Analyse

Österreichische Gründerszene: „Dieses Jahr ist definitiv das meiste Geld in Start-ups geflossen“

Mehr als Kleingeld - in österreichische Start-ups fließen bereits beträchtliche Beträge. © Fotolia/nnv
Mehr als Kleingeld - in österreichische Start-ups fließen bereits beträchtliche Beträge. © Fotolia/nnv
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„Dieses Jahr ist definitiv das meiste Geld in Start-ups geflossen.“ Selma Prodanovic, selbst als Start-up-Investorin tätig, hat als Mitgründerin der Austrian Angel Investors Association (AAIA) einen guten Überblick darüber, welche Jungfirmen in Österreich Risikokapital bekommen ­haben. Gerade die letzten Wochen und Monate, das zeigt auch die Grafik oben, hat sich die junge Szene mit ­Jubelmeldungen überschlagen – allen voran die beiden Verkäufe von Runtastic und Shpock, jeweils mit rund 200 Millionen Euro bewertet. Daneben gibt es mit ChatGrape, mySugr, Prescreen, hitbox, LineMetrics oder cortical.io gleich sechs heimische Jungfirmen, die dieses Jahr ­Investments aus In- und Ausland von mehr als einer Million Euro bekommen haben.

„Es gibt viel mehr Business Angels, und das Thema hat viel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Aber es ist nicht einfach nur cooler geworden, in Start-ups zu investieren, es gibt auch einen Mangel an Alternativen“, sagt Prodanovic. „Sparbücher und Aktien sind für viele nicht mehr attraktiv, und da investieren sie lieber in Firmen, wo sie eine Möglichkeit zum Mitgestalten haben und beeinflussen können, was mit ihrem Geld passiert.“ Die Start-ups, die über das AAIA-Netzwerk von Anfang 2013 bis Mitte 2015 gepitcht haben, seien bis dato mit über 15 Millionen Euro finanziert worden, so Prodanovic.

Erfolge ziehen Kapital an

„Frühphasen-Investments sind derzeit definitiv ein Trend in der österreichischen Private-Equity-Industrie. Es ist ein attraktives Thema geworden für Investoren, da es einen Mangel an Investmentalternativen gibt“, sagt ­Jürgen Marchart, Geschäftsführer der Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO), die Dachorganisation der österreichischen Beteiligungskapitalindustrie. Und: „Das Renditepotenzial ist in der Frühphase sehr groß, wenn auch bei großem Risiko.“ Die AVCO gibt jedes Jahr einen Bericht zu Investments in Österreich heraus und musste für 2014 festhalten: Der privaten Wachstumsfinanzierung geht die Luft aus. „Es gibt mehrere Gründe, warum Private Equity und Venture Capital in den letzten Jahren in Österreich zurückgegangen sind: Die Auswirkungen der Finanzkrise 2009, fehlende gesetzliche Rahmenbedingungen in Österreich, die Venture Capital ­erschweren, und die nationale Implementierung einer EU-Direktive, die Fonds beim Fundraising einschränkt“, sagt Marchart.

Folgende Tabelle (die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt) gibt Überblick über die veröffentlichten Beträge, die in Start-ups über Investments aus In- und Ausland geflossen sind, sowie jene Summe, mit denen Exits bewertet, Fonds aufgestellt und staatliche Förderungen (zusätzlich zu den jährlichen Mitteln der aws und der FFG) zugesagt wurden:

Zeit Firma/Name Betrag Typ
Jänner 2015 Chatgrape 1,2 Mio. Euro Investment
März 2015 Speedinvest 58 Mio. Euro Fonds
März 2015 mySugr 4,2 Mio. Euro Investment
Juli 2015 JumpStart 3 Mio. Euro
staatliche Förderung
Juli 2015 Prescreen siebenstellig Investment
Juli 2015 Kiweno sechsstellig Investment
Juli 2015 Updatemi 500.000 Euro Investment
August 2015 Runtastic 220 Mio. Euro Exit
September 2015 Shpock 190 Mio. Euro Exit
September 2015 Start-up-
Programm GIN
4 Mio. Euro staatliche Förderung
September 2015 Zoomsquare 540.000 Euro Investment
Oktober 2015 LineMetrics siebenstellig Investment
Oktober 2015 Gründung am Land 4 Mio. Euro staatliche Förderung
Oktober 2015 Eversport 800.000 Euro Investment
November 2015 Cortical.io 1,7 Mio. Euro Investment
November 2015 Hitbox 3,7 Mio. Euro Investment
November 2015 JobSwipr sechsstellig Investment

Nun sieht es aber danach aus, dass es wieder nach oben geht: So konnte der Wiener Risikokapitalgeber Speedinvest 2015 einen 58-Millionen-Fonds für junge Start-ups aufstellen (und wird demnächst in einem zweiten Closing erhöhen). „Der Standort erregt zunehmend die Aufmerksamkeit von internationalen Investoren“, sagt Oliver Holle von Speedinvest. „Insbesondere das Investment von NEA von fünf Millionen US-Dollar in unseren Fonds, sowie deren Commitment, 55 Millionen für ­Anschlussfinanzierungen in Start-ups aus unserem Portfolio bereit zu stellen, bestärken uns in der ­Annahme, dass das nächste Unicorn auch aus unserem Ökosystem stammen könnte“, so Holle.

Ein weiterer Faktor, der nicht zu vergessen ist: Durch die beiden Exits von Runtastic und Shpock haben sechs Gründer (vier von Runtastic und zwei von Shpock) viele Millionen Euro verdient, die sie nun ihrerseits in andere Firmen investieren können. Die Runtastic-Gründer etwa haben sich ­gemeinsam mit Business Angel Hans Hansmann bei LineMetrics und bei Tractive beteiligt. „Wir haben jetzt erstmals sechs Gründer, also die vier Runtastics und die zwei Shpock-Gründer, mit viel Geld zur Verfügung. Meiner Meinung nach sind erfolgreiche Angels die besten Angels, sie sind ideal dafür, andere Gründer zu begleiten, so läuft das im Silicon Valley ja auch“, sagte Business Angel Hans Hansmann kürzlich im Interview mit TrendingTopics.at.

Wenn der Staat fördert

Im Vergleich zum Ausland sind die investierten Summen in heimische Start-ups natürlich klein. Während Österreich in puncto staatlicher Förderung als führend gilt, ist der ­Bereich Risikokapital nur schlecht ausgebaut – weswegen man bei der staatlichen Förderbank Austria Wirtschafts­service (aws) auch gerne von „Marktversagen“ spricht, das man ausgleichen muss. „Die aws wird auch 2016 so wie 2015 wieder 200 Millionen Euro an Förderungen und Finanzierungen für österreichische Start-ups anbieten“, sagt aws-Geschäftsführer Bernhard Sagmeister. Bisher hätte man etwa zehn Prozent aller heimischen Gründer und Start-ups unterstützt, pro Jahr wären das mehr als 2.500 Unternehmen. Außerdem hat der österreichische Staat dieses Jahr insgesamt elf Millionen Euro zugesagt, um gezielt Gründerzentren (so genannte Accelerators), Gründer im ländlichen Raum sowie das international ausgerichtete Start-up-Programm GIN zu fördern.

Und: Seit 1. September ist in Österreich das Alternativfinanzierungsgesetz (auch gerne „Crowdfunding-Gesetz“) in Kraft, das es Start-ups erleichtert, Kapital von Kleinanlegern über Online-Plattformen aufzustellen. Einer der ersten großen ­Erfolge ist der Anti-Hangoverdrink Kaahée von Gründer Julian Juen. Für seine Jungfirma sammelte er auf conda.at mehr als eine Million Euro.

Und eines sollte man nicht vergessen: Die dritte Staffel der Puls-4-Show „2 Minuten 2 Millionen“, in der die Investoren Hans Peter Haselsteiner, Marie-Helene Ametsreiter, Leo Hillinger, Michael Altrichter, Heinrich Prokop sowie 7Ventures Austria insgesamt mehr als zwei Millionen Euro investieren, wurde bereits abgedreht. Heißt: Österreichische Start-ups haben heuer bereits Investments bekommen, von denen man erst Anfang 2016 offiziell erfahren wird.

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