Interview

Libra: „Das Projekt wirft massive wettbewerbsrechtliche und datenschutzrechtliche Fragen auf“

© Libra Association
© Libra Association

Eine digitale Weltwährung, mit der man in Shops bezahlen oder Beträge an seine Freunde und Verwandten schicken kann: Mit Libra wollen Facebook und 27 Partnerfirmen (u.a. Visa, Mastercard, PayPal, Spotify, eBay) im ersten Halbjahr 2020 eine Kryptowährung auf den Markt bringen.

Die Pläne von Facebook und Co sind in der Öffentlichkeit auf große Aufmerksamkeit gestoßen. Über all dem schwebt die Frage: Dürfen die das eigentlich?

Beat Weber, der bei der Österreichischen Nationalbank als Senior Expert in der Abteilung Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen arbeitet, gilt als einer der führenden Krypto-Experten des Landes. Im Interview mit Trending Topics erläutert er, warum Libra für tägliche Zahlungen doch nicht so attraktiv sein könnte, dass die Libra Association eine Art private Zentralbank ist und dass Libra sogar verlustbringend betrieben werden könnte.

Die Meldung, dass Facebook mit seinen 27 Partnern 2020 einen Stablecoin auf den Markt bringen will, hat für viel Aufsehen gesorgt. Wie bewerten Sie grundlegend das Vorhaben?

Beat Weber: Wie ein Kollege treffend meinte: Der Plan, dass ein privater Konzern-Club seine eigene Weltwährung starten will, klingt zunächst, als sei er einem – noch zu drehenden – James-Bond-Film entnommen. Den Aufmerksamkeits-Effekt hat Facebook mit dem Plan auf jeden Fall maximiert. Um seine Verwirklichungschancen beurteilen zu können, sind noch viele offene Fragen zu klären.

In vielen Kommentaren ist zu lesen, dass Libra auch ein Angriff auf Notenbanken ist. Stimmt das?

Ich bin nicht sicher, ob die Verantwortlichen hinter Libra sich die Sache schon in aller Konsequenz durchgedacht haben. Nach dem bisherigen Informationsstand bekundet Facebook ein Interesse an Kooperation mit den Behörden.

Braucht die Einführung von Libra die Zustimmung von Notenbanken? Darf Libra etwa ohne Zustimmung der EZB starten?

Die Einführung von Libra soll zumindest in einem ersten Schritt außerhalb des Euroraums erfolgen, weil das Projekt zunächst auf die Eroberung von Nischen zielt, in denen die Zahlungsinfrastruktur weniger fortgeschritten ist als hierzulande, also auf große Bevölkerungsgruppen ohne Bank- und Kartenzugang, und wo Währungsraum-überschreitende Überweisungen wichtig sind, weil im Ausland arbeitende Einheimische regelmäßig Geld nach Hause schicken.

Falls eine Einführung auch im Euroraum beschlossen werden sollte, wäre das ohne behördliche Zustimmung schwer vorstellbar.

Werden Facebook und seine Partner so zu einer Bank, die ihr eigenes Geld druckt und in Umlauf bringt?

Im Unterschied zu Krypto-Coins wie Bitcoin, die einfach digitale Objekte in begrenzter Menge ohne verantwortliche Instanz und Deckung darstellen, ist Libra konstruiert wie eine Währung: Es wird eine Art private Zentralbank gegründet, die für die Herausgabe und Deckung der Währung verantwortlich ist. Diese „Zentralbank“ unterläge aber keinem öffentlichen Auftrag, sondern dem Auftrag eines privaten Konzerns.

Wird Libra tatsächlich ein Stablecoin sein, oder dann doch Schwankungen wie Bitcoin und Co ausgesetzt sein?

Das Stabilitätsversprechen von Libra bezieht sich auf einen Korb verschiedener Währungen wie Euro oder Dollar. Das bedeutet, dass – angesichts schwankender Wechselkurse zwischen offiziellen Währungen – der Wert einer solchen Korb-orientierten Währung gegenüber jeder einzelnen Währung schwankt. Aus Sicht der Alltagsnutzung in einem stabilen Währungsraum macht das den Umstieg auf Libra erstmal unattraktiv – ich habe stabile Güterpreise in Euro, aber der Preis jedes Gutes in Libra würde schwanken.

Libra soll durch einen Basket an risikoarmen Vermögenswerten (ich gehe von Währungen wie Dollar oder Euro bzw. von Staatsanleihen aus) gedeckt sein. Ist das nicht eigentlich ein Fonds, in den die Partner investieren und damit Rendite machen?

Nach ersten Informationen soll, wer Libra nutzt, keine Verzinsung der eigenen Guthaben erhalten.  Wo Guthaben in Libra mit zinstragenden Vermögenswerten gedeckt werden, sollen diese Erträge an die Großunternehmen gehen, die dem Projekt Startfinanzierung bereitgestellt haben.

Transaktionen im Libra-Netzwerk sollen eine geringe Gebühr kosten. Kann das ein großer Umsatzbringer für Facebook und Co werden, nach dem Motto „Kleinvieh macht auch viel Mist“?

Betriebswirtschaftlich ist die Besonderheit von Facebook gegenüber Banken und Finanzinstituten, dass es ein Mischkonzern ist, der das Finanzgeschäft entweder als separates Profit-Center betrachten und betreiben kann, aber auch eine Strategie fahren könnte, das Finanzgeschäft bloß kostendeckend oder sogar verlustbringend zu betreiben, um Profite aus den entstehenden Synergien mit anderen Geschäftsbereichen zu erzeugen – etwa durch Auswertung von Nutzerdaten oder der Erhöhung der Attraktivität der Plattform, auf der dann Profite mit anderen Geschäftszweigen gemacht werden.

Ein solches Projekt wirft deshalb massive wettbewerbsrechtliche und datenschutzrechtliche Fragen auf, die weit über die Frage Währung und Finanzregulierung hinausreichen.

Ist Libra gefährlich für die Stabilität von Währungen in Schwellenländern? Was würde etwa passieren, wenn indische Nutzer ihre Rupien gegen Libra tauschen, weil dieser an Dollar und Euro hängt?

Die Pflicht zur Steuerzahlung in heimischer Währung bleibt ein wichtiger Anker, der die Verbreitung heimischer Währung stützt. Aber die niedrigschwellige digitale Verfügbarkeit von Alternativen in Fremdwährung birgt eine gewisse Gefahr, wenn das Stabilitätsdifferenzial zwischen beiden Alternativen aus Nutzerperspektive als zu groß wahrgenommen wird. Auch indische Behörden werden deshalb wohl nicht wegschauen, wenn Facebook seinen Plan in die Tat umsetzt.

Wird Libra in Österreich bzw. in der Euro-Zone legal sein?

Der bestehende Rechtsrahmen müsste wahrscheinlich angepasst werden, um ein solches Projekt adäquat adressieren zu können. Angesichts seiner globalen Dimension ist das nur in internationaler Abstimmung sinnvoll.

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