustrierend”, so Lisa Fassl von der aaia. Weil die Gründung in Österreich nach wie vor kompliziert, bürokratisch und langwierig ist, wünschen sich die Organisationen eine zentrale Plattform für Neugründungen, über die alles von der Prüfung der Gewerbeberechtigung über den Notariatsakt bis zur Eintragung ins Firmenbuch abgewickelt werden kann. Außerdem soll es möglich sein, gesellschaftsrechtliche Änderungen (vor allem bei Kapitalerhöhungen durch Investoren) diese digital erledigen zu können.

4. Neue Rechtsform: die AG light

Auch die Idee einer neuen Rechtsform, die “das Beste der beiden Rechtsformen GmbH und AG zusammenführt”, wie Startup-Rechtsanwalt Philipp Kinsky sagt, geistert als Idee schon länger durch die Szene: die AG light. „Wir empfehlen daher die Einführung einer neuen Form von Kapitalgesellschaft mit einem reduzierten Stammkapital von 20.000 Euro“, heißt es in dem Visionspapier. Diese neue Rechtsform soll die Vorteile von GmbH und AG miteinander verbinden: leicht zu gründen, praktikabel für viele und häufig wechselnde Aktionärinnen und Aktionäre, ein leicht zu implementierendes Mitarbeiterbeteiligungsmodell, geringere Formalismen bei der Berichterstattung und Erleichterungen bei Kapitalmaßnahmen.

+++ Business Angels fordern „AG light“ und eine Steuergutschrift für Investoren +++

5. Eine Gründungs-Sandbox

Hohes Risiko und viele rechtliche Unsicherheiten – viele Menschen sind vom Gründen in Österreich nach wie vor abgeschreckt. Besserung könnte nach Ansicht von AustrianStartups, aaia und AVCO eine Sandbox für Gründer bringen. „Durch diese soll für innovative und technologieorientierte Unternehmen ein zeitlich befristeter Spielraum geschaffen werden, in dem vereinfachte Regelungen und Ausnahmen hinsichtlich u.a. Gewerbeanmeldung, Sozialversicherungsbeiträgen, Kollektivverträgen und Körperschaftsteuer gelten“, heißt es.

6. Einführung eines Beteiligungsfreibetrags

Ebenfalls bekannt ist, dass in Österreich viele zig Milliarden Euro in Stiftungen geparkt sind. Damit ein wenig von diesem Geld locker gemacht wird, brauche es aber auch Anreize, es zu investieren. Die Forderung von Business Angels nach einem Beteiligungsfreibetrag gibt es seit Jahren. „Angelehnt an das „(Seed) Enterprise Investment Scheme“ in Großbritannien – welches nach seiner Einführung zu einem deutlichen Anstieg an Angel Investments geführt hat – sollen bis zu einer Investitionssumme von 100.000 Euro pro Jahr und je Investorin bzw. Investor, 50 Prozent des Investments als Gutschrift auf die jeweils anfallende Einkommensteuer angerechnet werden“, so das Visionspapier.

7. Aufwertung der Rot-Weiß-Rot-Karte

Woran Startups in Österreich ebenfalls leiden: die Hürden, wenn sie Talente aus dem EU-Ausland ins Land holen wollen. “Wir haben Leute, die haben 5 Monate auf die RWR-Karte gewartet, das ist einfach absurd”, sagt Eric Demuth, CEO der Wiener Krypto-Firma Bitpanda. Im technischen Bereich gebe es die Leute in Österreich oft nicht, deswegen müsse man sie aus dem Ausland anwerben.

So wünschen sie die Vertreter der Startup-Szene, dass der Prozess beschleunigt wird und binnen zwei Wochen nach Antragstellung eine Entscheidung vorliegt, ob die Arbeitskraft nun kommen kann oder nicht. Außerdem auf der Wunschliste: „Ein fehlender Universitätsabschluss darf kein Ausschlusskriterium sein und das erforderliche Mindestgehalt soll durch ein Mitarbeiterbeteiligungsmodell gesenkt werden können. Ebenso soll es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ohne bürokratischen Aufwand möglich sein, ihre Arbeitgeber frei zu wechseln.“

8. Österreich als Standort positionieren

Was Investoren und Business Angels auch immer wieder bekritteln. Es gibt nicht genug gute Startups, in die investiert werden kann. Deswegen ist der Zuzug von ausländischen Gründern essenziell. Doch auch wenn Wien weltweit mit der besten Lebensqualität, mit niedrigen Lebenserhaltungskosten und zentraler geografischer Lage in Europa lockt, genügt vielen internationalen Gründern nicht, weil andere Dinge nicht passen.

„Ein nicht funktionierendes Startup-Visum, fehlende englischsprachige Ressourcen und der Mangel an Leuchtturmprojekten mit internationaler Sichtbarkeit führen dazu, dass nur sehr wenige Menschen nach Österreich kommen, um hier innovative Unternehmen zu gründen“, heißt es in dem Papier. Deswegen solle unter anderem Englisch als offizielle zweite Amtssprache etabliert werden, um internationale Offenheit gegenüber qualifizierten Fachkräften und Gründern zu vermitteln.

9. Startup-Beirat für das Bundeskanzleramt

Vielleicht am wichtigsten: Um all diese Forderungen, Wünsche und Maßnahmenvorschläge bei der Politik auch platzieren zu können, braucht es die Nähe zu der künftigen, noch zu wählenden Regierung. AustrianStartups, aaia und AVCO wünschen sich deswegen einen Startup-Beirat, der optimalerweise im Bundeskanzleramt angesiedelt ist. „Der Rat soll aus erfahrenen Gründerinnen und Gründern, Ökosystem- Expertinnen und Experten sowie einer oder einem Finanzmarkt-Beauftragten bestehen und monatlich zusammenkommen“, heißt es. Seine Aufgaben wären dann die „Positionierung des Standorts in der internationalen Tech-Szene, die Schaffung von Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Startup-Finanzierung und die Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung von mehr Unternehmertum in der Gesellschaft“.

Wie stehen die Chancen?

Welche dieser Punkte von der kommenden Regierung aufgenommen und dann noch umgesetzt werden, ist nun natürlich offen. “Der Gegner, gegen den wir kämpfen, ist ein Unsichtbarer”, meint etwa AVCO-Präsident Rudolf Kinsky. So würde man zwar oft bei hochrangigen Politikern auf offene Ohren stoßen, doch bei der Umsetzung auf Verwaltungsebene werde es dann schwierig. “Auf der Verwaltungsebene hat sich einiges gebessert”, meint Markus Raunig, CEO von AustrianStartups, jedenfalls, deswegen gebe es durchaus Hoffnung.

Braucht die Startup-Szene also diese Maßnahmen, um künftig gedeihen zu können? Gut wäre es, notwendig aber eigentlich nicht, meint Speedinvest-CEO Oliver Holle. Digitalisierung werde, bei welcher Regierungskonstellation auch immer, eine wichtige Rolle spielen, ein Regierungsprogramm ohne entsprechende Punkte sei nicht zeitgemäß. Holle: “Die Politik braucht uns und nicht umgekehrt.”

>>> Hier gibt es das Visionspapier 2025 zum Download <<<

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