Analyse

Quibi: Ein Milliarden-Startup am Rande zum Fail

© Quibi
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Am Papier klingt alles super: 1,8 Milliarden Dollar Investment von Investoren wie Disney, NBC Universal, Goldman Sachs, CBS, Alibaba oder Sony Pictures. Ein Gründer-Team bestehend aus Jeffrey Katzenberg (ehemaliger Disney-Manager) und Meg Whitman (ehemalige HP-CEO). Und ein Streaming-Dienst, der komplett auf die Nutzung am Smartphone optimiert ist. Was kann da im Jahr 2020 noch schiefgehen?

Einiges. Der Video-Streaming-Dienst Quibi wurde von vielen heiß erwartet und startete dann – nicht wirklich durch. Zuerst einmal zum Konzept: Quibi ist ein kostenpflichtiger Streaming-Dienst, der Filme, Serien, Shows in maximal 10 Minuten langen Folgen aufs Smartphone bringt. Die Videos sind dabei so gedreht, dass man sie problemlos im Hochformat ansehen kann, und wenn man will kippt man das Smartphone einfach ins Querformat. Zu sehen sind etwa Christoph Waltz („Most Dangerous Game“), Jennifer Lopez („Thanks A Million“) oder Kevin Hart („Die Hart“).

Doch dem Launch von Quibi im April kam nicht nur die Corona-Krise in die Quere, die dafür sorgte, das Millionen potenzielle Nutzer plötzlich nicht mehr mit dem Smartphone unterwegs waren, sondern zu Hause vor Computern, Flat-TVs und Tablets saßen. Auch strategisch, technisch und inhaltlich wird den Quibi-Machern vorgeworfen, viele Fehler gemacht zu haben. Denn derzeit sieht es so aus, als würde das Ziel für 2020, 7,5 Millionen Abonnenten zu gewinnen, nicht erreicht werden. Zahlen von Sensor Tower, einer App-Analyse-Firma, zeigen etwa, dass bisher „nur“ 500.000 bis 600.000 zahlende Nutzer gewonnen wurden. Was ist falsch gelaufen?

1. Content

Die Inhalte sind natürlich essenziell. Für sie sollen Nutzer bis zu 8 Dollar bzw. 9 Euro berappen, da muss es ja etwas Tolles zu sehen geben. Derzeit sind die großen Namen und Hits aber eher spärlich gesät und sehr auf US-Nutzer getrimmt. Wetternachrichten für den Süden der USA, News-Updates für Lateinamerika und Comic-Horoskope auf Spanisch sind sicher interessant für viele Menschen, aber für viele Europäer gibt es kaum Gründe, sich das Abo zu leisten, wenn man um einen ähnliches Geld Netflix haben kann, das mittlerweile regionalisierte Inhalte am laufenden Band produziert.

Außerdem ist am Markt zu hören, dass eher nur die zweit- und drittklassigen Inhalte bei Quibi landen. „Wenn wir eine Show haben, die ein Riesenhit wird, pitchen wir sie Netflix und HBO“, sagte ein Produzent zu Vulture. „Wenn sie keine Zugkraft bekommt, pitchen wir sie Quibi.“ Auch ist zu hören, dass CEO Meg Whitman auf die Frage, welche ihre Lieblings-Show ist, keine Quibi-Serie nannte, sondern meinte, sie sei gar nicht so ein „Entertainment-Enthusiast“.

2. Technologie

Weil Quibi derart auf Smartphone getrimmt wurde (und das btw ziemlich gut!), haben die Macher anfangs einige zentrale Funktionen für Streaming-Apps weggelassen. So kann man die HD-Inhalte zwar auch im Querformat ansehen, es gab zu Beginn aber keine Möglichkeit, sie auf Flat-TVs zu streamen. Die Unterstützung für AirPlay von Apple und Chromecast von Google wurde nachgereicht, nachdem Tester diese Funktionen einforderten.

Was Nutzer auch nervt: Bei Quibi werden Screenshots verhindert – man erhält beim Auslösen der Funktion am Smartphone nur ein schwarzes Bild. Das soll die Urheberrechte schützen, verhindert aber, dass Nutzer Screenshots der neuen Shows auf Social Media teilen können – eigentlich oft Gratiswerbung für Inhalte.

3. Dichter Markt

Quibi ist in einer Phase in den Markt gegangen, in dem es vor neuen Anbietern nur so wimmelt. neben die Platzhirsche Netflix und Amozon Prime Video sind in den vergangenen Monaten Apple TV+, Disney+ oder HBO Max dazu gekommen. „Da derzeit nur 20 Prozent der Verbraucher mehr als 50 Dollar pro Monat für Streaming-Abonnements ausgeben, ist es möglich, dass in den Budgets der Kunden nicht genug Platz für neue Plattformen wie Quibi und HBO Max ist, um zu konkurrieren“, heißt es einer neuen Studie von Visual Objects zum Streaming-Markt und dem damit verbundenen Nutzungsverhalten. Die Umfrage in den USA ergab, dass die Hälfte (50%) der Menschen für 2 bis 3 Streaming-Dienste und ein Viertel (26%) für einen bezahlen, während nur 16 Prozent in mehr als 3 investieren.

4. Die Formate

Quibi ist angetreten, um Short-Form-Content am Smartphone neu zu denken. Es ist wirklich gut gemacht, dass man die Streams sowohl vertikal als auch horizontal ansehen kann und sich der Bildausschnitt dementsprechend anpasst. Nur: 15 Episoden à 6 Minuten machen am Ende dann doch einen klassischen 90-Minuten-Film. Und den will man sich vielleicht nicht gehetzt in der U-Bahn am Weg in die Arbeit ansehen, sondern zu Hause auf der Couch – am Flat-TV.

5. Pricing

Anders als Netflix, Disney+, Amazon Prime Video oder Apple TV+ gibt es bei Quibi eine teilweise werbefinanzierte Version. Aber nein, die ist nicht kostenlos, so wie es das Freemium-Modell gebietet, sie kostet 5 Dollar pro Monat. Bedeutet: Der Nutzer bezahlt Geld, um dann in der App trotzdem Werbeunterbrechungen zu bekommen. Die Ads wird er nur los, wenn er sich das teurere Paket um 8 Dollar bzw. 9 Euro leistet.

Quibi hat die Chance verpasst, die werbefinanzierte Version gratis anzubieten, um möglichst viele Nutzer anzulocken. Internet-User sind dieses Modell gewohnt, etwa von Spotify oder YouTube. Entweder duldet man Werbung, oder man bezahlt einen monatlichen Preis, um mehr Funktionen und eben keine Werbung zu bekommen.

Wie geht es weiter?

Spannend wird nun, ob sich Quibi nach der immer größeren Kritik über Wasser halten kann. CEO Meg Whitman sagte zu Vulture, dass die Investoren ziemlich gelassen seien und wissen würden, dass Quibi ein Startup ist. Doch wenn Quibi bis Jahresende nicht größere erfolge als bisher vorweisen wird können, dann werden die Investoren wohl mehr Druck machen als bisher. Die Ansätze, die Quibi hat, sind teilweise sehr gut. Nun gilt vor allem eines: Auf die Nutzer hören und ständig nachbessern, bis die App kleben bleibt.

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