Interview

Wie expandiert mein Startup am besten in die USA, Jan Bruckner?

Jan Bruckner. © J. Bruckner
Jan Bruckner. © J. Bruckner

Auch wenn asiatische und europäische Metropolen stark aufgeholt haben: Die USA und das Silicon Valley gelten bei Startups nach wie vor als das Non Plus Ultra. Investoren, Talente, Technologie und eine offene Unternehmerkultur locken auch regelmäßig österreichische Jungfirmen – und schrecken andere wegen der hohen Kosten auch manchmal ab. Doch wirklich gut funktionierende Geschäftsmodelle und Technologien kommen früher oder später nicht an den USA vorbei. Also: Wie bekommt man in den Vereinigten Staaten einen Fuß in die Tür?

Jan Bruckner, der sich selbst als Technologie-Optimist bezeichnet, blickt auf 20 Jahre Erfahrung im internationalen Vertrieb und Business Development zurück. Er arbeitet für die US-Botschaft in Wien und unterstützt österreichische Unternehmen bei der Gründung und Folgeexpansion in den USA. Im Interview erläutert er die sieben wichtigsten Punkte zur Expansion in die USA.

Trending Topics: Die meisten Startups in Europa fokussieren auf den Heimatmarkt, Nachbarländer und die EU. Warum sollte man auch die USA als Markt im Auge behalten?

Jan Bruckner: Die USA sind und bleiben ein unglaublich großer und attraktiver Markt. Allein das BIP ist um 20 % größer als das der EU 27 zusammen, von der Dimension also eher ein Kontinent, als ein Land. Wenn man langfristig als global agierender Player wahrgenommen werden möchte, kommt man um diesen Markt nicht herum. Dazu kommt, dass vor allem beim Thema Innovation bei den US-Unternehmen und Konsumenten im Durchschnitt ein stärker ausgeprägtes Interesse an neuen Lösungen und deren Implementierung vorherrscht. Genau dies ist wiederum häufig für österreichische Start-ups eine Chance, bei denen der Heimatmarkt sich in manchen Fällen erst langsam einem neuen Trend oder einer neuen Technologie öffnet.

Wichtig ist aber natürlich, dass der US-Markteintritt strategisch geplant wird. Ohne diesen Schritt riskieren Start-ups häufig finanziell wie auch operativ zu wenig Ressourcen bereitzustellen. Idealerweise bildet man dafür ein eigenes „US-Squad“, welches in wöchentlichen Sprints alle grundlegenden Fragen für die Expansion klärt, um am Ende eine fundierte Go or NoGo Entscheidung zu treffen.

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Wann ist der beste Zeitpunkt, um in die USA zu gehen? In welcher Phase eines Startups ist der Schritt am besten?

Der Zeitpunkt ist absolut entscheidend, wobei ich vor allem zwei Erfolgs-Szenarien beobachte:

Im 1. Szenario stellt sich schnell nach Gründung heraus, dass das hochinnovative Produkt am Heimatmarkt noch einige Zeit für die Akzeptanz brauchen wird, jedoch in den USA bereits auf solide Nachfrage stößt. Der frühe US-Einstieg ist dann faktisch ein Firmenumzug und das Europageschäft wird kurzfristig verschoben, damit sich die Gründer vollständig auf den US-Markt fokussieren können.

Im 2. Szenario, welches weitaus häufiger zu beobachten ist, hat man bereits umfassende Umsätze in Europa generiert und widmet sich teils nachfragegetrieben oder nach Abschluss einer größeren Finanzierungsrunde dem US-Markt. Häufig hat das Unternehmen in dieser Phase bereits den Break-Even-Point erreicht, das Geschäft in Europa trägt sich selbst und der Schritt ist in Summe mit weniger Risiko und Druck verbunden. Das Team kann sich dann je nach Bedarf auf die Anpassungen für den US-Markt konzentrieren, ausführlich testen und die Mitarbeitersuche erst gemeinsam mit den ersten US-Kunden und Umsätzen vor Ort angehen.

Das Silicon Valley ist natürlich das größte Ökosystem für Startups, aber auch New York, Los Angeles oder Austin bieten viel. Wie entscheidet man sich für den richtigen Platz?

Wenn wir zurück ins Jahr 2019, quasi Prä-Corona, schauen, sind 90 Prozent der US-Gründungen europäischer Startups in New York, Silicon Valley, Los Angeles und Boston gelandet. Seitdem sehen wir einen Wandel und auch Destinationen wie z. B. Miami, Denver, Austin, Atlanta und noch viele andere rücken in den Vordergrund.

Wenn ich persönlich auf der Suche nach dem geeigneten Standort in den USA wäre, würde ich mit einer Entscheidungsmatrix arbeiten. Dafür bewertet man einfach die für das Unternehmen wichtigsten Faktoren, um am Ende möglichst neutral ein Urteil zu fällen. U. a. könnte man z. B. mit folgenden 9 Kriterien starten:

  • Nähe zum Kunden
  • Nähe zum Kapital / Investor
  • Verfügbarkeit an Mitarbeitern
  • F&E Cluster und Ressourcen
  • Direkte Flugverbindungen
  • Operative Kosten
  • Zeitzone (zw. 6-9h Verschiebung)
  • Lokale Unterstützung für Start-ups
  • Lebensqualität


Die 2. Option ist, dass man im ersten Schritt einen geeigneten Mitarbeiter findet und das Office / Home Office quasi der Lebensmittelpunkt des neuen US-Kollegen ist.

Viele Startups machen einen Delaware Flip, um in die USA zu gehen. Was ist das, und ist der immer notwendig?

Bei einem Delaware Flip wird eine US-Holding gegründet, bei welcher das österreichische Startup rechtlich als Tochterunternehmen eingegliedert wird. Die IP-Rechte werden dabei meist auch in die USA übertragen. In meiner Arbeit sehe ich den Flip eher als die Ausnahme von der Regel und er wird größtenteils rein im Interesse des Investors, vor gesellschafts- und steuerrechtlichem Hintergrund vollzogen.

Wie muss man sich personell in den USA aufstellen? Und: Wie umfangreich ist das Prozedere für die Gründer und Mitarbeiter selbst, die in die USA entsandt werden?

Das hängt ganz vom Geschäftsmodell ab. Eine Consumer App lässt sich im Allgemeinen leichter US-weit ausrollen als z. B. ein stark reguliertes B2B MedTech- oder Fintech-Produkt. Bei Letzterem empfiehlt es sich, den Prozess des US-Markteintritts mit genügend Vorlaufzeit anzugehen und bei vertriebs- und service-intensiven Produkten ein passendes Team vor Ort aufzubauen.

Was ich in letzter Zeit auch häufiger beobachte ist, dass vor allem Sales & Business Development in den USA eingestellt werden, damit entsprechend auf deren bestehendes Netzwerk zugegriffen werden kann, Back Office und z. B. Softwareentwicklung verbleiben allein schon aus Kostengründen aber häufig in Österreich, eine Konstellation, welche mittlerweile auch von US-VCs geschätzt wird.

Der Prozess der Mitarbeiterentsendung sollte gut vorbereitet werden. Die US-Botschaft bietet hierfür umfangreiche Informationen mit Blick auf die jeweiligen Voraussetzungen für die Ausstellung der Einreisedokumente. Im Zuge der Gründungsphase in den USA, empfiehlt es sich außerdem speziell mit Bezug auf die Vielfalt der Steuer- und Mitarbeiterfragen einen spezialisierten Dienstleister hinzuzuziehen.

Marketing, Mitarbeiter, Lebenshaltungskosten, etc. – die USA sind kostspielig. Wie viel Geld sollte man beim Fundraising für die US-Expansion einplanen?

Eine sehr gute Frage, die sich leider nicht pauschal beantworten lässt, da es zu sehr vom Geschäftsmodell und Standort abhängt, aber generell eher unterschätzt wird. Speziell die operativen Kosten sind stark an den gewählten Standort gekoppelt, und genau aus diesem Grund macht es auch Sinn am Anfang in einem Mini-Benchmarking verschiedene Optionen durchzurechnen. Wenn man unbedingt im Silicon Valley oder zentral in New York sein Büro eröffnen möchte, schlägt sich das natürlich umgehend im Budget nieder.

Dadurch dass die USA ein hochkompetitiver Markt sind, sollte auf jeden Fall auch ein umfassendes Budget für gutes Personal und Marketing eingeplant werden.

Welche Unterstützungsmöglichkeiten bietet ihr österreichischen Startups beim Markteintritt und der Expansion vor Ort?

Wir bieten mit unserem SelectUSA Programm eine Vielzahl an kostenfreien und maßgeschneiderten Unterstützungsmöglichkeiten, um den ein oder anderen Schritt zu beschleunigen, Kosten zu minimieren und Risiken zu vermeiden. Das fängt bei der Marktrecherche an, geht über die Standortsuche und Themen wie staatliche, sowie lokalen Förderungen bis zu direkten Intros zu spezialisierten Dienstleistern bei Rechts-, Steuer- und Personalfragen. Wir unterstützen in Folge auch bei zukünftigen Wachstumsprojekten vor Ort und dem Export aus den USA in weitere Märkte.

Jedes Jahr im Juni findet außerdem auch unser SelectUSA Summit statt, bei dem man einen absoluten Deep-Dive rund um das Thema US-Markteintritt machen und dieses Jahr erstmals virtuell dabei sein kann. Der SelectUSA Tech Track ist dabei ein Schwerpunkt der Veranstaltung, bei dem Start-ups virtuell ausstellen, an einer Vielzahl spezifischer Workshops zu Themen wie US-Skalierung, Fundraising, Marken- & IP-Strategie etc. teilnehmen und bei erfolgreicher Bewerbung auch vor VCs, Acceleratoren, Corporates und erfahrenen Gründern pitchen können. Die Deadline für die diesjährigen Pitch-Bewerbungen ist Ende April und wir freuen uns bereits jetzt einen starken Pool an österreichischen Start-ups bestätigt mit an Board zu haben (Jan.Bruckner@trade.gov).

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