Rückblick

Soup.io: Ein Kapitel österreichischer Startup-Geschichte geht zu Ende

Das Soup.io-Gründungsteam am Gehsteig vor dem Metalab in Wien. © Soup.io
Das Soup.io-Gründungsteam am Gehsteig vor dem Metalab in Wien. © Soup.io

Was ist Soup.io? Eine Kunst? Eine Philosophie? Eine Politik? Eine Feuerversicherung? Oder Staatsreligion? Ist Soup wirkliche Energie? Die Frage, was Soup.io ist, die haben sich seine Nutzer in Memes des Öfteren gestellt, jetzt gibt es eine endgültige Antwort darauf. Soup.io ist bald nicht mehr. Die aktuellen Besitzer des 2007 gegründeten österreichischen Microblogging-Dienstes haben jetzt verkündet, dass Soup.io am 20. Juli endgültig abgedreht wird. Also Zeit, noch einmal in die Vergangenheit eines der Urgesteine der österreichischen Startup-Szene zurückzuscrollen.

Im Wiener Metalab haben sich vor 13 Jahren Startup-Gründer getroffen, weil es damals keine Startup-Hubs und Coworking Spaces gab, in denen man mal ein Meetup machen hätte können. Nähe Rathaus, stolperte man damals die Stiegen in das Halbkellerlokal hinunter, schnappte sich ein Club Mate und fläzte sich auf eine der durchgesessenen Couches, um mit Gleichgesinnten die Internet-Revolution zu planen. Damals ist dort Mjam, heute Österreichs führender Essenslieferdienst, entstanden, und etwa zeitgleich hat dort Christopher Clay an etwas zu programmieren begonnen, das Microblogging für die kreativen Massen versprach.

Soup-Mastermind Christopher Clay. © Soup.io
Soup-Mastermind Christopher Clay. © Soup.io

Gemeinsam mit Esad Hajdarevic und Florian Hufsky, später mit Lukas Fittl und Andreas Fuchs gelang es Clay ab 2007, einen Web-Dienst zu bauen, der es mit Tumblr aufnehmen hätte können. Das Team holte sich in London bei Seedcamp und Y Europe, einem Y Combinator-Klon, ein erstes Investment und sah sich auch technologisch im Vorsprung. Denn Soup.io war die erste Social-Media-Seite, die „Endless Scrolling“ einführte – auch heute immer noch eine Funktion, die dafür sorgt, dass die Massen bei Facebook, Instagram und Twitter viel viel Zeit verbringen, ohne auf „Laden“ klicken zu müssen.

Die gößte .io-Seite ihrer Zeit

Zu Höchstzeiten schaffte es Soup.io auf 70.000 aktive Nutzer und ungefähr eine Million Besucher pro Monat und war damals weltweit eine Zeit lang sogar die meist besuchte URL mit .io am Ende. Clay und Fittl gewannen Preise (etwa den Innovationspreis der APA-IT und den TechCrunch Europa Award „Best Bootstrapped Startup“), Soup.io wurde vom britischen Guardian unter die 100 besten Webseiten des Jahres 2009 gewählt, und die Zukunft schien rosig.

Christopher Clay und Mitgründer Lukas Fittl gewinnen 2009 APA-Innovations-Award. © APA/Thomas Preiss
Christopher Clay und Mitgründer Lukas Fittl gewinnen 2009 APA-Innovations-Award. © APA/Thomas Preiss

„Wir waren auf Fundraising-Tour in Amerika, als gerade 2008 die Wirtschaftskrise ausbrach. Sonst hätten wir damals vielleicht Tumblr überholen können. Aber ohne VC aus Amerika haben wir den Moment versäumt. Andererseits war Tumblr einfach gute Konkurrenz“, sagt Clay heute. „Mit „das Tumblr Europas“ werden haben wir uns nicht abgefunden, wir wollten auf dem internationalen Parkett mitspielen… aber im direkten Zweikampf mit dem viel besser finanzierten Tumblr hatten wir wenig Chance, obwohl wir technisch unserer Zeit voraus waren.“

Neustart mit Speedinvest

2012 versuchte Soup.io mit frischem Investment von Speedinvest einen Neustart und wollte die damals neue Facebook-Timeline mit Soup.me konkurrieren. Anstatt weiterhin Tumblelogs wie Tumblr und Posterous Konkurrenz zu machen, wollte man zum optisch ansprechenden Hort für das komplette digitale Leben der Nutzer werden und setzte voll auf Tablets – ein Erfolg war das neue Produkt aber auch nicht. Immerhin fiel man auf der SXSW-Konferenz in Austin mit markigen Werbesprüchen auf. Speedinvest stieg dann 2012 aber wieder aus, und auch das Kern-Team verließ das Startup.

Michael Schuster von Speedinvest bei der SXSW für Soup.io unterwegs. © Soup.io
Michael Schuster von Speedinvest bei der SXSW für Soup.io unterwegs. © Soup.io

„Als sich abzeichnete, dass wir nicht riesig werden, hatten wir schon zu viele Investoren an Bord, um als kleines Unternehmen oder Open-Sourcce-Plattform nachhaltig existieren zu können. Es ist eigentlich ein Wunder, dass Soup trotzdem so viele Jahre online blieb. Von den damaligen Konkurrenten wie Posterous oder Friendfeed ist schon lange nichts mehr übrig“, sagt Clay heute. Clay war dann lange für die ehemalige Europaabgeordnete Julia Reda (Piratenpartei) in Brüssel tätig, Fittl im Silicon Valley für Microsoft als Manager unterwegs, und Andreas Fuchs wurde einer der ersten Hires des Milliarden-Fintechs Stripe.

Viele Besitzerwechsel

Der Web-Dienst Soup.io, der noch heute wie vor zehn Jahren aussieht, wechselte mehrmals den Besitzer. 2017 übernahm der Hosting-Provider easyname 100 Prozent der Anteile, als Soup.io wegen technischen Schwierigkeiten eingestellt werden sollte. easyname-Eigentümer Florian Schicker, der sich selbst als „Soup Poweruser“ bezeichnete, hatte die Anteile aus „Liebe zum Portal“ erworben. 2018 wurde es wieder verkauft, heute gehört die dahinter stehende Euphoria GmbH dem Wiener Michael Pambalk-Rieger. Ihm kostet der Betrieb derzeit etwa 10.000 Euro pro Monat, Werbung auf der Webseite bringt aber nur 1.500 Euro ein. Nun wird der Dienst endgültig abgedreht.

„Das Schönste aus meiner Sicht war die leidenschaftliche Community, die sich drum gebildet hat – in Deutschland, Österreich und Polen. Sie haben User-Meetups veranstaltet und Soup-Memes erstellt“, sagt Clay. „Im Leben tausender User hat Soup eine Zeit lang eine große Rolle gespielt.“

Was wird von Soup.io bleiben? Digital nicht viel, aber für alle Beteiligten und Nutzer viele gute Erinnerungen. Gründer und Mitstreiter haben später ordentlich Karriere zwischen Brüssel und Silicon Valley gemacht, Endless Scrolling ist zum Standard für Content-Webseiten im Netz geworden, und eines hat Soup.io wirklich groß gemacht: Die .io-Domains sind keine Exoten mehr, sondern in der Startup-Welt und darüber hinaus Standard geworden.

RIP, Soup.io.

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