Interview

Mahrer über Start-ups: „Man muss aufpassen, dass das kein Hype wird so wie im Jahr 2000“

Harald Mahrer im Coworking Space Sektor 5. © Jakob Steinschaden
Harald Mahrer im Coworking Space Sektor 5. © Jakob Steinschaden
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Staatsekretär Harald Mahrer (VP) ist, wenn man so will, der „Mr. Start-up“ der österreichischen Bundesregierung. Seit etwa sechs Monaten verfolgt er die Gründerlandstrategie, die bis dato das Crowdfunding-Gesetz hervorgebracht hat und Österreich insgesamt zu einem attraktiveren Land für Neugründungen und Start-ups machen soll. Im Interview gibt Mahrer nicht nur einen Überblick über den Status Quo seiner Strategie, sondern äußert sich auch zur Start-up-Blasen-Debatte, die vor wenigen Wochen auf TrendingTopics.at ausgelöst wurde.

Vor sechs Monaten wurde die Gründerlandstrategie vorgestellt. Wie lautet Ihr Zwischenfazit?

Harald Mahrer: Ein Ruck geht durch das Land, das ist sehr positiv. Wir haben es geschafft, im Ökosystem ein Netzwerk an Leuten aufzubauen, die sich für unsere Start-up-Szene und unsere Gründerlandstrategie einsetzen. Das ist für sechs Monate ein großer Erfolg!

Die Gründerlandstrategie umfasst 40 Punkte. Wo konnte man schon ein Hakerl dahintersetzen?

Final abgehakt, muss man ehrlicherweise sagen, wird noch lange kein Punkt sein. Das sind erste Schritte. Wir sind an allen 40 Punkten dran, bei einigen konnten wir die ersten Meilensteine schaffen. Das Crowdfunding-Gesetz ist seit 1. September in Kraft, die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft geht in Begutachtung, für den Beteiligungsfreibetrag gibt es ein konkretes Modell, das vorgelegt werden wird, und und und…

Auf TrendingTopics.at gab es eine große Diskussion über die Start-up-Branche. “Schulterklopferei” und “Blase” waren die Schlagworte. Einer der Vorwürfe: Es wird mehr geredet als tatsächlich getan.

Unsere Strategie heißt ja Gründerland Nummer eins und nicht Start-up-Land Nummer eins. Das ist ein riesiger Unterschied. Uns geht´s um Unternehmertum, und ich habe immer gesagt, dass man aufpassen muss, dass das kein Hype wird so wie im Jahr 2000. Mir geht es um nachhaltiges Unternehmertum. Die Start-ups sind dort eine spannende Speerspitze, aber man darf das auch nicht überbewerten.

Sie sind sehr engagiert in dem Thema, aber der Koalitionspartner scheint nicht sehr willig. Scheitert vieles an der SPÖ?

Ich glaube, es ist eine Frage des Mindsets und des Erkennens, und zwar nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei politischen Entscheidungsträgern, wie gut uns dieses Thema helfen würde, die Stimmung im Land zu heben. Das ist ein Bohren dicker Bretter, und wir haben gute Argumente als große Bohrer. Das ist nur eine Frage der Zeit, da bin ich sehr positiv eingestellt.

Der Homescreen von Mahrers iPhone.
Der Homescreen von Mahrers iPhone.

Start-up-Gründern geht das alles ja viel zu langsam. Müssen die sich darauf einstellen, dass wir hier von einem Prozess reden, der sich über die nächsten fünf, zehn Jahre zieht?

Ich finde, dass sich die Start-up-Gründer mit ihren Geschäftsmodellen beschäftigen und nicht zu viel Zeit und Gerede über das Ökosystem verwenden sollen. Wir wollen ja Rahmenbedingungen schaffen, damit sich die Start-ups auf ihre Kerngeschäfte konzentrieren können, das Rumlamentieren bringt überhaupt nichts. Ja, manche Schritte werden schneller gehen, und andere werden dauern. Man kann bestimmte Versäumnisse von 20, 30 Jahren mangelnder Innovationspolitik nicht in sechs Monaten aufholen. Wir haben ein klares Ziel: Wir wollen Gründerland Nummer eins werden, auch wenn noch so viele Leute daran zweifeln. Es ist nicht unrealistisch und wer sich keine hohen Ziele steckt, landet bekanntlich auf direktem Wege im Mittelmaß. Das ist nicht mein Anspruch.

Warum? London oder Berlin einzuholen scheint nicht sehr realistisch.

Uns geht es um den Unternehmer-Spirit in Summe. Von einem Start-up-Land Nummer eins sind wir sicher weiter entfernt als von einem Gründerland Nummer eins. Wir waren das schon mal, wir waren einmal in der Spitzengruppe der europäischen Innovatoren. Das ist rein eine Frage der politischen Prioritäten, und eine Frage der Kooperation mit anderen Ländern. Es geht nicht um Österreich alleine, sondern um Österreich als starker Anker im CEE-Raum. Das Triangel Wien – Bratislava – Prag könnte zu einem echten Hub werden. Die Start-ups spielen eine Rolle, aber sie sind nicht die Einzigen in der Gründerlandstrategie. Es geht auch um die Corporate Ventures, es geht um die Wissenstransferzentren der Unis, es geht um die Forschungseinrichtungen. Man darf nicht den Fehler machen, nur das kleine Fenster der Start-up-Community zu betrachten.

Die Junge Wirtschaft hat auf TrendingTopics.at in einem Gastkommentar gefordert, endlich Mitarbeiter einfacher an Firmen beteiligen zu können. Wie sieht es damit aus?

Mein Wunsch wäre das auch, aber es muss zur österreichischen Rechtssystematik passen. Da gibt es Vorbehalte des politischen Gegenübers, dass so Lohn-Dumping betrieben werden könnte, weil man Mitarbeitern etwas in Aussicht stellt, was dann gar nicht kommt. Ich glaube aber eher, dass man das Mitpartizipieren am unternehmerischen Erfolg erleichtern sollte. Da geht es dann eher um die Frage, wie das besteuert wird. Da arbeiten wir gerade an einem konkreten Modell.

Der Zeithorizont dafür?

Das ist ähnlich wie der Beteiligungsfreibetrag kurzfristig zu machen.

Stichwort Beteiligungsfreibetrag. Wie soll der aussehen?

Mein Wunsch: 100.000 Euro, entweder sofort oder über fünf Jahre verteilt abschreibbar. Wie das Modell aber konkret aussehen wird, werden wir im vierten Quartal vorlegen.

Sie haben gemeinsam mit Vizekanzler Mitterlehner und der AWS das JumpStart-Programm initiiert, bei dem es drei Millionen Euro für Gründerzentren geben soll. Wer wird das Geld wann bekommen?

Das Interesse fürs Jumpstart-Programm ist enorm, eine ganze Reihe hat sich dafür schon interessiert. Die Jury wird sich das anschauen, ab 2016 wird das laufen.

Ein großes Thema des Sommers war die Runtastic-Übernahme durch Adidas, jetzt wurde auch Shpock von Schibsted übernommen. Einerseits ist die Freude groß, andererseits gibt es auch Stimmen, die “Ausverkauf” schreien.

Ich bin ein Europäer, ich denke europäisch. Bei Runtastic geht es um ein deutsches Unternehmen, das ein Österreichisches gekauft hat. Wo ist das Problem? Es könnte umgekehrt genauso sein, das ist Alltag. Selbst wenn es von einem US-amerikanischen oder japanischen Unternehmen übernommen wird, das ist nun mal Wirtschaft. Den Runtastic-Gründern war wichtig, dass der Standort in Österreich bleibt. Nur weil man eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung hat, heißt das nicht, dass der Unternehmenssitz ins Ausland wandern muss. Das muss man in der öffentlichen Debatte sauber trennen. Außerdem: Gerade im digitalen Bereich muss man sein Geschäftsmodell global denken, und es wird sich zum Zeitpunkt X immer die Frage stellen: Wer ist mein globaler Partner? Österreich ist zu klein dafür, da darf man sich nicht fürchten, das ist die logische Konsequenz der Skalierung des Modells. Entscheidend ist, dass man möglichst viel von der Wertschöpfung und von der Innovationsleistung in Österreich halten kann.

Es gibt nach wie vor die Tendenz, dass österreichische Gründer ins Ausland gehen. Number26 sitzt in Berlin, Bitmovin geht ins Silicon Valley. Warum sind die nicht in Österreich geblieben, was müsste man ihnen bieten?

Was ich gehört habe, war das eher eine Frage der persönlichen Motivation. Es gibt eine ganze Reihe, die sagen, dass sie nicht aus Österreich weggehen würden, und andere, die es unbedingt im Ausland machen wollen, die immer den Plan dazu hatten. Es gibt keine Generallösung. Alle Gründer in Österreich halten zu können, das ist ein Wunschtraum. Ich finde es super, wenn Forscher und Unternehmer ins Ausland gehen, dort ihr Netzwerk aufbauen und dann zurückkommen. Absolut legitim.

Sie waren kürzlich am Westbahnhof bei ankommenden Flüchtlingen. Würden Sie sich wünschen, dass Start-ups sich mehr den Problemen unserer Zeit widmen und weniger mit neuen Apps?

Wir müssen es schaffen, den Innovationsbegriff breiter zu besetzen, dass es nicht nur um Innovation in einem technologischen Sinn geht, sondern auch um soziale Innovation. Wir haben ja Start-ups, Stichwort Social Entrepreneurs, die diesen Ansatz verfolgen, nämlich mit einem ökonomischen Geschäftsmodell soziale Probleme zu lösen. Ich hätte den Wunsch, dass sich diese beiden Communitys mehr miteinander verschränken. In Berlin ist das schon üblich, in Wien sind wir da noch nicht ganz soweit.

Auf den Österreichischen Medientagen am 23. September wird Mahrer über den Innovationsmotor Digitalisierung sprechen.

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