Analyse

Tiroler Startup-Festspiele

Tourengeher am Tiroler Kühtai-Sattel. © Photo by Markos Mant on Unsplash
Tourengeher am Tiroler Kühtai-Sattel. © Photo by Markos Mant on Unsplash

„Ich bin heute in der Früh mit den Tourenski auf einen Gipfel gelaufen und direkt im Powder zur Arbeit gefahren.“ Valentin Schütz, Mitgründer der Recruiting-Plattform Gronda, hat das Zeug dazu, einmal in einer Dokumentation zu den außergewöhnlichsten Arbeitswegen der Welt eine Hauptrolle zu spielen.

Aber auch wenn nicht. Für sein Startup geht es derzeit steil hinauf: Von der Werkstätte Wattens, einem Tiroler Coworking- und Innovations-Hub aus, ist Gronda derzeit dabei, seine Talente-Plattform für Hotelerie und Gastronomie in ganz Europa auszurollen. Gronda ist das jüngste Beispiel einer Tiroler Erfolgsserie. Innerhalb kurzer Zeit haben gleich vier Jungfirmen großes Neuigkeiten verkünden können:

  • Gronda: Die Recruiting-Plattform holt 1,5 Millionen Euro
  • Swarm Analytics: Das AI-Startup bekommt 500.000 Euro
  • RateBoard: Startup macht Multi-Millionen-Exit nach Italien
  • ParityQC: Neues Quanten-Computer-Startup geht mit mittlerer sechsstellige Summe an den Start

Die Verdichtung dieser Investment-Runden und des Exits zum Jahresanfang 2020 ist auffällig. Zufall oder letztendlich doch Ergebnis gezielter Vorarbeit?

Wo alle an einem Strang ziehen

„Tirols Startup-Ökosystem profitiert gerade davon, dass innovative Gründungen vom Land seit Jahren konsequent gefördert werden und sich die privaten und öffentlichen Akteure vor einigen Jahren zudem zur Initiative Startup.Tirol zusammengetan haben“, sagt Harald Oberrauch. Der Südtiroler Unternehmer ist nicht nur Obmann von Startup.Tirol, sondern hat vor mehreren Jahren auch eine Gruppe Tiroler Business Angels um sich formiert.

Harald Oberrauch hat die Tyrolean Business Angel GmbH gegründet. © Durst Group

Das Besondere an Startup.Tirol sind die Mitglieder: Alle Akteure des Ökosystems sind Teil des Vereins, der auch ein eigenes Gründungszentrum betreibt. Dieses setzt die Aktivitäten des AplusB-Zentrums CAST (Center for Academic Spin-Offs) fort und sorgt dafür, dass Forschende, Studierende und Wissenschaftler auf dem Weg von der ersten Idee bis hin zum Markteintritt Unterstützung bekommen. Folgende Player sind Mitglied von Startup-Tirol:

Aus diesem Netzwerk heraus haben sich verschiedene Programme entwickelt. „Innovative Gründerinnen und Gründer werden von zahlreichen Unterstützern der Szene hin zur Markt- und Investmentreife vernetzt, beraten und begleitet“, sagt Oberrauch. „Zur Verfügung stehen gemeinsam entwickelte und bespielte Formate wie der Inncubator von Universität Innsbruck und Wirtschaftskammer Tirol, das Booster-Programm im gleichnamigen Gründungszentrum Startup.Tirol oder das im Vorjahr von Werkstätte Wattens und Standortagentur Tirol etablierte Growth Camp.“ Und Investoren wie die Tyrolean Business Angel GmbH, das tba Netzwerk, die I.E.C.T. von Hermann Hauser oder die Mad Ventures würden mittlerweile ordentlich anschieben.

Hermann Hauser mit Apple Watch am Handgelenk. © I.E.C.T.
Hermann Hauser mit Apple Watch am Handgelenk. © I.E.C.T.

„Aus meiner Sicht zeigen die genannten Deals, dass der Turbo aus Startup.Tirol mehr und mehr auf den Boden kommt. Der Startup-Standort ist attraktiv für Investoren, ist mit jedem einzelnen, attraktiven Deal der letzten Jahre sichtbarer geworden und zieht weiteres Kapital an“, sagt Oberrauch. „Zudem bin ich überzeugt, dass die Player der Szene, auch mit Hilfe von Startup.Tirol, immer professioneller agieren. Das Ökosystem institutionalisiert sich.“

Die vielen neuen Programme haben auch den Effekt, dass Startups in Tirol nun deutlich schneller und einfacher Investments bekommen können. „Bei allen Tiroler Startups orte ich für Investoren zudem bereits den „Startup.Tirol“-Bonus“, sagt Marcus Hofer, Geschäftsführer der Standortagentur Tirol, über die Deals der letzten Wochen. „Wenn ausgewählte Teams im Startup Booster zum Beispiel Geschäfts- und Erlösmodelle früh perfektionieren und schon erste Schritte in Richtung Internationalisierung vornehmen können oder im Growth Camp Profi-Support bei Marktexpansion, Produktionsskalierung und Teamentwicklung erhalten, steigert das die Investmentfähigkeit der betreffenden Innovationen maßgeblich.“

Die Besonderheiten des Standorts

Sehr stolz ist man in Tirol an auch auf die weltweit angesehene Forschung an Quantencomputern. Der Aufbau des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) in Innsbruck wurde bereits vor mehr als zehn Jahren mit Millionenförderungen unterstützt.

Quantensimulationsexperiment mit langen Ionenkristallen am IQOQI. © IQOQI
Quantensimulationsexperiment mit langen Ionenkristallen am IQOQI. © IQOQI

„Der Standort hat sicher eine vergleichsweise hohe Dichte an akademischen Spin-offs, auch das sichert eine hohe Qualität der Ideen. Zudem verfolgen die Hochschulen explizite Spin-off-Strategien“, sagt Oberrauch. „Allein die Uni Innsbruck ist aktuell an 17 Spin-offs beteiligt, darunter finden sich mit AQT und ParityQC zudem bereits zwei Quantencomputer-Spin-offs. Auf der anderen Seite sehe ich eine große Vielfalt sowie eine hohe Kompetenz, AI- und Digitaltechnologien mit starken, eingesessenen Branchen wie dem produzierenden Sektor oder dem Tourismus zu verknüpfen.“

Der Nährboden für Startups ist das stetig wachsende Unternehmertum im Bundesland. Die Unternehmensgründungen in Tirol sind 2019 gegenüber Vorjahr wieder gestiegen. Waren es laut WKO 2018 2.816 Neugründungen, sind es 2019 etwa wieder hundert mehr gewesen (2.912). Eine dieser Neugründungen ist ParityQC. In das Startup, das eine Architektur für Quantencomputer entwickelt, haben die Investoren Hermann Hauser und Herbert Gartner zuletzt einen mittleren sechsstelligen Betrag gesteckt.

„Vom Start weg international“

Dass RateBoard an ein italienisches IT-Unternehmen verkauft wurde oder Gronda sich bereits zum Marktführer bei Recruiting-Plattformen in Hotellerie und Gastronomie entwickelt hat, ist kein Zufall. „Tirols Startups orientieren sich in der Regel vom Start weg international. Die engen wirtschaftlichen Verflechtungen zum Süden Deutschlands und Norden Italiens sind aus meiner Sicht ein Grund dafür“, sagt Oberrauch. „Andererseits erlebe ich Tirols Startups sehr kooperationsstark – aus meiner Sicht eine Chance für Cross-Industry-Innovationen, wie sie im neuen Alpine Tech Innovation Hub in Wattens bereits mit angeschoben werden.“

Die Gronda-Gründer Valentin Schütz, Juan Vicci und Tobias Zetzsche. © Gronda
Die Gronda-Gründer Valentin Schütz, Juan Vicci und Tobias Zetzsche. © Gronda

Mit etwa 750.000 Einwohnern ist Tirol für sich genommen ein sehr kleiner Markt. was aber nicht bedeutet, dass Startups wegziehen müssen, weil sie anderswo mehr Mitarbeiter finden können. „Ich glaube, in Tirol liegt extrem viel Potential. Für mich ist Innsbruck eine der Städte mit der höchsten Lebensqualität in Europa. Viele, vor allem sportbegeisterte, junge Leute kommen hier her, um zu studieren und bleiben dann auch hier“, sagt Valentin Schütz von Gronda. „Sprich: wir haben relativ einfachen Zugang zu gut ausgebildeten Leuten und müssen nicht Gehälter wie in Berlin oder Wien bezahlen.“

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