Sharing Economy

Basketbälle, Karaoke-Boxen, Hochzeitskleider und Räder – China, das Land des Teilens

Ofo ist eines von fast zwei dutzend Bike-Sharing-Startups in China, die pleite gegangen sind. ©common.wikimedia
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Man muss etwas nicht besitzen, um es nutzen zu können, wenn man es braucht. Die Maxime der „Sharing Economy“, dass Dienstleistungen, Ressourcen aber auch Produkte geteilt oder verliehen/vermietet werden können, ist eines der Erfolgsprinzipien von AirBnB, der verschiedenen Car-Sharing-Dienste oder auch e-Scooter-Verleiher. Auch wenn die USA gerne als Erfinder der Sharing Economy genannt werden (der Begriff der Share Economy stammt vom Harvard-Professor Martin Weitzman), der eigentliche Hype findet in China statt.

Von dort aus überschwappt der Trend den Westen – nicht immer positiv, wie man am Fall des Rad-Sharing-Unternehmens Ofo sieht. Das chinesische Startup, das 2014 als Musterbeispiel für neue und nachhaltige Mobilität gestartet ist, steht vor dem Aus. Vor allem die schlechte Qualität der Räder, die (auch in Österreich) die Gehsteige überfüllten und dafür sorgten, dass Kunden vor lauter kaputten Rädern keine funktionierenden mehr fanden, sind für den Niedergang des Startups verantwortlich. Der chinesische Konkurrent Mobike hingegen, der zwei Jahre später startete, nutzte die Gunst der Stunde und überholte Ofo.

190 Sharing-Startups in China

„China ist sicherlich ein Musterland für Sharing Economy“, sagt Christina-Maria Schösser, Österreichs Wirtschaftsdelegierte in Shanghai. „In China wird fast alles geteilt, was man wirtschaftlich teilen kann.“ Insgesamt gibt es laut einem Report der Technologie-Plattform iyiou.com 190 Sharing-Economy-Startups. Und dass man Sharing alles andere als eng sieht, beweist das Angebot: Ob Schlafkabinen, Powerbanks, Fitness-Kabinen, Basketbälle oder Regenschirme – die Ideen sind fast grenzenlos.

Christina-Maria Schösser, Wirtschaftsdelegierte in Shanghai ©wko

Allein 2017 wurden insgesamt umgerechnet etwa 2,5 Milliarden Euro in Startups investiert, deren Geschäftsgrundlage Sharing Economy ist. Pro Jahr soll laut Prognosen des State Information Centers (SIC) allein in China die Sharing Economy um 40 Prozent wachsen und bis 2020 zehn Prozent des chinesischen BIP ausmachen. Das große Wachstum führt das SIC darauf zurück, dass es in China mehr als 700 Millionen Menschen gibt, die man als Netizens bezeichnet, als webaffine Nutzer, die vor allem mit mobilen Technologien gut umgehen können. Um Sharing-Dienste nutzen/buchen zu können, benötigt man nämlich ein Smartphone.

Didi – das chinesische Uber

Das erfolgreichste, bzw. mit etwa 50 Milliarden Euro teuerste Sharing-Economy-Startup in China ist Didi Chuxing, quasi das chinesische Uber. Tencent hat in „Didi“, so der Kurzname, bereits 2012 investiert und Didi hat „Uber China“ 2016 für umgerechnet etwa 32 Milliarden Euro geschluckt. Aber so wie Uber hat auch Didi noch kein Geld verdient, im Gegenteil: Die Verluste im Vorjahr werden mit etwa 500 Millionen Euro beziffert. Dennoch soll der Firmenwert 2019 auf umgerechnet 70 Milliarden Euro steigen. Didi hat etwa 550 Millionen Kunden und hat im Vorjahr etwa 11 Milliarden Fahrten durchgeführt – im Schnitt 20 pro registriertem Kunden.

Didi – das chinesische Uber – ist das wertvollste Sharing-Startup Chinas. Es ist derzeit umgerechnet etwa 50 Milliarden Euro wert. ©Flickr

Mit Tujia.com gibt es übrigens auch ein Pendant zu AirBnB. AirBnB hatte vor zwei Jahren auch versucht, mit Tujia zu fusionieren, allerdings scheiterte das Vorhaben am Tujia-Management, das sich zwar einen Austausch von Anteilen vorstellen konnte, nicht aber eine Übernahme.

22 Fahrrad-Sharing-Startups

Tatsache ist, dass vor allem Didi in China einen Sharing-Economy-Hype ausgelöst hat, doch  freilich werden die Investoren auch in China Opfer dieses Hypes. Zurück zum Beispiel Ofo: Im Frühjahr 2018 bekam das Startup, das als Unicorn gehandelt und zwischenzeitlich umgerechnet 1,8 Milliarden Euro wert war, umgerechnet 750 Millionen Euro an Investitionen. Nun steht man vor der Pleite. Ofo befindet sich in guter Gesellschaft, da mehr als ein Dutzend Bike-Sharing-Startups in China bereits bankrott sind und mit Kunden um deren Kautionen streiten. 22 Fahrrad-Startups gibt es allerdings nach wie vor. Ein Konzept, das oft kopiert wurde.

Vom Schlaf- über den Gym- zum Karaoke-Pod

Misspao stellt sich das Fitnesscenter der Zukunft als kleine Kapsel, die etwas größer ist als eine Telefonzelle vor. Wer den mit einem Laufband ausgestatteten Gym Pod nutzen will, zahlt umgerechnet 2 Cent in der Minute. ©misspao

Dai Jiangong hatte eine Startup-Idee, die bislang noch keinen Mitbewerber auf den Plan gerufen hat. Er entwickelte mit seiner Beijing Xiangshui Technology Corp Schlafkapseln, „napping pods“ genannt, die in Firmengebäuden aufgestellt wurden und die man halbstundenweise mieten konnte. Wegen Brandschutzbedenken musste die Schlafkojen aus dem Verkehr genommen werden. Misspao wiederum entwickelt Fitness-Kapseln, Gym Pods. Das Startup stellt sich das Fitnesscenter der Zukunft als kleine Kapsel, die etwas größer ist als eine Telefonzelle vor. Wer den mit einem Laufband ausgestatteten Gym Pod nutzen will, zahlt umgerechnet 2 Cent in der Minute.

Das chinesische Startup miniKTV hat Karaoke-Boxen entwickelt, die in Städten aufgestellt werden. ©miniKTV

Eine rege Nachfrage lösten – für uns unvorstellbar – die Karaoke-Boxen auf, die das Startup Xingtang MiniKTV 2016 entwickelte. Die Kabinen haben auf exakt zwei Quadratmeter Platz und sind mit einer Karaoke-Maschine, zwei Barhockern, zwei Paar Kopfhörern und zwei Mikrofonen ausgestattet. Aufgestellt in Einkaufszentren, Kinos, Restaurants und Touristenplätzen haben sie dem Karaoke-Boom eine neue Facette gegeben. Investoren glauben unter anderem, dass die Mini-Karaoke-Boxen künftig stark für Werbung aber auch für Musik-Talente-Shows genutzt werden. Die Startup-Gründer gehen in ihren Prognosen davon aus, dass in den chinesischen Städten etwa 500.000 dieser Karaoke-Boxen aufgestellt werden können.

Die Boxen sind zwei Quadratmeter groß und können per Handy-App gemietet werden ©Schoesser

Powerbank-Sharing

Für 15 Cent kann man in China eine Powerbank, also ein Smartphone-Ladegerät mieten. Laidian und Xiaodian heißen zwei der Powerbank-Startups in China. Um den Akku im Smartphone, Tablet oder auch Notebook aufzuladen, kann man sich bei Automaten eine Powerbank ausleihen – alles was man dazu braucht, ist eine App, mit der man den QR-Code scannt. Bezahlt wird über WeChat Wallet oder Alipay. Xiaodian hat in einer zweiten Finanzierungsrunde 2017 bereits 50 Millionen Dollar einsammeln konnte – Investoren waren unter anderem der chinesische Ableger von Sequoia Capital sowie der WeChat-Erfinder Tencent.

Basketball – 20 Cent für 30 Minuten

Ein Unternehmen in Jiaxing, in der östlichen Provinz Zhejiang, hat kürzlich einen Basketball-Sharing-Service gestartet. Das Unternehmen stellte an öffentlichen Plätzen in der Stadt und in der Nähe von Parks, Schränke auf, in denen in acht Fächern Basketbälle deponiert wurden. Via Smartphone und WeChat-Konto kann man sich für umgerechnet etwa 20 Cent pro 30 Minuten einen Basketball mieten – davor musste man eine Kaution in der Höhe von etwa 4 Euro hinterlegen. Die Schränke sind mit einer Kamera ausgestattet, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Während man mit dem Ball spielt, kann man im Fach seine Gegenstände deponieren.

Gute Idee – schlechtes Geschäft

An einem verregneten Tag hatten die Gründer von Molisan, was übersetzt „Magischer Regenschirm“ bedeutet, die Ideen, in Shanghai einen Regenschirm-Verleih auf Sharing-Basis zu gründen. Sie statteten U-Bahn-Stationen mit Automaten aus und brachten 300.000 Regenschirme auf den Markt. Molisan schlitterte in eine finanzielle Krise, denn die Menschen haben sich den Schirm, für den sie umgerechnet etwa 2,50 Euro Kaution bezahlen mussten, gleich behalten. Da die Schirme zu billig waren, wurden sie nicht geteilt. Molisan ist/war übrigens nicht das einzige Regenschirm-Sharing-Startup – mit OTO und Sharing E Umbrella gibt es zwei weitere Mitbewerber auf dem Markt, die noch immer aktiv sind. E Umbrella hat eine Systematik bzw. ein Schloss entwickelt, das praktisch überall montiert werden kann – vor allem auf Geländern auf der Straße, damit Kunden die Regenschirme bei Bedarf gleich zur Hand haben.

Es gibt in China mittlerweile drei Regenschirm-Verleih-Startups. Molisan ist pleite, mit OTO und Sharing E Umbrella gibt es noch zwei Anbieter auf dem Markt. @eumbrella

Sharing Economy – eine Frage der Definition

Für Zhu Wei, Professor an der China University of Political Science and Law, der auch Mitglied des Sharing Economy Committee der Internet Society of China ist, fallen viele Unternehmen nicht in die Kategorie Sharing Economy, sondern sind genau genommen Time-Share-Leasing-Modelle. Bei der echten Sharing Economy müssten Nutzer nämlich ihre eigenen Räume, Autos, Räder, Powerbanks vermieten, die Firmen würden – so wie Uber oder AirBnB die Organisation übernehmen.

„Ich glaube, dass der Markt der Sharing Economy gewaltig wachsen wird“, sagt Liu Mengyuan. Sie gründete yi23.net, ein Mode-Verleih-Service für Frauen, das nach Zhu Weis Definition, ein typisches Sharing-Economy-Startup ist. Auf der Plattform yi23.net  kann man vom Hochzeitskleid bis zum Arbeitsoutfit alles mieten und auch vermieten.

Das perfekte Trial&Error-Umfeld

Es stellt sich daher freilich die Frage, ob die Sharing Economy in China nicht etwas übertrieben wird, es zu einem „Over-Sharing“ kommt. Experten, wie der Wirtschafts- und China-Experte Jeff Towson, der an der Peking University’s Guanghua School of Management unterrichtet, sehen in diesen Sharing-Versuchen gute Methoden des Trial & Error. „Der große Vorteil Chinas ist, dass die Menschen gerne etwas Neues ausprobieren und dass in China 1,4 Milliarden Menschen leben“, sagt die österreichische Wirtschaftsdelegierte in Shanghai, Christina-Maria Schösser. Da gebe es rasch eine kritische Masse, die Serviceleistungen und Produkte ausprobiert und sofort Feedback gibt. Und dieses Feedback führe oft auch dazu, dass die Idee zwar eine gute ist, sich aber damit kein Geld verdienen lässt.

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