Gastbeitrag

Geschlossene Geschäfte: So gehen Unternehmer mit Miet- oder Pachtzins um

© Photo by Benedikt Geyer on Unsplash
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Angesichts der neuesten Entwicklungen rund um das Ausbreiten des COVID-19 Virus sind viele Klein- und Mittelbetriebe von massiven Umsatzrückgängen und Liquiditätsengpässen betroffen: Die Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum wird erheblich eingeschränkt und zahlreiche Geschäfte sind verpflichtet, ab Montag, 16. März 2020, zu schließen.

Ab Dienstag, 17. März 2020, werden auch Restaurants, Bars und Kaffeehäuser vollständig geschlossen.

Neben den Lohnkosten belasten die teilweise hohen Geschäftsraummieten die von den Schließungen betroffenen Handel- und Gastronomiebetriebe. Im Falle der Lohnkosten können Unternehmen z.B. auf Kurzarbeit umstellen, um den Kostendruck zu reduzieren.

Aber wie sieht es mit Mietzahlungen aus?

Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) bietet möglicherweise Abhilfe. Denn unter gewissen Umständen ist eine gänzliche bzw. teilweise Erlassung des Mietzinses gesetzlich vorgesehen.

Diese Umstände und ob die Regelungen des ABGB im Falle der COVID-19 Pandemie greifen, werden in der Folge kurz erörtert.

Die Regelungen der §§ 1104 und 1105 ABGB

Die Paragrafen 1104 und 1105 ABGB enthalten Regeln über die Gefahrtragung und behandeln die Rechtsfolgen der gänzlichen oder teilweisen Unbenützbarkeit des Mietgegenstands wegen eines außerordentlichen Zufalls.

Was ist nun ein solcher „außerordentlicher Zufall“?

Vereinfacht gesagt sind als außerordentlicher Zufall solche elementaren Ereignisse anzusehen, die von Menschen nicht beherrschbar sind und einen größeren Personenkreis treffen. Darunter fallen u.a. Kriege oder Seuchen, große Überschwemmungen aber auch Erdbeben, Berg- und Lawinenstürze, atomare Unglücksfälle und auch die Unerreichbarkeit von Wintersportquartieren wegen Dauerschneefalls.

In diesen Fällen ist der Mieter oder Pächter für die Dauer der Beeinträchtigung von der Zahlung des Miet- oder Pachtzins (teilweise) befreit.

Was heißt das nun im Zusammenhang mit dem Coronavirus?

Aus rechtlicher Sicht ist die COVID-19 Pandemie „höhere Gewalt“ und der sogenannten „neutralen Sphäre“ zuzuordnen – sprich, weder haben der Mieter/Pächter oder der Vermieter/Verpächter sie verschuldet, noch entstammt sie aus der Sphäre des Mieters oder Vermieters.

Das Auftreten des COVID-19 Virus war nicht vom Menschen beherrschbar und betrifft mittlerweile den gesamten Globus. Die behördlich angeordneten Schließungen sind eine unmittelbare Reaktion auf diesen „außerordentlichen Zufall“.

Die oben angesprochenen Regelungen der Paragrafen 1104 und 1105 ABGB würden also grundsätzlich greifen. Die Preisgefahr trifft in diesem Falle den Vermieter und der Mieter wäre von der Entrichtung des Mietzinses befreit.

Allerdings muss aus juristischer Sicht geprüft werden, ob bspw. im Mietvertrag eine Haftung des Vermieters für außerordentliche Zufälle ausgeschlossen wurde. Denn die Paragrafen 1104 und 1105 ABGB sind dispositiv und können daher von den Parteien abgeändert werden.

Außerdem bestehen für Pachtverträge Sonderbestimmungen: Nach den speziellen Bestimmungen des § 1105 ABGB wird der Pächter bei einer Vertragsdauer von einem Jahr oder weniger nur dann (teilweise) von der Zinszahlungspflicht befreit, wenn der gewöhnliche Ertrag durch den Eintritt eines außerordentlichen Zufalls um mehr als die Hälfte gemindert wurde.

Des Weiteren ist beachtlich, dass der OGH innerhalb der neutralen Sphäre eine (bisher nicht klar abgegrenzte) Kategorie des „allgemeinen Lebensrisikos“ anerkennt: Beeinträchtigungen aus der Verwirklichung dieses „allgemeinen Lebensrisikos“ berechtigen nicht zu einer Mietzinsminderung. In diesem Fall müsste also der Mieter weiterhin Miete zahlen

Ob die rasante Ausbreitung des COVID-19 Virus und die damit einhergehenden, behördlich angeordneten Beschränkungen des öffentlichen bzw. des geschäftlichen Lebens als „allgemeines Lebensrisiko“ zu sehen sind, ist allerdings zweifelhaft.

Diesbezüglich kann jedoch keine eindeutige Aussage abgegeben werden, da es für einen vergleichbaren Fall an höchstgerichtlicher Judikatur fehlt.

Fazit

Grundsätzlich gibt es also gute Argumente dafür, dass die COVID-19 Pandemie unter die Regelungen der Paragrafen 1104 und 1105 ABGB fällt. Nach der Judikatur des OGH greifen diese Regelungen u.a. auch bei einer Einschränkung der Möglichkeit zur Nutzung bzw. zum Gebrauch der Bestandsache durch einen außerordentlichen Zufall. Durch die behördlich angeordneten Schließungen ist eine Nutzung der Mietgegenstände rechtlich nicht mehr möglich.

Sofern also die Haftung für außerordentliche Zufälle nicht ausgeschlossen wurde und die Ausbreitung des COVID-19 Virus bzw. die angeordneten Schließungen nicht als „allgemeines Lebensrisiko“ zu qualifizieren sind, wären Mieter zumindest für die Dauer der angeordneten Schließungen von der Zahlung des Mietzinses befreit. Pächter wären unter diesen Voraussetzungen grundsätzlich auch befreit, sofern die Dauer ihres Pachtvertrages ein Jahr übersteigt oder der gewöhnliche Ertrag bei einer Vertragsdauer von einem Jahr (oder weniger) um mehr als die Hälfte gemindert wurde.

Wie mache ich die Mietzinsbefreiung gemäß §§ 1104 und 1105 ABGB geltend?

Von den behördlich angeordneten Schließungen betroffene Unternehmen sollten schriftlich Kontakt mit ihrer Vermieterin bzw. ihrem Vermieter aufnehmen.

In diesem Schreiben sollte zum einen auf die behördlich angeordnete Schließung und die Bestimmungen der Paragrafen 1104 bzw. 1105 ABGB hingewiesen werden.

Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass gesetzlich bereits ab Beginn der Beeinträchtigung eine Mietzinsbefreiung bzw. -minderung zusteht.

Des Weiteren ist unbedingt festzuhalten, dass die weiteren Mietzahlungen nur unter Vorbehalt erfolgen und bereits zu viel bezahlte Miete zurückgefordert werden kann.

Wird nämlich der volle Mietzins ohne Vorbehalt bezahlt, stellt dies unter Umständen einen konkludenten Verzicht auf die Mietzinsbefreiung bzw. -minderung dar.

Es ist jedenfalls nicht ratsam, einen verminderten Mietzins zu bezahlen. Diesfalls besteht nämlich das Risiko, auf den vollen Mietzins oder sogar auf Räumung wegen Mietrückstand geklagt zu werden, sollte sich die Minderungsquote als zu hoch erweisen.

>>> Musterbrief für Mieter zum Download <<<

Gastautor Maximilian König ist Rechtsanwalt und Partner der Bitterl König Rechtsanwälte OG in Wien.

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