Gastkommentar

So bauen Startups in 5 Schritten eine erfolgreiche Marke auf

Apple wäre nicht für jede Firma ein guter Name. © Pixabay
Apple wäre nicht für jede Firma ein guter Name. © Pixabay
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Was haben Amazon, Dyson, Flixbus, Google, Ikea, Neuburger, Netflix, Red Bull, Runtastic, Spotify und in Zukunft vielleicht Waltz7 gemeinsam? Sie werden mit Sicherheit heute als starke Marken wahrgenommen. Das war nicht immer so. Noch Mitte der 1990er Jahre waren sich viele Getränkeexperten nicht sicher, ob Red Bull wirklich eine starke Marke wird oder doch als Modeerscheinung endet. Damit stellt sich auch für Startups die Frage, welche Weichen man stellen sollte, um einmal eine starke Marke zu werden.

1. Eine mentale Lücke (er)finden

Brutal formuliert ist eine Marke eigentlich ein „Abfallprodukt“ von Leistung. Marke ist also ein Ergebnis. Damit man zu diesem Ergebnis „Marke“ kommt, sollte man eine freie Lücke oder besser Kategorie in der Wahrnehmung der potenziellen Kunden finden.

Didi Mateschitz erfand die Lücke oder Kategorie „Energydrink“. Dyson erfand die Lücke „beutelloser Staubsauger“. Kamprad erfand die Lücke „Selbstbaumöbel“. Neuburger erfand die Lücke „Gourmetleberkäse“. Jeff Bezos erfand die Lücke „Internetbuchhandlung“. Falsch! Jeff Bezos erfand nicht die Internetbuchhandlung, denn als er 1994 Amazon startete, gab es bereits Powells.com, die Bücher über das Internet verkauften. Nur Jeff gelang es mit Amazon als erste Marke die Kategorie oder Lücke „Internetbuchhandlung“ in der Wahrnehmung der Kunden zu besetzen.

Das heißt: Die optimale Grundvoraussetzung für eine starke Marke ist es, dass man eine in der Kundenwahrnehmung freie Kategorie findet oder erfindet. Hier scheitern viele Startups aus zwei Gründen: (1) Man schafft es – speziell bei Eigenerfindungen – nicht, eine einfache Kategorie a la Energydrink oder beutelloser Staubsauger zu definieren. Man bleibt also zu vage und zu diffus. (2) Man findet generell keine freie Kategorie in der Wahrnehmung. Oder man ist nicht der Erste: Das Startup Cuil beispielsweise, hat sich – gestärkt mit einem Risikokapitel von 33 Millionen Dollar – als beste Suchmaschine der Welt positioniert.  Deren Pech: Die Kategorie Suchmaschine war mental bereits besetzt.

2. Den passenden Markennamen finden

Basierend auf dieser freien Lücke in der Wahrnehmung sollte man dann den Markennamen entwickeln. Das heißt: Man sollte zuerst die verbale Positionierung festlegen, bevor man daraus den Markennamen ableitet. Leider passiert es in der Praxis meist umgekehrt: So verbringen viele Unternehmensgründer enorm viel Zeit damit, einen kreativen Namen zu finden, der ihnen selbst am besten gefällt, statt wirklich einen Markennamen zu suchen, der den Positionierungsprozess unterstützt und fördert.

Ein guter Markenname sollte zur Positionierung passen, einfach sein, leicht auszusprechen sein, die Differenzierung zum Wettbewerb verstärken und international funktionieren. Natürlich sollten zudem die angestrebten Domains ohne Zusätze und Bindestriche frei sein. So ist Red Bull ein perfekter Name für einen Energydrink. Er passt suggestiv zur Positionierung, weil er Stärke verspricht, er ist einfach, lässt sich international leicht aussprechen und unterschied sich in der Startphase auch klar von anderen Erfrischungs- und Sportgetränkemarken.

3. Fehler bei der Suche nach dem Markennamen

Damit sind wir auch gleich bei den drei Hauptfehlern, die Gründer und Startups immer wieder machen: (1) Der Name ist zu generisch. Statt einen echten Markennamen zu entwickeln, setzt man lieber auf einen beschreibenden Begriff. Dies war besonders in den Anfangstagen des Internetbooms sehr beliebt. Statt einen echten Namen wie Amazon zu wählen, gab es dann Namen wie Buch.de, Buecher.de oder Books.com. Das ist, als ob man einem Kind den Namen Kind geben würde. Sollte der angestrebte Namen nicht als Wortmarke schutzfähig sein, sollte man die Finger davon lassen. (2) Der Name ist dem Mitbewerb zu ähnlich. Genau diesen Fehler  machten viele Me-too-Anbieter von Energydrinks. Denn diese setzten frei nach dem Vorbild Red Bull ebenfalls auf Tiere wie Flying Horse, Power Horse, Shark, Dark Dog oder Blaue Sau. Viel besser war und ist da der Markenname Monster, der ebenfalls Stärke, aber ohne Tierbezug kommuniziert.

Apple wäre nicht für jede Firma ein guter Name

Das heißt: Der angedachte Markenname sollte klar zur Differenzierung am Markt beitragen. Für einen Apfelhändler wäre Apple ein schlechter Name, weil er die Produktkategorie beschreibt. Für einen Computererzeuger ist Apple ein toller Name, weil er sich in einer Branche, die meist auf technologisch klingende Namen setzt, perfekt abhebt. Zudem unterstreicht dieser Markenname, dass Apple in jeder Beziehung anders als herkömmliche Computerunternehmen sein will.  (3) Der Name funktioniert international nur eingeschränkt. Hier haben amerikanische Startups einen großen Vorteil, da englische Namen auch international funktionieren. Deutsche Namen wie etwa Reishunger für einen Onlineshop, der auf Reis spezialisiert ist, oder Erdbeerwoche, ein Onlineshop für nachhaltige Damenhygiene schränken sich alleine aufgrund des Namens international ein. So musste auch Fressnapf erkennen, dass dieser Name international mehr schlecht als recht funktioniert.

Verkanntes Potenzial: der Nachname

Der vor lauter Kreativität oft übersehene Name ist der eigene Familienname. Dabei kann dieser, wie etwa Dell, Dyson, Neuburger oder auch Zotter beweisen, perfekt funktionieren. Zudem kann man so durch die Personifizierung der Marke auch deren Positionierung massiv verstärken. Das gilt vor allem dann, wenn der Gründer oder die Gründer sich auch gerne selbst in den Medien sehen. So ist und war die mediale Selbstinszenierung von Josef Zotter ein wesentlicher Beitrag zur Positionierung der Marke Zotter.

3. Die Marke visualisieren

Damit sind wir auch schon beim dritten Punkt. Starke Marken sollten nicht nur verbal, sondern auch visuell einzigartig positioniert sein. Dabei sollte die visuelle Positionierung entweder das Produkt selbst, die grundlegende Positionierung oder den Markennamen visualisieren.

Aus dieser Warte betrachtet ist das neue Logo von YouTube bedeutend besser als das alte, da es einen direkten Bezug zum Abspielen eines Videos herstellt. Bei Apple wiederum war und ist die Visualisierung des Markennamens ein wesentlicher Beitrag zum Marken- und Markterfolg. Damit wird nicht nur der Markenname visuell verstärkt, sondern auch die Produkte, vor allem die Laptops im Einsatz sichtbarer gemacht.

Als Dyson den ersten „beutellosen“ Staubsauger lancierte, unterschied sich dieser nicht nur im Produktdesign selbst massiv von einem herkömmlichen Staubsauger, sondern auch durch die gelbe Farbe. So kann auch die Farbe selbst ein extrem wichtiger Differenzierungs- und Positionierungsfaktor sein. Manche denken jetzt vielleicht an Milka, UPS, ÖAMTC oder ganz aktuell an die grünen Busse von Flixbus.

Warum ein Poloreiter besser ist als ein Krokodil

Die beiden Hauptfehler, die hier gemacht werden, sind, dass man dem Mitbewerb visuell zu ähnlich ist, bzw. dass man eine Visualisierung wählt, die zwar einzigartig ist, aber weder die eigene Positionierung, das eigene Produktdesign noch den Markennamen wirklich verstärkt. So gesehen ist das Poloreiter-Logo von Ralph Lauren sehr viel stärker als das Krokodil von Lacoste, denn der Poloreiter verstärkt direkt den Markennamen Polo Ralph Lauren und unterstreicht zudem die Premiumpositionierung, da Polo ein extrem teurer Sport ist. Was aber hat ein Krokodil mit einem Polohemd zu tun? (Anm. des Autors: Das wissen nur wenige Kenner der Lacoste Biographie. So wurde der Tennisspieler und spätere Gründer der Modemarke René Lacoste als Le Crocodile oder auch L’Alligator berühmt.)

4. Die Marke und/oder den Markt verengen

Der Hauptgrund, warum viele Unternehmen und auch Startups letztendlich scheitern, ist, weil man von Anfang an zu viel möchte. Interessant dabei ist, wenn man die Geschichte von Marken studiert, dass diese ihren Durchbruch in der Regel dann schafften, wenn sie die Marke selbst oder den angestrebten Markt in Summe verengten.

Als Ingvar Kamprad im Jahr 1943 Ikea gründete, verkaufte er jede Menge verschiedener Artikel wie etwa Kugelschreiber, Brieftaschen, Bilderrahmen, Tischdecken, Uhren, Streichhölzer, Schmuck oder Nylonstrümpfe. Die echte Basis zum Erfolg legte er 1951 mit der kompletten Fokussierung auf Selbstbaumöbel und dem ersten Ikea Katalog.

Hier können Startups extrem viel von Facebook lernen. Im Jahr 2004 war MySpace das mit Abstand führende soziale Netzwerk. Der Fokus lag dabei ganz klar auf Jugend und Musik. Genau in diesem Jahr gründete Mark Zuckerberg auch Facebook. So gesehen war Facebook eigentlich nur ein weiteres soziales Netzwerk dieser Erde.

In dieser Situation machte Zuckerberg – bewusst oder auch unbewusst – genau das, was man aus Markensicht tun sollte, wenn man nicht die Nummer 1 ist: Er verengte den Fokus der Marke, um so eine eigene Spitzenstellung zu bekommen. So war Facebook am Anfang das soziale Netzwerk nur für die Universität Harvard. Damit hatte er nicht nur eine eigene  Nummer 1-Position, er sprach auch eine komplett andere Zielgruppe an. Zudem war diese Zielgruppe die perfekte Basis, um die Marke dann auf Universitäten in den USA, auf Universitäten generell und dann den Rest der Welt auszuweiten. Das Ergebnis: Facebook wurde so Schritt für Schritt zum größten sozialen Netzwerk dieser Erde.

Scheitern am zu großen Markt

Speziell Startup-Unternehmen neigen oft dazu ihren Markt zu breit, zu unspezifisch und damit viel zu groß zu definieren. Die Logik dahinter: Wir sind ein kleines Unternehmen. Um zu wachsen, brauchen wir einen großen Markt. Nur damit steigt das Risiko enorm, dass man sich in einem zu großen Markt „verliert“. Besser: Man definiert das eigene „Harvard“ a la Facebook so, dass man möglichst schnell eine spezifische Marktdominanz erzielt, um dann aus einer Position der Stärke die Marke weiter auszubauen. So scheitern die meisten Startup-Unternehmen nicht am zu kleinen Markt, sondern am zu großen Markt.

5. Zuerst PR, dann Werbung

Diese künstliche Verengung sollte man auch in der Kommunikation fortsetzen. Dabei sollten Startups zwei Markenphasen unterscheiden, nämlich die Phase des Markenaufbaus und die Phase der Markenpflege. In der Phase des Markenaufbaus geht es vor allem um die Erstpositionierung und um Glaubwürdigkeit. In der Phase der Markenpflege geht es vor allem um den Ausbau der Markenpositionierung und die Stammkundenbestätigung.

Deshalb empfiehlt es sich in der Startphase vor allem auf Offline- und Online-PR zu setzen, um die Marke glaubwürdig zu bauen. In der Phase der Markenpflege sollte man dann massiv auf klassische Werbung setzen. Nehmen Sie Marken wie Flixbus, Ryanair, Amazon, Ebay, Facebook, Google, iPhone, Netflix, Snapchat, Spotify, Tesla, Twitter, Uber oder YouTube! Sie alle wurden hauptsächlich mit PR groß. Jetzt setzen viele von ihnen wie etwa Amazon, Ebay oder Netflix massiv auf klassische Werbung.

Niemand verstand diese Kommunikationsmuster „zuerst PR, dann Werbung“ besser als Steve Jobs. Wann immer er ein neues iPhone am Markt einführte, konnte man vier Kommunikationsphasen beobachten: (1) Ankündigungs-PR in der Vorverkaufsphase, (2) PR zur Einführung, vor allem bei der Produktpräsentation und dem Verkaufsstart, (3) Erfolgs-PR über den Verkaufsstart und die ersten Abverkäufe und (4) klassische Werbung, um den Erfolg abzusichern und auszubauen.

Der größte Fehler, den hier Startup-Unternehmen machen können, ist, dass man zu früh in klassische Werbung investiert, denn so zerstört man selbst das eigene PR-Potenzial. Heute ist man bei Tesla stolz darauf, dass man noch nie in klassische Werbung investiert hat. Eines Tages wird auch Tesla massiv auf klassische Werbung setzen, nämlich dann, wenn das eigene PR-Potenzial aufgebraucht ist. Und dieser Tag kommt mit Sicherheit.

Marke als Prozess sehen

Das heißt: Man muss eine Marke immer auch als Prozess sehen. Dabei sollte man zuerst die Kategorie, also die verbale Positionierung festlegen, dann den dazu passenden Markenname und die visuelle Positionierung. Diese drei Elemente sollten die Basis bilden. Darauf aufbauend sollte man das eigene Markenprogramm entwickeln, um dann Schritt für Schritt zu einer dominanten Marke zu werden. So einfach in der Theorie. Oft so schwer in der Praxis.

Markenstratege Michael Brandtner ist der Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung in Rohrbach, OÖ, seit 2001 Associate of Ries & Ries und Autor des Buches „Brandtner on Branding“. Sein Blog: www.brandtneronbranding.com

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