Interview

Österreich-Chef von Mastercard: „Jede Bank muss sich mit der Blockchain beschäftigen“

Mastercard-Österreich-Chef Gerald Gruber. © Mastercard
Mastercard-Österreich-Chef Gerald Gruber. © Mastercard

Kaum eine Branche steht aktuell mehr unter Innovationsdruck als die Finanzindustrie. Die Bezahlung via Smartphone, bequeme und intuitive Finanzprodukte der Banken oder die Loslösung vom traditionellen Bargeld stehen im direkten Kontrast zu neuen Technologien und Kryptowährungen, die alles ganz anders denken. Blickt man auf die Zahlen, benutzen rund die Hälfte aller Menschen zwischen 15 – 29 Jahren großteils das Smartphone fürs Shopping.

Wir haben mit Gerald Gruber, Österreich-Chef von Mastercard, über die Herausforderungen, die auf den Finanzsektor in Europa zukommen, über den Sinn von dezentralen Transaktionssystemen sowie über die Sorge der Banken und Finanz-Dienstleister bezüglich Bitcoin und Co.

Wie lange werden wir noch mit Plastik unseren Kaffee bezahlen?

Gerald Gruber: Die Zukunft des Payments ist stark von der Digitalisierung getrieben. Das Leben wird zusehends stärker mit dem Internet vernetzt. Wir sehen mehr und mehr Anwendungsfälle und Zahlungsvorgänge, die mit Plastik unzureichend umgesetzt werden. Aktuell digitalisiert die Industrie das Plastikgeld. Wir machen uns Gedanken darüber, wie wir die Bezahlung zwischen Gegenständen forcieren: Zwischen Kühlschrank, Auto, Smartphone und Terminal. Die notwendigen Informationen dafür liegen bereits digitalisiert bzw. tokenisiert vor, damit wäre dieser Entwicklungsschritt technisch möglich.

Aktuell sind wir weit entfernt von einfachen Transaktionen. Der Checkout-Prozess ist mit 3D-Secure, mobile-TAN und Sicherheitsfragen oftmals frustrierend. Die Ausstiegsraten müssen hoch sein? 

Die Händler gehen von sehr hohen Abbruchraten aus. Das ist einer der wesentlichen Aufhänger von Masterpass by Mastercard. Ursprünglich war es als Checkout-System konzipiert. Im Browser gibt es immer mehr Möglichkeiten, die dort adressieren. Aber das reicht nicht mehr aus. Deshalb verschiebt sich der Fokus der Entwicklungen Richtung Mobile, um die Journey der Konsumenten dort so sicher wie möglich zu gestalten. Die Abbruchraten sind die größten Treiber. Dennoch ist die heutige Umsetzung von 3D-Secure nicht gut und die meisten Banken haben noch keine geeigneteren Lösungen gefunden. Deshalb müssen die User noch immer auf einer Micky-Maus-kleinen Maske auf dem Smartphone irgendwelche Passwörter eintragen.

Technisch sollten dort Verbesserungen doch spielend möglich sein. Woran hakt es?

Wir alle wollen, dass Bezahlungen einfach, sicher und schnell sind. Wir haben ganz sicher ein Usability-Problem im E-Commerce mit Browser-basiertem Payment – dasselbe gilt für das Smartphone. Dort spießen sich die technischen Möglichkeiten mit den Regulierungsbestrebungen der EU.

Der Geldverkehr ist einer der am stärksten regulierten Vorgänge in unserer Wirtschaftswelt. Durch Phishing, Key-Logging und andere Malware werden Kreditkarten-Daten oft Opfer von Hackerangriffen. Braucht es dort nicht noch einen stärkeren Schutz der Konsumenten? 

Die Regulierung sorgt dafür, dass Bezahlen im Internet sicher ist. Hochsichere Transaktionen sind aber extrem mühsam für den Kunden. Die Balance zwischen Bequemlichkeit und Sicherheit ist unser Spielfeld. Mit unserer Technologie wollen wir unsere Partner, die Banken und deren Technologiepartner dahingehend unterstützen, dass sie einen sowohl sicheren als auch anwendungsfreundlichen Geldtransfer gewähren können. Dabei sind wir meistens Lizenzgeber.

Was kommt an neuen Regulierungen auf den Payment-Markt zu?

PSD II (Payment Service Directive II), die eine dezidierte Ausweisung der jeweiligen Käufer fordert, bringt erhebliche Veränderungen – hauptsächlich für Onlinezahlungen – mit sich und wird vermutlich im September 2019 umgesetzt. Das genaue Datum hängt davon ab, wie lange das Parlament und der Rat brauchen, um die finale Version abzusegnen. Danach müssen Bezahlungen im E-Commerce mit verstärkten Sicherheitsvorkehrungen wie der Zwei-Faktoren-Authentifizierung bewerkstelligt werden. Dort positionieren wir uns auch mit Masterpass. Wir wollen den Checkout möglichst friktionsfrei und sicher darstellen.

Haben Sie keine Sorge, dass die Kartenunternehmen irgendwann ausgebootet werden und IT-Firmen eigene Lösungen im Backend finden?

Sorge habe ich nicht, aber wir beobachten genau, was AliPay und WeChat in China anstellen. Sie haben es geschafft, das Payment eng in die Einkaufsprozesse zu integrieren. Die reibungslose Anbindung ist den Kunden wichtig, welche Technologie das im Hintergrund abbildet, eher nicht. Was in China allerdings datenschutzrechtlich abgeht, das wünsche ich mir nicht für Europa. Man muss nur einen Blick auf die Ambitionen des chinesischen Staates mit der Citizen Score (Bonuspunkte für Regime-freundliches Verhalten, Anm.) werfen. Das ist eine gefährliche Entwicklung und davon müssen wir uns abgrenzen. Das will in Europa hoffentlich niemand.

Die nächste Konkurrenz droht aus einer ganz anderen Ecke. Kryptowährungen und ihre Anhänger stellen das komplette Geldsystem in Frage. Jetzt beginnen Startups wie Revolut und TenX mit der Integration der Kryptos im Alltag.

Gruber: Dezentrale Kryptowährungen sind rein konzeptioneller Natur. Es existieren ja unter anderem auch zentrale, staatlich gesteuerte Kryptowährungen, die nicht zwingend zu dieser Disintermediation führen. Kryptowährungen lassen alles außen vor, was unser Geschäft ausmacht. Man darf nicht außer Acht lassen, dass in den heutigen Bezahlvorgängen Verfahren existieren, die zur Sicherheit des Konsumenten beitragen – gerade Rückvergütungen, die meines Wissens durch Bitcoin und Co. nicht adressiert werden. Sind die Bitcoins überwiesen, hilft kein Institut bei der Rückführung, wenn ein Kunde mit der Ware nicht zufrieden ist.

Das klingt eher nach kleineren Hürden.

Ich persönlich halte Bitcoin heute für kein geeignetes Mittel, um alltägliche Bezahlungen abzuwickeln. Vor allem wegen der Volatilität und den Transaktionszeiten. Es wird sich allerdings noch viel in diesem Bereich tun. Staaten denken über Fiat-Krypto-Währungen nach. Es wird noch einige technologische Weiterentwicklungen brauchen, bis es ein Produkt geben wird, das breiter akzeptiert wird, als das heute mit Bitcoin der Fall ist. Myspace gibt es ja heute auch nicht mehr.

Kann Bitcoin ein – möglicherweise scheiterndes – Startsignal für eine neue Art der Finanzwelt sein? 

Die Blockchain ist ein anderes Thema. Wir arbeiten intensiv mit der Technologie und haben eine Startup-Plattform namens Mastercard Start Path Global Programm. Dort bekommen Fintechs, aber auch Big-Data- und Security-Startups Zugang zu unserem Kundennetzwerk und ein eigenes Coaching-Programm. Da sind Blockchain-Startups dabei. 2016 war Everledger dabei, die den Lieferzyklus von Diamanten darstellen.

Diamantenhandel hat ja wenig mit Ihrem Geschäftsmodell zu tun. Planen Sie eine private Chain, um Zahlungsströme in Ihrem Netzwerk dezentral zu organisieren?

Ja, die gibt es. Wir haben bei der Money 20/20 die Mastercard Blockchain API gelauncht und ein Crossboarder-Bank-to-Bank-System auf einer Blockchain vorgestellt. Das bedeutet: Wenn man mit der Kreditkarte irgendwo bezahlt, dann passiert hier nur die Autorisierung der Transaktion. Der eigentliche Flow of Funds passiert im Clearing und im Settlement. Im Anschluss fließen nicht die 5,80 Euro für den einen konsumierten Kaffee, sondern die Summe aller Transaktionen, die mit der Karte vorgenommen worden. Das sind Geschäfte zwischen Banken. Dort gibt es sehr viel Spielraum für die Blockchain. Es spielen vier bis fünf Banken mit, bis das Geld letztlich ankommt. In unserer Blockchain ermöglichen wir es den Banken, das Settlement über die Grenzen hinweg untereinander gemeinsam abzuwickeln.

Ist die ganze Blockchain-Thematik ein Hype oder entsteht dort wirklich etwas fundamental Neues?

Aktuell muss sich jede Bank mit der Blockchain beschäftigen und jede Bank muss herausfinden, welche Anwendungsfälle möglich sind. Wir haben ein zweites API entwickelt, das auf Smart Contracts basiert und Partnern erlaubt, benutzerdefinierte Skripts mithilfe der Mastercard-Smart-Contract-Sprache anzulegen und auf der eigenen Blockchain zu verwenden. Wir wollen in diesem Feld wirklich vorne dabei sein und haben bislang 30 Patente angemeldet. Generell ist es ein Trial and Error. Wir müssen alle miteinander herausfinden, was Sinn macht und was nicht. In diesem Zustand befindet sich die ganze Industrie. Ideen gibt es viele, aber was sich durchsetzen wird, werden wir erst in den nächsten Jahren sehen.

Welche Segmente werden sich denn durch die Blockchain grundlegend verändern?

Grenzüberschreitende Transaktionen und grundsätzliche Geschäftsprozesse werden sich entscheidend verändern. Konditionierte Verfahren, in denen heute ganz viele Reibungsverluste durch Mittelsmänner entstehen, eignen sich grundsätzlich für diese Evolutionsstufe.

Und für die Konsumenten?

Für Konsumenten wird sich bedeutend weniger verändern. Die EU-Kommission drängt auf das Thema Instant Payment. Dies würde ermöglichen, in Echtzeit Geld zu senden und zu empfangen. Wenn das jetzt schon von Konto zu Konto funktioniert, dann fehlt mir ein bisschen die Fantasie, weshalb man da auf die Blockchain umsteigen sollte. Wenn ich aus Holland in zehn Sekunden Geld nach Österreich schicken kann, dann braucht es keine neue Technologie. Die Transaktionskosten sind für die Konsumenten heute sowieso schon gleich null. Heute dauert es halt noch einen Tag. Wenn die Infrastruktur so angepasst wird, als dass eine Transaktion in Echtzeit funktioniert, dann hat es für den Endkonsumenten eine Funktionalität erreicht, die weder schneller noch günstiger ist. Dann bringt ein Technologie-Wechsel wenig.

Dann bleibt noch die Frage: Wie können sich Maschinen in Zukunft gegenseitig für Leistungen bezahlen?

Wir haben Kooperationen mit Chipherstellern, die ihr Produkt so weit entwickelt haben, dass damit Bezahlfunktionen unter Maschinen möglich sind. Wir versuchen das Ökosystem Karte, also die Information über die Transaktion, ins digitale Zeitalter zu entwickeln. In manchen Anwendungsfällen wird es bessere Technologien geben als die unsere. Aber wir müssen über die Grenzen des heutigen hinausdenken. Wir haben zum Beispiel mit Vocalink einen Technologieanbieter gekauft, der unter anderem Echtzeit-Zahlungen von Konto zu Konto ermöglicht. Das geht klar über unser bisheriges Kerngeschäft hinaus.

Vertrauen ist nach wie vor das entscheidende Gut, wenn es ums Bezahlen geht. Ist das der Vorteil für die etablierten Marken im Kampf mit den neuen Playern?

Unser Ziel ist, dass wir mit unserer Marke weiter für sicheres, schnelles und komfortables Bezahlen stehen. Diese Punkte stehen für Vertrauen. Das ist wie mit der Geldanlage. Jeder kann bei einem Broker seiner Wahl Aktien, Futures oder Derivate kaufen. Das macht aber niemand, weil es keiner versteht. Deshalb sucht man nach Partnern. Im Zahlungsverkehr ist das ähnlich. Konsumenten wollen sich nicht zwingend damit auseinandersetzen, ob sie dieser Kryptowährung vertrauen, mit der sie in Online-Stores bezahlen. Dieses Vertrauen muss aufgebaut werden. Funktioniert dieses Vertrauen in einem dezentralen System oder braucht der Mensch in seiner Psychologie einen Partner, dem er sein Geld anvertraut?

In der Musikkrise hatte Napster schnell das Vertrauen der Kunden gewonnen und P2P kam in Windeseile im Mainstream an.

Diese Form des Bezugs von Musik hatte auch für die Konsumenten nur Vorteile und keine Risiken – zumindest so lange, bis die Labels begonnen haben, zu klagen. Beim Geld beziehungsweise beim Bezahlen sind meines Erachtens die Hemmschwellen und der Bedarf an Sicherheit und Vertrauen höher. Dieses Vertrauen ist ein Asset aber es kann auch schrumpfen, wenn man nicht aufpasst. Dass sie heute mit Mastercard weltweit bei knapp 40 Millionen Händlern sicher bezahlen können, ist viel wert und wir investieren massiv in Technologie und Marke, um dieses Vertrauen zu rechtfertigen und auch für die Zukunft zu erhalten.

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