Im Social Network

Facebook-Manager Clive Ryan im Interview: „Die Plätze im News Feed sind hart umkämpft“

Clive Ryan war zu Gast bei den Marketing Rockstars in Graz. © Marketing Rockstars
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Wird das Cookie aussterben? Wird Facebook wieder am Algorithmus drehen? Wer gewinnt den Kampf ums Videogeschäft? Was wird aus WhatsApp? Clive Ryan, Director Sales bei Facebook in Europa, spricht im Interview über die wichtigsten Trends und Themen, die das Social Network betreffen.

Werbung wird immer stärker von Technologie und Digitalisierung getrieben. Was hat das für Auswirkungen?

Clive Ryan: Marketing hat 1879 in den USA einen Wendepunkt erfahren (1879 wurde in den USA mit dem Postal Act die günstige Massendistribution von Printtiteln über das Postsystem möglich, Anm.). Verkaufen, Handeln und Werben wurde durch die massenmediale Verbreitung immer weniger persönlich. Mit Technologie, Daten und mobilen Geräten wird Marketing wieder persönlich, weil es Unternehmen ermöglicht, die Menschen wieder direkt über ihren Lebensstil, ihr Alter, ihr Geschlecht und ihre Interessen anzusprechen. Um aber dieses Privileg der direkten Ansprache zu bekommen, muss man sehr relevant sein. Deswegen ist Mobile dabei so wichtig, das Smartphone ist das persönlichste Gerät, neben der Zahnbürste.

Facebook will also Marketing zurück ins 19. Jahrhundert befördern?

Ryan: Marketing vor 1879 war persönlich, aber nicht skalierbar. Wir gehen also nicht zurück, sondern bringen nur den persönlichen Aspekt ins Marketing zurück.

Sind große Unternehmen bereit dafür, die ja die letzten 60, 70 Jahre in nach den Regeln der Massenmedien gedacht und gehandelt haben?

Ryan: Spannende Frage. Technologie verlangt eine andere Art des Denkens, wie man Menschen anspricht, sie verlangt eine andere Planung von Kampagnen, und sie verlangt eine andere Art, wie Geschichten erzählt werden. Werbung in Massenmedien musste, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu bekommen, erinnerbar sein, und weil so viele Botschaften gleichzeitig um die Aufmerksamkeit kämpften, wurde Werbung störend. Ein TV-Spot unterbricht die Sendung, eine Anzeige unterbricht den Artikel. Display-Advertising oder Pre-rolls im Internet sind nicht anders, sie basieren auf dem Grundgedanken des Unterbrechens. Und das muss sich ändern: Die Nutzer von Facebook wissen, dass sie Relevanz kontrollieren können, und als Werber muss man verstehen, wie man Relevanz herstellt.

Nun, es gibt auch viele Leute, die Facebook-Werbung störend finden.

Ryan: Facebook ist ein sehr persönliches Erlebnis, sowohl auf Desktop als auch Mobile. Die Abfolge der Beiträge in deinem News Feed ist einzigartig, keinen News Feed gibt es zwei Mal. Botschaften von Freunden und Marken werden seriell dargestellt, und wir versuchen, diesen Feed ständig zu verbessern. Das Feedback, dass wir auf einer Makroebene bekommen, ist, dass die Werbung nicht als störend empfunden wird. Die Menschen verbringen im Schnitt mittlerweile 40 Minuten pro Tag in der Facebook-App, und der meiste Content, den sie sehen, ist keine Werbung. Werber müssen sich den Platz im News Feed verdienen, und das Recht dafür basiert auf Relevanz, Kreativität und nicht störend zu sein. Sicher ist der Algorithmus noch nicht perfekt, aber wir und die Werber lernen stetig dazu. Das Feedback ist vorwiegend, dass die Werbung nicht stört, und die Ads fühlen sich oft nicht wie Ads an, sondern wie interessante Geschichten.

Ja, weil die Ads wie die Posts der Freunde aussehen, sie sind nur in kleiner grauer Schrift mit ?Sponsored Post? gekennzeichnet. Glauben Sie, dass die User deswegen die Werbung nicht als solche erkennen?

Ryan: Ich denke, wir alle wissen, wie Werbung aussieht. Der Sponsored Post-Text ist da nicht so relevant, es geht darum, wie die Story aussieht und sich anfühlt.

Im Facebook-News-Feed gibt es mittlerweile ziemlich viele Videos zu sehen. Diese starten automatisch – das dient wohl dazu, die Views zu erhöhen?

Ryan: Nein, es geht darum, wie der Feed designt ist, eben als sequentielle Abfolge von Stories, und die hauptsächlich auf Mobile, täglich von 800 Millionen Menschen, angesehen werden. Wir starten die Videos automatisch, um die Exprience zu bereichern. Es ist sehr nutzerfreundlich, wenn man nicht klicken muss, weil auf Mobile-Displays das zielgenaue Klicken schwierig ist. Das Feeback zeigt: Die Leute lieben es.

Der Algorithmus des News Feed ändert sich ständig, und viele Unternehmen beschweren sich, dass ihre organische Reichweite stetig sinkt. Werden diese künftig noch mehr Geld für Werbung ausgeben müssen, um ihre Inhalte auf die Displays der User zu bringen?

Ryan: Sie haben Recht, die organische Reichweite wird weiter sinken, aber das war immer unabwendbar. Das gilt für alle Feed-basierten Plattformen, auch für LinkdIn und Twitter. Der Grund: Der verfügbare Content wächst exponentiell, und die Plätze im News Feed sind hart umkämpft. Wir konstruieren den News Feed nicht absichtlich so, dass die organische Reichweite sinkt, aber sie sinkt eben, und deswegen wird man für eine Platzierung zahlen müssen. Zu Bezahlen ist ein Zeichen dafür, wie wertvoll eine Person einer Marke ist. Wenn man auf andere Webseiten geht, dann gibt es dort fünf oder sieben verschiedene Werbeformate, aber der Nutzer wird nicht all sehen. Im News Feed sieht der User jeden einzelnen Beitrag, und jeder Beitrag füllt für eine kurzen Moment den ganzen Screen aus.

Wie muss man auf Facebook Videos gestalten, damit die User nicht weiterscrollen und das Video weiter ansehen?

Ryan: Ich bin kein Kreativdirektor, wir haben in unserem Unternehmen eine eigene Abteilung namens Creative Shop, die sich damit befasst. Aber die Prinzipien sind, dass ein Video einladend sein muss, den Beginn einer Geschichte zeigt, es muss in den ersten drei Sekunden funken. Auto-Play gibt es deswegen, um den Leuten die schnelle Entscheidungsmöglichkeit zu geben, in Video ganz anzusehen. Nur ein statisches Bild zu sehen, auf das man klicken muss, ist störend.

Facebook hat Partnerschaften mit der New York Times, National Geographic und anderen Medienhäusern, die komplette Artikel und Videos in dem Social Network veröffentlichen. Was haben die Medien davon?

Ryan: Für viele Medienseiten hat Facebook aufgrund der enormen täglichen Reichweite für die Distribution von Inhalten eine enorm große Bedeutung. Facebook ist ein vielseitiges Werkzeug, um das Publikum heranzuführen, aber wenn die Leute klicken und dann Facebook verlassen müssen, um einen Artikel zu sehen, dann ist das teilweise kein gutes Nutzererlebnis, weil es sehr lange dauert, bis Inhalte laden. Wir wissen aus Statistiken, dass ein signifikanter Anteil der Nutzer es nicht mögen, den Feed zu verlassen. Deswegen wollen wir es Medienmachern ermöglichen, mehr eigene Stories im News Feed zu erzählen. Ihm gehört natürlich der Content, und er bekommt auch 100 Prozent der Werbeeinnahmen, die er mit Ads macht, welche in dem Content eingebaut sind. Es wird natürlich nicht die Webseiten von National Geographic und Co. ersetzen, weil dort die Vielfalt der Inhalte liegt. In Punkto Geschäftsmodell wissen wir noch nicht, wie sich das entwickeln wird.

Es wäre ja auch interessant, wenn Facebook den Verlagen helfen würde, Content auf der Plattform zu verkaufen – etwa mit dem ?Buy?-Button könnte man ja auch Artikel kaufen.

Ryan: Guter Punkt, das wäre ein guter Anwendungsfall. Vielleicht.

Zurück zum Werbegeschäft. Facebook versucht mit seinen Tochterfirmen LiveRail, Atlas und dem Audience Network, Facebook-Werbung außerhalb der Plattform zu zeigen. Warum?

Ryan: Nun, die Online-Welt besteht ja nicht nur aus Facebook, WhatsApp und Instagram. Das Ökosystem der Digitalwerbung wird immer komplexer, sowohl für Medien als auch Werber. Das Prinzip hinter unseren Werbetechnologien ist, das Targeting, die Distribution von Werbe-Content und die Messung zu vereinfachen. Atlas ist unserer Meinung nach ein Gamechanger, weil es über verschiedene Geräte hinweg echte Ergebnisse ohne Cookies messen kann. Cookies sind die große Schwäche in der Mobile-Welt, weil sie auf mobilen Geräten nicht funktionieren.

Wird das Cookie denn aussterben?

Ryan: Ja, ich glaube, Cookies werden irgendwann aussterben, weil sie enorm ungenau sind. Wenn Werber auf Basis von Cookie-Messungen Entscheidungen treffen, treffen sie schlechte Entscheidungen, weil sie ungenaue Daten liefern. Wir wissen, dass Leute verschiedene Browser verwenden und dass mehrere Leute den selben Computer nutzen, was bedeutet, dass Cookies überschätzen, wie viele Leute eine Werbung erreicht hat. Außerdem sind sie schlecht beim demografischen Targeting, sie funktionieren schlecht auf Mobile, und sie funktionieren nicht Geräte-übergreifend. Cookies stammen aus einer Welt, als die Leute nur einen Computer nutzten.

Sie sind auch für die Facebook-Töchter Instagram und WhatsApp zuständig. Wann wird Instagram-Werbung nach Österreich kommen?

Ryan: Gute Frage! Es gibt keinen Grund, es nicht schon zu machen, aber wir wollen sicherstellen, dass wir die Experience sowohl für die Menschen als auch die Werber richtig umsetzen. Österreich wird Instagram-Werbung sehr bald bekommen, wir sind uns ziemlich sicher, dass sie noch vor Jahresende startet.

Der Facebook Messenger mit 600 Millionen Nutzern soll für Unternehmen geöffnet werden. Was werden Marketer mit ihm machen können?

Ryan: Wir probieren verschiedene Dinge aus. Der Startpunkt für unsere aktuellen Überlegungen war: Marketer beginnen den Dialog mit ihren Kunden durch Werbung, um eine Marke bekannt zu machen oder eine Kaufentscheidung herbeizurufen. Wenn der Kauf dann weg von Facebook in einem anderen Kommunikationskanal stattfindet, etwa auf einer Webseite, dann wird das unpersönlich. Ein Nutzer muss ständig zwischen Plattformen und Umgebungen wechseln, nur um etwas zu kaufen. Unsere These bei Messenger ist: Du siehst eine Werbung zu einem Produkt, du klickst darauf, um es zu kaufen, und damit die Transaktion persönlich bleibt, kann der Messenger als Kommunikationskanal genutzt werden. So, wie man früher bei einer Hotline angerufen hat, um den Bestellstatus abzufragen, könnte man diese Information via Messenger bekommen. Unternehmen haben das auf ihre Art bereits mit E-Mail gemacht, aber E-Mail ist nicht in Echtzeit und keine echte persönliche Erfahrung. Messenger soll die Beziehung eines Kunden zu einem Unternehmen persönlich machen.

Und was wird aus der Facebook-Tochter WhatsApp, die ja ähnlich wie Messenger funktioniert?

Ryan: Das wissen wir noch nicht. WhatsApp ist für uns eine tolle, stark wachsende Messaging-App, die unsere Nutzer und vor allem Gruppen sehr nützlich finden. Bevor wir über eine Monetarisierung nachdenken, werden wir uns erst einmal darauf fokussieren, die Technologie und die Plattform zu skalieren und das Erlebnis für die Community zu optimieren. Wir haben dort hoffentlich bald eine Milliarde monatliche Nutzer.

Es wird also nicht so bald WhatsApp für Businesses geben?

Ryan: Nein, das ist meines Wissens nicht geplant.

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