Weltraum-Startup

Tumbleweed: Wie zwei junge Wiener die Besiedelung des Mars vorantreiben wollen

Der zweite Prototyp von Tumbleweed © Team Tumbleweed
Der zweite Prototyp von Tumbleweed © Team Tumbleweed

Die Geschichte des Wiener Startups Tumbleweed könnte auch gut in einen Hollywood-Film über das Silicon Valley passen. Moritz Stephan und Julian Rothenbuchner haben sich in einer Schulstunde gelangweilt und dabei heimlich einen Fachartikel über Winde auf dem Planeten Mars gelesen. Mit Unterstützung ihres Physiklehrers fangen sie in Rothenbuchners Garage an zu schrauben. Sie gewinnen internationale Space-Wettbewerbe und holen sich ein Großunternehmen als Sponsor an Bord. Der Pitch: Sie wollen nichts Geringeres, als die Besiedelung des Mars voranzutreiben.

Tumbleweed ist ein Forschungs-Rover, der auf anderen Planeten Daten sammeln soll. Das gibt es natürlich schon, aber mit sehr viel Verbesserungspotenzial. Aktuell sind Mars-Rover, wie etwa der Curiosity von der NASA, sehr langsam. „Die Geschwindigkeit wird derzeit in Metern pro Tag gemessen“, sagt Rothenbuchner. „Curiosity hat in sieben Jahren etwa 20 Kilometer zurückgelegt“. Das ist für die flächendeckende Erkundung eines Planeten, der etwa halb so groß wie die Erde ist, zu langsam.“Wenn man einen solchen Rover auf der Mars-Oberfläche absetzt, will man sicher sein, dass es der interessanteste Punkt ist, denn er wird sich nicht weit wegbewegen“, erklärt Stephan.

Mars-Winde erreichen 400 km/h

Die NASA beschäftige wissenschaftliche Komitees, die sich der Frage, wo Curiosity ausgesetzt werden soll, manchmal jahrelang widmen würden. Tumbleweeds könnten hingegen in Schwärmen ausrollen und herausfinden, wo diese Punkte sind, an denen Curiosity dann Detailarbeit verrichten kann. Dazu haben sich die Schüler von Steppenläufern (engl. Tumbleweed), inspirieren lassen. Wie jene Wüsten-Pflanzen, die vom Wind umhergerollt werden, sollen die Rover die Marsoberfläche erkunden. Der Wind kann dort mit bis zu 400 km/h wehen. Während sich Curiosity mit 0,0003 km/h bewegt, sollen Tumbleweeds bis zu 20 km/h erreichen können.

Moritz Stephan (Mitte) und Julian Rothenbuchner (rechts) © Team Tumbleweed
Moritz Stephan (Mitte) und Julian Rothenbuchner (rechts) © Team Tumbleweed

Mars-Landung Ende der 2020er

Tumbleweed ist keine Teenager-Träumerei. Der erste Prototyp hat bereits 2018 an einem Weltraumforschungstest in der Wüste im Oman teilgenommen. Er ist zerbrochen, aber das Team hat viel gelernt. Der Hauptsponsor Voestalpine stellt für den nächsten Prototypen Titanbauteile zur Verfügung. Und eine Profi-Werkstatt in Wien. Die beiden Jungunternehmer oder Nachwuchsforscher haben einen ganz klaren Zeitplan: Der „finale Erd-Prototyp“ ist seit einigen Wochen fertig zusammengebaut und wird nächstes Jahr in der Wüste in Israel getestet.

Es ist der letzte Prototyp, der aus günstigeren Materialien und Technologien besteht, die für Tests auf der Erde gut genug sind. Dann werden die Systeme für den Mars adaptiert. Die Elektronik muss der starken Strahlung standhalten und die Konstruktion das Zusammenfalten der 5-Meter-Durchmesser-Bälle ermöglichen. „Dann brauchen wir nur noch Geld, um genug davon produzieren zu können. Ende der 2020er ist es unser Ziel, das erste Mal auf den Mars zu kommen“, sagt Stephan, der bereits vor einigen Jahren in Wien versuchte, mit dem Startup Lobu Bücher per Fahrrad auszuliefern. Lobu ist allerdings nicht mehr aktiv.

Der erste Tumbleweed-Prototyp beim Test im Oman © Österreichisches Weltraumforum
Der erste Tumbleweed-Prototyp beim Test im Oman © Österreichisches Weltraumforum

Datenmassen filtern im Weltraum

Stephan und Rothenbuchner haben vergangenes Jahr an der Sir-Karl-Popper-Schule in Wien maturiert und sind mit ihrem Projekt an zwei internationale Elite-Unis gezogen. An der TU in Delft (eine der größten europäischen Fakultäten für Luft- und Raumfahrt) und der Silicon-Valley-Talentschmiede Stanford haben sie nicht nur Zugang zu Maschinen, die Millionen Dollar kosten würden, sondern auch zu Experten, die sie für ihr Projekt dringend brauchen. Und das sind derzeit vor allem auch Softwareentwickler. Tumbleweeds sind so konstruiert, dass sie für Messungen nicht anhalten müssen. In Wahrheit könnten sie auch gar nicht. Dadurch werden Massen an Daten gesammelt, die aber nicht alle zur Erde geschickt werden können. Also muss die Software auf den rollenden Rovern schlau genug sein, um eine Selektion vorzunehmen.

Hier kommt Machine Learning ins Spiel. „Man sucht vor allem nach ungewöhnlichen Kombinationen an Daten bzw. manchmal weiß man auch, dass man bestimmte Extremwerte interessant finden würde“, erklärt Stephan. „Wir schicken dann nur die spannenden Daten an die Erde zurück“. Damit arbeiten die beiden Studenten an einer Lösung, die die Weltraumforschung generell auf ein neues Level heben könnte. „Das ist einer von den Kernwerten, die wir durch das Projekt schaffen. Diese Frage ist nicht nur für Tumbleweed, sondern generell für die Weltraumforschung relevant“, meint der Jungunternehmer.

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Die Geschäftsidee der beiden Wiener geht aber weit über den Rover hinaus. „In der Weltraumforschung besteht gerade eine starke Dynamik. Die gesamte Kostenstruktur der Weltraumforschung wird gerade komplett auf den Kopf gestellt, etwa durch günstigere Teile oder neue Launch-Provider. Da werden sich in den nächsten Jahren sehr viele neue Businesscases eröffnen, auch mit Mars-Bezug. Diese zu finden, und damit die Mars-Besiedelung voranzutreiben, ist unser großes Ziel“, sagt Stephan selbstbewusst.

So soll der fertige Tumbleweed aussehen © Team Tumbleweed
So soll der fertige Tumbleweed aussehen © Team Tumbleweed

Unis sollen Module für Forschung kaufen

Derzeit finanziert die Entwicklung hauptsächlich die Voestalpine und Preisgelder diverser Wettbewerbe. Alle 15 Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich. Für die Produktion der ersten hundert Tumbleweeds stellen sich Rothenbuchner und Stephan eine Finanzierung durch ein Kollektiv aus privaten Investoren und staatlichen Weltraumagenturen vor. Ist die Produktion einmal gesichert, stützt sich das Geschäftsmodell aber hauptsächlich auf universitäre Forschung. „Wir haben modulare Nutzlast-Einheiten auf dem Tumbleweed und damit können wir dann Platz und Strom für Experimente verkaufen. Und genau da sind Universitäten wichtig, die sich dann vielleicht einkaufen, um ihr Experiment auf den Mars zu schicken“.

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Urlaub am Mars?

Wann die beiden damit rechnen, auf dem Mars Urlaub machen zu können? „Am Mond ganz sicher“, platzt es aus Stephan heraus. „Von der Distanz und der technischen Hürde her ist der Mars schon noch ein Stück vom Mond entfernt“, erklärt er. Rund 395 Millionen Kilometer sind tatsächlich eine weite Reise. „Dazu müsste man ja einfach mal vier Monate seine Arbeit ruhen lassen“, sagt Julian. Das können sich die beiden jungen Workaholics aber nicht wirklich vorstellen.

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