Diskussion

“Es ist gefährlich, sich mit den GAFAs ins Bett zu legen”

Die Schätzungen reichen von 40 bis 70 Prozent, so genau weiß es niemand. Doch am Ende geht es um jedenfalls um hunderte Millionen Euro, die österreichische Werbetreibende bei Google, Facebook, Apple und Amazon für Online-Advertising ausgeben – und eben nicht bei heimischen Online-Plattformen und digitalen Medien. Einfachheit, Reichweite, Targeting, Self-Service – die GAFAs reichen von den USA aus tief in den österreichischen Digitalwerbemarkt hinein.

Soll man diese „Monster“, wie manche sie bezeichnen, also weiterhin füttern, möglicherweise auf Kosten heimischer Online-Angebote? Um diese Frage ging es am Dienstag Abend im Juwel Wien bei einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion, die willhaben – der größte digitale Marktplatz Österreichs – gemeinsam mit Trending Topics organisierte. Vor Publikum diskutierten Manuel Reinartz (Chefredakteur, Die Presse Digital), Jochen Schneeberger, (Head of Digital Advertising, willhaben), Irina Obushtarova (Managing Director, Trending Topics Bulgaria), Thomas Meyer, (Co-Founder, Toman+Meyer) und Markus Höfinger (Managing Director, Accenture Interactive) mit Moderatorin Maggie Childs (CEO, Metropole).

15.10.2019 Willhaben - Don't feed the Monster © Trending Topics
15.10.2019 Willhaben – Don’t feed the Monster © Trending Topics

24.000 Digitalabonnenten bei DiePresse.com

“Wir aus der Redaktion zahlen keinen Cent an Facebook”, sagte Reinartz von DiePresse.com – und gab exklusive Einblicke in die neuesten Zahlen der Digitalabos. Mittlerweile mehr als 24.000 Abonnenten zählt das Online-Nachrichtenportal mittlerweile. “Mit dieser Schiene verdienen wir bald mehr Geld als mit digitaler Bannerwerbung”, so Reinartz weiter. Auch weil es am digitalen Anzeigenmarkt neben Google, Facebook und Co. immer schwerer wird, Geld zu verdienen, setzt Die Presse im Netz auf zahlende Leser.

Wie auch etwa die New York Times im Digitalbereich vorzeigt, können Medien im Netz durchaus viel Geld mit Abonnenten verdienen. “Grundfehler der Medien in den 1990ern war, dass wir damals unsere Inhalte kostenlos ins Netz gestellt haben. Wir müssen den Fehler jetzt korrigieren”, so Reinartz.

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15.10.2019 Willhaben – Don’t feed the Monster © Trending Topics

Wichtig sei dabei, dass Digitalabos so einfach wie möglich zu kaufen sind. “Das muss so einfach sein wie bei Amazon einen Staubsauger zu bestellen.” Hier wurde bei DiePresse.com optimiert: waren früher zehn Schritte bis zum Kauf notwendig, besteht der Checkout-Prozess jetzt aus nur mehr drei Schritten – die Zahl der Abos wächst seither deutlich stärker.

Facebook dient dem Nachrichten-Portal primär als Möglichkeit, um die Nutzer als wiederkehrende Leser zu gewinnen und im Optimalfall zu Abonnenten zu konvertieren. Abhängig sei man von den Zugriffen, die über das Social network kommen, nicht. Reinartz: “Wenn Facebook wegbricht, wird uns das wehtun, aber wir werden es überleben.”

“Aggregatoren sind wie eine Droge”

Doch kann man heute wirklich auf Facebook verzichten? “Es ist gefährlich, sich mit den GAFAs ins Bett zu legen”, sagte Markus Höfinger, Managing Director bei Accenture Interactive. “Man muss Aggregatoren nutzen, aber darf nicht abhängig zu werden.” Ein guter Weg für Unternehmen wäre, Google, Facebook oder Booking.com zu nutzen, um neue Kunden zu gewinnen – und dann alles dafür tun, um sie bei sich zu halten.

Schnelle Klicks, schnelle Leads – “Aggregatoren sind wie eine Droge”, so Höfinger weiter. Sie würden dazu verführen, die Kundengewinnung in fremde Hände zu legen. Übrigens auch bei europäischen Plattformen, Beispiel Spotify, das Medienunternehmen mit der Möglichkeit zur kostenlosen Distribution von Podcasts lockt. “Podcast ist das nächste große Ding. Wenn ich ein Medienhaus wäre, würde ich mir überlegen, wie ich da mitspielen kann”, so Höfinger. Die Downside: “Will man Spotify als Plattform einen großen Teil des Kuchens zu überlassen? Aber immerhin ist es ein europäisches Unternehmen.”

15.10.2019 Willhaben - Don't feed the Monster © Trending Topics
15.10.2019 Willhaben – Don’t feed the Monster © Trending Topics

“Facebook ist eine Traffic- und Umsatz-Maschine”

Ohne Facebook kommen aber heute nur mehr wenige Unternehmen aus. Auch Startups übrigens nicht: Wie der Hedge-Fonds Bridgewater berechnet hat, geben Tech-Startups pro Jahr bei Amazon, Google und Facebook mittlerweile 44 Milliarden Dollar für Cloud-Dienste und Online-Advertising aus. Das entspricht rund zehn Prozent der Umsätze der Big-Tech-Unternehmen (Trending Topics berichtete).

Denn klar ist für viele: “Facebook ist eine Traffic- und Umsatz-Maschine”, so Thomas Meyer, Co-Founder der auf digitale Kommunikation und Social Media Beratung spezialisierten Wiener Agentur Toman+Meyer. Klar sei aber auch: “Die Webseite muss das Mutterschiff sein.” Regionale Medien hätten im Wettstreit mit Google und Facebook einen Vorteil: “Was für regionale Medien spricht, ist das Vertrauen”, so Meyer. Doch auch sie müssten innovativ sein: “Der Hebel muss sein, neue Werbeformate zu entwickeln.”

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15.10.2019 Willhaben – Don’t feed the Monster © Trending Topics

“Die OECD hat mittlerweile einige gute Vorschläge“

Ein wichtiger Punkt bei der Panel-Diskussion: das Thema Steuern und Regulierung. Zwar sind Österreich und Frankreich mit einer Digitalsteuer vorgeprescht, die auf Facebook, Amazon und Google abzielt, aber wirklich zufrieden ist niemand damit. “Ich halte von der Digitalsteuer nichts. Das ist ein Schuss ins Knie letztlich für den Werbekunden in Österreich”, so Reinartz. Denn es wird damit gerechnet, dass die Steuer an die regionalen Werbetreibenden weitergereicht wird.

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Vielversprechender erachtete das Panel da die Vorschläge der OECD: so steht im Raum, dass multinationale Unternehmen dort besteuert werden könnten, wo sie Umsatz und Gewinn machen – auch wenn sie dort keine physische Präsenz haben. “Die OECD hat mittlerweile einige gute Vorschläge, die uns in den nächsten Jahren eine Verbesserung bringen könnten”, sagte Jochen Schneeberger von willhaben. Denn letztlich gehe es darum ein „Level Playing Field“ für alle zu schaffen. “Selbe Startbedingungen für alle, die haben wir im Moment nicht”, so Schneeberger. Die brauche man aber, um langfristig Arbeitsplätze in Österreich zu sichern.

Eine Lösung auf Ebene der OECD, also der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, wird von vielen Experten als zielführender angesehen als nationale Alleingänge – selbst Amazon hat den OECD-Vorschlag mittlerweile begrüßt. So auch Irina Obushtarova, Managing Director von Trending Topics Bulgaria: “Wir haben es mit internationalen Monopolisten zu tun, deswegen brauchen wir auch internationale Maßnahmen.”

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