Analyse

Fake Traffic: Online-Werbung, die nie ein Mensch zu Gesicht bekommt, ist viele Milliarden US-Dollar wert

Laut IAB sind 36 Prozent aller Klicks im Internet "fake". © Fotolia/Illustration: J. Steinschaden
Laut IAB sind 36 Prozent aller Klicks im Internet "fake". © Fotolia/Illustration: J. Steinschaden
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Wie viele Klicks bekommt Deine Webseite, und wie viele davon sind echt? Diese Frage beschäftigt die Online-Industrie zunehmend, nicht zuletzt deswegen, weil immer größere Teile der Werbebudgets ins Digitale fließen. Heineken etwa wird bald mehr als 50 Prozent seiner Spendings für Online-Werbung ausgeben, grob geschätzt wird mittlerweile ein Viertel der globalen Werbeausgaben im Internet ausgegeben. Da ist aber noch eine Zahl, die immer wieder genannt wird: 36. Laut IAB (International Advertising Bureau) werden 36 Prozent des gesamten Internetverkehrs nicht von Menschen, sondern von Maschinen verursacht – und damit könnte mehr als ein Drittel aller Werbung, für die Unternehmen bezahlen, niemals von einem Menschen auf einem Display gesehen worden sein.

“Dieser nichtmenschliche Traffic ruiniert Kampagnen. Wenn 20 bis 30 Prozent einer Kampagne nicht von Menschen, sondern von Bots “gesehen” werden, dann ist das ein großes Problem. Wenn man diese Kampagnen dann auch noch auf diesen Traffic optimiert, dann wird das Problem noch schlimmer”, sagt Duncan Trigg, Vice President Advertising Effectiveness beim Online-Marktforscher ComScore, zu TrendingTopics.at. “Bot-Traffic ist sehr schwer zu tracken, weil die Betrüger so clever sind. Das einzige, was wir wirklich tun können, ist diese Fake-Zugriffe zu erkennen und zu blocken.” Die Betreiber dieser zwielichtigen Traffic-Quellen wären sehr gut darin, die Ursprungsquelle zu verschleiern, etwa, indem sie die URLs maskieren. und sie würden in immer neue Bereiche vorstoßen, etwa in automatisierte Marktplätze für Online-Werbung, auf Mobile, in den Video-Bereich – überall dort, wo viel Werbegeld fließt. Trigg: “Diese Betrüger machen Millionen, wenn nicht Milliarden. Es ist ein Riesengeschäft.”

Das Problem betrifft auch YouTube und Facebook

Wie viel Geld die Betrüger, die nur selten geschnappt werden, der Werbeindustrie kosten, nicht ganz klar. Eine Studie der Association of National Advertisers (ANA) in Zusammenarbeit mit der Security-Firma White Ops kommt zu dem Schluss, dass 2015 Werbung im Wert von 6,3 Milliarden US-Dollar lediglich von Bots „gesehen“ werden wird. Doch das Problem könnte viel größer sein:  Laut Statista.com: werden 2015 etwa 170 Mrd. US-Dollar für Internetwerbung ausgegeben. Bei etwa einem Drittel Fake-Traffic wären rund 60 Milliarden US-Dollar für Werbung ausgegeben worden, die nie ein Mensch zu Gesicht bekommen hat, sondern von automatisierter Software abgerufen wurde. Und es geht noch höher: Zu Bloomberg sagte Bob Hoffman, ein Branchenveteran, kürzlich, dass „wahrscheinlich 50 Prozent der Online-Werbeausgaben gestohlen werden.“

Betroffen von Fake-Traffic sind aber nicht nur zwielichtige Sex- und Casino-Seiten, sondern offenbar auch führende Online-Portale. Eine Studie europäischer Wissenschaftler zeigt auf, dass die Google-Tochter falsche, nichtmenschliche Zugriffe auf Videos zwar erkennen kann und nicht in die Abrufzahlen einrechnet; doch Werber, die rund um die und in den Videos Anzeigen schalten, würden trotzdem für die Abrufe zur Kasse gebeten. YouTube hat verkündet, sich mit den Wissenschaftlern über die Studie zusammenzusetzen. Handelt es sich um keinen Einzelfall, über den die Wissenschaftler gestolpert sind, müsste die Frage gestellt werden, wie viele Geld Google mit Fake-Zugriffen auf Videos bis dato verdient hat.

Auch Facebook ist nicht von dem Problem auszunehmen. Erst dieses Jahr hat man bekannt gegeben, dass man sich mit neuen Industriestandards bemühen wolle, dass Werber künftig nicht für ausgelieferte Ads (eine Anzeige lädt vom Server), sondern für tatsächlich gesehene Werbung zahlen müssen. Denn Facebook betreibt nicht nur sein Social Network und Instagram, sondern liefert über sein Audience Network auch Werbung in fremden Apps aus, wo andere Standards gelten.

Wenn Publisher Traffic einkaufen

“Es gibt eigentlich nur zwei Parteien, die in der Wertschöpfungskette unter Werbebetrug leiden: Der Publisher und der Werber. Alle dazwischen können den Traffic und die Werbung weiter handeln und müssen sich mit dem Problem eigentlich nicht befassen, weil sie ja Geld damit machen”, sagt Trigg von ComScore, dessen Firma pro Monat mehr als zwei Billionen Interaktionen auf Webseiten misst, wo ComScore-Technologie verbaut ist und so auch den gefälschten Zugriffen auf die Spur kommen kann.

Doch eindeutig ist die Sachlage nicht immer: Eine große Bloomberg-Story zeigt auf, dass das schwedische Traditionsmedienhaus Bonnier für den Aufbau seiner Online-Portale von Titeln wie „SaveurOutdoor Life“, „Working Mother“ und „Popular Science“ Traffic eingekauft haben soll. Der Verkäufer des Traffics ist Bloomberg zufolge Advertise.com, das eigenen Angaben zufolge pro Monat 300 Millionen Besuche an Käufer liefern kann. Für Bonnier funktionierte der Trick: Im Mai kletterten die Zugriffe auf Saveur.tv auf neun Millionen, WorkingMotherTV.com verbuchte fünf Millionen Zugriffe. Doch dass das nicht immer Menschen waren die geklickt haben, dürfte klar sein: SiteScout, das 68.000 Webseiten und deren Werbeinventur listet, hat die Bonnier-Seiten wegen „exzessiven nichtmenschlichen Traffic“ geblockt.

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