Gastbeitrag

„Warum ich mich für den E-Scooter als Hauptverkehrsmittel entschieden habe“

E-Scooter © Adobe Stock/Leika Production
E-Scooter © Adobe Stock/Leika Production

Bernhard Blaha ist Mitgründer des österreichischen Krypto-Startups Herosphere. In seiner Freizeit beschäftigt er sich leidenschaftlich mit dem Thema E-Mobility. Für Trending Topics hat er seine Erfahrungen mit elektrisch betriebenen Fortbewegungsmitteln im Vergleich zu herkömmlichen Fahrzeugen in Wien beschrieben.

Batterien werden bei gleicher Leistung zunehmend kleiner. Davon profitieren nicht nur Elektroautos, sondern vor allem auch sogenannte „Last Mile Vehicles“. Dabei handelt es sich um kleine Individualfahrzeuge, welche zur Überbrückung der letzten Kilometer zwischen öffentlichen Verkehrsmitteln und Zielort dienen. Standen hier bis vor kurzem nur Fahrrad und Tretroller zur Auswahl, hat sich das Angebot nun deutlich vergrößert: eBikes, Elektro-Tretroller (eScooter), elektrische Skate-/Longboards, Hoverboards und viele mehr.

Ich beschäftige mich schon seit einigen Jahren mit dem Thema innerstädtischer Mobilität und möchte die Neuankömmlinge einem unfairen Vergleich unterziehen. Statt sie mit anderen Last Mile Vehicles zu vergleichen, schicke ich sie gegen All Mile Vehicles ins Rennen, also gegen Fahrzeuge, die deutlich teurer und für Langstrecken ausgelegt sind. Dass das gar nicht so abwegig ist, wird sich im Laufe des Tests zeigen.

Der Test

Wie testet man Fahrzeuge überhaupt? Vorzugsweise im Alltag unter realen Bedingungen und mit mehrfachen Wiederholungen, um Ausreißer zu eliminieren. Für mich bedeutet das: Eine Teststrecke und eine Tageszeit. Die Teststrecke ist ca 6,1km lang und verläuft vom 19. Bezirk zu meinem Arbeitsplatz im 2. Bezirk.

Auf der einen Seite ist die Strecke aufgrund besonders gut ausgebauter Radwege ein Vorteil für radähnliche Fahrzeuge, andererseits hat der 19. Bezirk die größten Höhenunterschieden innerhalb Wiens – ein Nachteil für Fahrzeuge ohne oder mit schwachem Antrieb. Die Strecke führt über die zu Stoßzeiten stark verstaute Lände. Für die Tests wurde jeweils 5 mal in beide Richtungen gemessen und ein Durchschnittswert ermittelt. Die exakte Routenführung kann je nach Verkehrsmittel ein wenig abweichen, da ich jeweils die optimale Strecke gewählt habe.

Die Testkandidaten

Die Auswahl an möglichen Testkandidaten ist groß, daher fiel die Entscheidung einfach auf diejenigen, mit denen ich mir ein tägliches Pendeln vorstellen kann.

  • Auto

Es handelt sich um einen BMW 520d (184PS) der F10 Reihe, Baujahr 2012. Während das Auto sicher den meisten Komfort bietet, ist es gleichzeitig auch das teuerste und ineffizienteste Fortbewegungsmittel, sowohl was Verbrauch, als auch Platzbedarf und Ressourcen-Aufwand generell angeht. Trotzdem ist es nach wie vor das klassische Pendelfahrzeug und damit der Referenzwert für diesen Test.

  • Motorrad

Es handelt sich um eine Kawasaki Ninja ZX-6R (134PS), Baujahr 2010. Ganz klar nicht das optimale Motorrad zur innerstädtischen Fortbewegung, aber gerade hier spielt natürlich auch der emotionale Spaßfaktor mit. Soviel schon vorweggenommen: Über den Verbrauch darf man sich keine Gedanken machen, der liegt über dem des Autos.

  • Öffis

In Wien sind die Öffis sehr gut ausgebaut und mit 1€ pro Tag preislich kaum zu unterbieten. Über öffentliche Förderungen, die diese Preise erlauben, machen wir uns in diesem Test keine Gedanken. Trotz allem ist gerade bei Busanbindungen die Wartezeit zum Teil hoch, der Komfort lässt teils stark zu wünschen übrig. Spaß macht das Pendeln so jedenfalls nicht.

  • E-Bike

Ich war nie ein großer Fan von eBikes: Wenn ich Sport machen will, nehme ich das Fahrrad, wenn ich schnell und bequem vorankommen will, das Motorrad. Ich kann es nicht zu Stoßzeiten in die U-Bahn mitnehmen und in Busse und Straßenbahnen sowieso nicht. Als Alternative für jene, die Fahrrad fahren wollen, denen die Strecke aber zu weit bzw. zu anstrengend ist, ist ein eBike hier durchaus eine Alternative. Um einen Vergleich herzustellen, ziehe ich nicht meine spärlichen Erfahrungen mit eBikes heran, sondern halte mich an die Daten aus dem trendingtopics.at-Artikel Vergleichsfahrt: Elektrofahrrad schlägt Öffis und Auto bei CO2, Fahrzeit und Kosten

  • Fahrrad

Als Fahrrad habe ich ein 4 Jahre altes Genesis-Rad ins Rennen geschickt. Im Nachhinein handelt es sich um einen Fehlkauf, da es preislich auf dem Niveau eines KTM-Rades liegt, qualitativ aber (weil Eigenmarke) deutlich darunter liegt. In 4 Jahren habe ich knapp 4.000 km Laufleistung erreicht und in dieser Zeit mehrmals den Ständer tauschen, die Seilzüge korrigieren und diverse Schrauben nachziehen müssen.

E-Bikes sind im Übrigen rechtlich wie ein Fahrrad zu behandeln, allerdings nur bis zu einer Maximalgeschwindigkeit von 25km/h bei einer Leistung von nicht mehr als 600 Watt. Alles darüber ist als Moped klassifiziert und auch so zuzulassen.

  • Elektrisches Skateboard (billig)

Hierbei handelt es sich um mein erstes Elektrofahrzeug: Ein billiges Skateboard um rund 170 Euro, produziert in China. Grundsätzlich werden Beschleunigung und Bremsen über eine Fernsteuerung kontrolliert. Kursänderungen werden durch Gewichtsverlagerung initiiert. Ich bin zwar kein besonders guter Skater, das Fahren lernt man aber schnell. Ich bin gut 6 Monate sehr intensiv mit dem Skateboard gefahren und habe in der Zeit zwei Stürze gehabt: einen direkt am ersten Tag, als ich die Bremsen unterschätzte, den zweiten ein paar Tage später, als ich eine Gehsteigkante unterschätzte. Knappe Situationen gab es allerdings mehrmals, vor allem wenn kleine Steine auf der Fahrbahn liegen, die man kaum sieht. Diese bringen das Rad schnell zum Blockieren und verursachen dann eine unwillkürliche Vollbremsung – inklusive Abstieg und „Auslaufen“.

Die Maximalgeschwindigkeit liegt bei rund 20km/h (realistisch eher 15km/h), die Reichweite bei 15 km (realistisch eher 8 km).
Was wichtig zu erwähnen ist, ist die Legalität: Skateboards generell sind im Straßenverkehr nicht legal. Der Grund dafür ist, dass im Gegensatz zu einspurigen Fahrzeugen ein Skateboard bei einem Sturz einfach weiterfährt und somit weiteren Schaden anrichten kann. Das gleiche gilt natürlich auch für Skateboards mit Antrieb. Während man bei antriebslosen Skateboards vielleicht noch eher ein Auge zudrückt, ist das bei der elektrischen Variante wohl eher nicht der Fall.

Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt hier absolut, nach 6 Monaten ist die Batterie allerdings nicht mehr voll funktionsfähig. Leistung und Reichweite sind absolut nicht mehr ausreichend. Aufgrund der Illegalität habe ich nie eine vollständige Strecke zurückgelegt und beziehe das Board auch nicht weiter in den Test ein. Ich nenne hier übrigens keine Marke, da ich erstens massive Lieferverzögerungen hatte und zweitens offenbar einfach Glück hatte: Viele andere Boards sind nicht funktionsfähig oder nach wenigen Stunden beschädigt, der Hersteller reagiert in solchen Fällen gar nicht.

  • Elektrisches Skateboard (teuer)

Ich besitze es zwar nicht selbst, konnte aber mehrere Versuche mit dem meines Kollegen starten: Das Bamboo Evolve GT ist neben dem Boosted Board wohl die Königsklasse unter den elektrisch betriebenen (Long-)Boards: Über 40km/h und gute 30-40km Reichweite klingen verlockend, von sicherer Fortbewegung kann man dabei aber wirklich nicht mehr sprechen. Das bestätigen auch die regelmäßigen Stürze des Kollegen.

Bezüglich Legalität gilt hier selbiges wie für das billige Board: Skateboards sind im Straßenverkehr nicht zulässig. Preislich bewegt sich das Board mit 1.000 bis 1.500 Euro im Bereich anderer gleichwertiger Fahrzeuge.

  • E-Scooter

Mit dem eTwow Booster V habe ich mich hier wieder für das Beste entschieden, das ich auf dem Markt finden konnte. Vorweg: Wer neben Leistung auch noch einen passenden Preis will, ist mit den Geräten von Xiaomi sicher ebenso gut bedient, Haptik und Leistung sind im eTwow aber nochmal eine Stufe besser.

Unreguliert schafft der Roller 38km/h (realistische 34km/h) und bis zu 40km (realistisch 30km). Ursprünglich als Ergänzung zu Öffis gedacht, ersetzt er diese mittlerweile für mich: 500 km in 1,5 Monaten (von denen ich noch dazu 2 Wochen im Ausland ohne Scooter verbracht habe) sprechen für sich.

Mit 1.050 Euro im Angebot ist er alles andere als billig. Der Test wird allerdings zeigen, dass der Preis durchaus gerechtfertigt ist. Erwähnenswert ist, dass ich doch einige Probleme mit dem Store hatte: Schlechte Kommunikation und starke Lieferverzögerungen (über 2 Monate statt der veranschlagten 2 Wochen, und auch dann erst, nachdem ich der Dachmarke in Singapur geschrieben habe) haben das Kauferlebnis stark getrübt.

Rechtlich sieht es hier aber deutlich besser aus als bei Boards: Bis zu 25km/h und 600Watt geht man hier als Fahrrad durch. Helmpflicht hingegen ist ein Mythos, der immer wieder aufkommt, den ich aber nicht bestätigen konnte. Übrigens: Ist der Motor aus, ist sogar die Gehsteigbenutzung legal.

Die Ergebnisse

Die wichtigsten Kriterien für den Arbeitsweg sind wohl die Zeit, die Kosten und der Komfort. Nachdem Letzteres sehr subjektiv ist, möchte ich auf Zeit und Kosten eingehen. Der Übersicht halber möchte ich diese tabellarisch darstellen:

Fahrzeug Preis / km Preis / Strecke Zeit / Strecke
Auto 0,8 4,88 33m
Motorrad 0,6 3,66 23m
Öffis 0, 09803922 0,5 43m
eBike 0,09 0,549 20m
eScooter 0,086 0,5246 20m
Fahrrad 0,03 0,183 25m

Das erfordert natürlich jetzt einiges an Erläuterung:

  1. Der Preis enthält den Einkaufspreis. Im Fall von Auto und Motorrad wurde dafür ein Rechner des ÖAMTC bzw. ADAC verwendet. Bei eScooter und Fahrrad wurde der Einkaufspreis auf 15.000km gerechnet. Im Falle des eBikes wurde der Preis des oben genannten trendingtopics.at-Artikels herangezogen.
  2. Für den eScooter wurde ein österreichischer Strommix als Ausgangsbasis für die Berechnung herangezogen.
  3. Bei den Öffis wurde von der Jahreskarte (1€ / Tag) ausgegangen. Bei einer Verwendung für den Arbeitsweg hin und zurück fallen also 50 Cent pro Strecke an.
  4. Der starke Anstieg auf dem Rückweg ist für das Fahrrad nicht optimal: Der Hinweg ließ sich in 24-25 Minuten bestreiten, der Rückweg benötigte deutlich länger.
  5. Ich fahre mein Fahrrad so, dass danach definitiv eine Dusche empfehlenswert ist. Die Zeit dafür ist nicht inkludiert. Ein langsamerer Fahrstil würde gute 5-10 Minuten länger dauern.

Fazit

Ich war überrascht festzustellen, dass E-Bike und E-Scooter die Öffis kostentechnisch unterbieten können und dabei doppelt so schnell sind. Und das selbst, wenn man kein Einzelticket, sondern das in meinen Augen deutlich fairere Jahresticket einkalkuliert.

Auto und öffentliche Verkehrsmittel zu verwenden kann demnach nur eine Komfortsache sein (zB bei Kälte oder Regen).

Das Motorrad ist der goldene Mittelweg: Sehr schnell aber deutlich teurer als die Konkurrenz. Eine vernünftigere Fahrzeugwahl (z.B. ein Unu) würden die Ergebnisse für die Kategorie Motorrad deutlich besser aussehen lassen.

Das Fahrrad ist ganz klar der Gewinner, wenn es um Kosten geht.

Zwischen E-Bike und E-Scooter ist nur sehr wenig Unterschied. Die Diskrepanz führe ich auf die Tatsache zurück, dass das eBike mit Ökostrom berechnet wurde, während ich mit einem österreichischen Strommix kalkulierte.

Warum ich mich dennoch für den eScooter als Hauptverkehrsmittel entschieden habe, ist mit der Flexibilität zu erklären: Kombinationen mit Öffis, Autos oder gar dem Motorrad sind spontan und ohne Umstände machbar. Fußgängerzonen und Gehsteige sind ohne Motor im Gegensatz zum Fahrrad legal befahrbar. Das Verstauen im Büro oder zuhause erfordert deutlich weniger Platz als dies bei einem Fahrrad der Fall ist. Und letztendlich kann ich bei trockener Fahrbahn auch problemlos zum Anzug greifen, ohne befürchten zu müssen, dass er verknittert oder verdreckt ist, sobald ich meinen Zielort erreiche.

Noch leichter wird die Fortbewegung in oben genannten Kombinationen durch die derzeit startenden Mietdienste von E-Scootern. Mit Bird und Lime ist es möglich, die Scooter standortunabhängig zum Minutentarif anzumieten und am Zielort einfach wieder abzustellen. Um an dieser Stelle auch wieder den Faktor Subjektivität einzubringen: Den meisten Fahrspaß habe ich immer noch auf dem Motorrad. Vernunft hin oder her.

++ Auch interessant: Bird vs Lime: Welches Elektroroller-Startup fährt besser?++

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