Österreich

Das neue Start-up-Paket: SPÖ und ÖVP einigen sich auf Maßnahmen im Rahmen von 185 Millionen Euro

Bundeskanzler Christian Kern (SP) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP). © BKA/Andy Wenzel
Bundeskanzler Christian Kern (SP) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP). © BKA/Andy Wenzel

Den vielen Worten folgen jetzt Taten: Nachdem sich Regierungsvertreter, allen voran Staatssekretär Harald Mahrer, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und zuletzt auch der neue Bundeskanzler Christian Kern, für Maßnahmen für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für österreichische Start-ups ausgesprochen haben, wurde heute Vormittag im Ministerrat das Start-up-Paket beschlossen. Es umfasst Maßnahmen im Rahmen von 185 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre. Bundeskanzler Kern sagte Ende Mai am Pioneers Festival, dass Start-ups „absolute Priorität“ hätten und versprach Maßnahmen (TrendingTopics.at berichtete), jetzt liegen sie auf dem Tisch.

„Dieses Paket bringt einen Turbo für die heimische Start-up-Szene. Mit dem frischen Geld schaffen wir neue Jobs und können bis 2020 50.000 neue Gründungen auslösen. Wir heben damit die Gründerland-Strategie aufs nächste Level“, sagt Wirtschafts-Staatssekretär Harald Mahrer (hier im Interview), der sich mit seiner Gründerland-Strategie an vorderster Front für neue Gesetze für Start-ups einsetzt.

Verhandelt wurde das Paket bis spät in die Nacht auf Dienstag, ob das Paket noch vor der Sommerpause des Nationalrats beschlossen werden wird, ist noch offen. Die Start-up-Offensive ist Teil des wirtschaftspolitischen Programms der Bundesregierung für die nächsten Jahre.

Das 12-Punkte-Paket

Das Start-up-Paket umfasst folgende Punkte und beinhaltet viele jener Forderungen, die in der Start-up-Szene immer wieder gefordert wurden (TrendingTopics.at berichtete):

1. Entlastung bei Lohnnebenkosten:

Die ersten drei Mitarbeiter von innovativen Start-ups sollen für drei Jahre von den Dienstgeber-Lohnnebenkosten entlastet werden. Pro Jahr soll das etwa 30.000 Euro Ersparnis bringen bzw. die Lohnnebenkosten eines neu gestarteten Unternehmens um bis zu 25 Prozent reduzieren. Ein solches Modell wurde bereits von Finanzminister Hans Jörg Schelling (VP) vorgeschlagen. Gefördert wird die Maßnahme mit einem Gesamtvolumen in Höhe von rund 100 Mio. Euro, das Förderungsprogramm wird durch die aws ab 1. Jänner 2017 abgewickelt. Die Lohnnebenkostenbestandteile sind:

Geförderte Lohnnebenkosten (Dienstgeberbeiträge) in %
Krankenversicherung 3,78 %
Unfallversicherung 1,30 %
Pensionsversicherung 12,55 %
Arbeitslosenversicherung 3,00 %
IESG-Beitrag 0,35 %
Wohnbauförderung 0,50 %
BMSVG (Mitarbeitervorsorge) 1,53 %
Familienlastenausgleichsfonds FLAF 4,50 %
Kommunalsteuer 3,00 %
Regionale Abgaben (U-Bahnsteuer, Kammerumlage, etc.) 0,40 %
Summe 30,9%

Zur Vermeidung von Schwelleneffekten soll die Förderung jährlich um 1/3 abschmelzen. Im ersten Jahr der Begünstigung sollen daher 100 Prozent der Dienstgeberbeiträge ersetzt werden, im zweiten Jahr 2/3 und im dritten Jahr 1/3.

2. Neue Risikokapitalprämie für Investoren:

Unterstützt werden kumulierte Investitionsbeträge bis zu 250.000 Euro pro Jahr, wobei maximal 20 Prozent des Beteiligungsbetrags rückerstattet werden. Das soll Beteiligungen von Privatinvestoren an Jungunternehmen fördern. Die Kosten werden auf bis zu 15 Mio. Euro pro Jahr geschätzt. Das Programm wird durch die aws abgewickelt. Die Einreichung erfolgt online über den aws-Fördermanager, bezugsfähig sind natürliche und juristische Personen, aber keine Fonds.

3. Stärkung der aws-Garantien:

Derzeit übernimmt die Förderbank aws pro Jahr Garantien im Ausmaß von rund 200 Millionen Euro. Dieses Volumen soll auf Basis neuer Vergabekriterien um 100 Millionen Euro erhöht werden. Dadurch sollen Unternehmen zusätzliche Investitionen in Innovation- und Wachstumsprojekte in Höhe von 350 Millionen Euro ermöglicht werden, stellt der Ministerrat in Aussicht. Der erwartete Arbeitsmarkteffekt liege bei rund 9.000 neuen bzw. gesicherten Arbeitsplätzen.

4. aws Business-Angel-Fonds wird neu dotiert:

Gemeinsam mit den Mitteln privater Investoren und mit EU-Mitteln soll das Start-ups zusätzlich 20 Millionen Euro bringen. „Auf Basis der bisherigen Nachfrage ist von einem weiteren Potential für Ko-Investitionsvereinbarungen von  20 Mio. Euro von 2016 bis inklusive 2017 auszugehen“, heißt es im Vortrag an den Ministerrat. Dieser Bedarf soll durch eine Aufstockung des Business Angels Fonds um insgesamt 5 Mio. Euro für 2016 und 2017 aus frischen Bundesmitteln des BMF an das BMWFW gedeckt werden. Diese Bundesmittel sollen wenn durch den Europäischen Investitionsfonds aus dem Juncker-Plan mit gehebelt werden.

5. Seed-Finanzierung der aws um 20 Millionen Euro aufgestockt:

Damit sollen mehr Fördermittel der staatlichen Förderbank aws für frühphasige Firmen bereitgestellt werden. Diesen Finanzierungen werden von 2016 bis inklusive 2018 von BMWFW und BMVIT zu gleichen Teilen zur Verfügung gestellt, finanziert aus frischen Bundesmitteln des BMF.

6. Neue Rechtsform Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft (MiFiG):

Für Privatinvestoren soll es attraktiver werden, Risikokapital für Klein- und Mittelbetriebe zur Verfügung zu stellen. Für Investoren in eine MiFiG gibt es bis 15.000 Euro Steuerbefreiungen für Ausschüttungen. Die maximale Beteiligungshöhe pro Zielgesellschaft wird von 1,5 auf 15 Millionen Euro pro Zielgesellschaft und Beteiligungszeitraum erhöht. Auf Ebene der KMU-Finanzierungsgesellschaft werden eine Steuerneutralität von Veräußerungsgewinnen und -verlusten für den Finanzierungsbereich sowie eine Gebührenbefreiung festgelegt.

7. Unternehmensservice-Portal für Gründer:

Um den Gründungsprozess schneller und billiger zu machen, sollen Gründer die dafür nötigen Daten und Informationen online über ein Unternehmensserviceportal eingeben können und sich so durch die Vernetzung von Behörden und Registern mehrere Behördenwege ersparen. Das Portal ist unter der Web-Adresse www.foerderpilot.at abrufbar.

8. Gründungs-Fellowships für akademische Spin-Offs:

Nach Vorbild der ETH-Zürich sollen Wissenschaftler und Studierende mit innovativen Ideen leichter ein eigenes Unternehmen aufbauen können, indem sie mit dem Fellowship Gehaltskosten finanzieren und Zugang zu akademischen Infrastrukturen bekommen. Die Maßnahme wird mit fünf Millionen Euro pro Jahr finanziert. Die Regierung erwartet sich, dass damit rund 50 Gründer in Teams unterstützt werden können. Die Vergabe der Fellowships soll über die Wissenstransferzentren im Wettbewerb erfolgen.

9. Neues Start-up-Visum im Rahmen der Rot-Weiß- Rot-Karte:

Die bestehende Regelung für selbständige Schlüsselkräfte soll für Start-ups geöffnet werden. Der Antragsteller erhält eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung (= RWR-Karte) für selbständige Tätigkeit für ein Jahr, mit der Option auf Verlängerung für ein weiteres Jahr. Die weitere Verlängerung ist an einen bestimmten Jahresumsatz oder Finanzierungsmittel geknüpft, und zwar: Eine Verlängerung nach Ablauf der zwei Jahre um weitere drei Jahre ist möglich, wenn das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt mindestens zwei weitere dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen hat und entweder einen Jahresumsatz von zumindest 200.000 Euro erreicht hat oder sich eine weitere Finanzierung von zumindest 100.000 Euro sichern konnte.

10. Programmierer kommen auf Mangelberufsliste:

So soll der zusätzliche Bedarf an Programmierern  in verschiedenen Wirtschaftsbereichen abgebildet werden.

11. 24h-Quickcheck bei Förderanfragen der FFG und aws:

So sollen Start-ups schneller Feedback bekommen, ob sie für eine staatliche Förderung durch Austria Wirtschaftsservice oder Forschungsförderungsgesellschaft in Frage kommen.

12. Patent-Checks für Start-ups:

Start-ups erhalten eine Gutschrift von 10.000 Euro für Leistungen der Patentämter (österreichisches Patentamt bzw. für Start-ups im Westen von Österreich auch deutsches und schweizerisches Patentamt). Die Gutschrift entspricht 80 Prozent der Leistung, 2.500 Euro sind vom Start-up zu bezahlen. Start-ups können beim Patentamt außerdem Ideen hinterlegen, auch wenn diese noch im frühen Entwicklungsstadium sind und nicht den formellen Kriterien für ein Patent genügen. Das soll ihnen ermöglichen, schnell ihr geistiges Eigentum abzusichern. Die Maßnahme soll 2016 umgesetzt werden.

Was gilt als Start-up?

Laut Wirtschaftsministerium gibt es nicht für alle Maßnahmen eine Definition von Start-ups. aws und FFG etwa arbeiten bei ihren Förderungen mit eigenen Definitionen (mehr dazu hier). Für die die Risikokapitalprämie und die Förderung der Lohnnebenkosten wurde folgende Definition festgelegt. Start-ups sind demnach:

  • jung
  • mit ihrer Technologie oder ihrem Geschäftsmodell innovativ
  • weisen ein signifikantes Mitarbeiter- oder Umsatzwachstum auf

Alternativ liegt ein innovatives Start-up auch dann vor, wenn es:

  • jung ist und
  • in den zwei Jahren vor Antragstellung eine öffentliche Förderung für ein Forschungs- oder Innovationsprojekt der aws/FFG in Anspruch genommen hat

Diese Definitionen treffen laut Wirtschaftsministerium derzeit auf rund 1.000 Neugründungen pro Jahr zu. Die genaue Ausgestaltung der Definition und der Förderkriterien soll noch zwischen dem Wirtschaftsministerium, dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und dem Bundesministerium für Finanzen vereinbart werden.

Anmerkung: Als „jung“ wird voraussichtlich eine Firma definiert werden, die nicht älter als 5 oder 7 Jahre ist. Das ist noch Verhandlungssache.

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