Gastbeitrag

Distressed M&A: Wie kriselnde Firmen mit Debt Equity Swaps gerettet werden können

Rettungsring. © Tsaiwen Hsu on Unsplash
Rettungsring. © Tsaiwen Hsu on Unsplash

In diesem Gastbeitrag beschäftigen sich Maximilian König, Rechtsanwalt und Partner von Bitterl König Rechtsanwälte, und Johannes Mitterecker, Rechtsanwalt (bpv Hügel Rechtsanwälte) in Österreich und New York, mit den Folgen für angeschlagene Unternehmen in der Krise und einen möglichen Ausweg.

Angesichts der grassierenden COVID-19-Pandemie mag es auf den ersten Blick verwundern, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen auf einem vergleichsweisen niedrigen Niveau stehen. Das ist einerseits den diversen Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung geschuldet. So können strauchelnde Unternehmen unter anderem von einem Härtefallfonds, Kurzarbeit sowie Zahlungserleichterungen und Stundungen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen profitieren. Andererseits wurden gesetzliche Rahmenbedingung geschaffen, um das Zustandekommen eines Sanierungsplans zu erleichtern sowie die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung bis zum 31.03.2021 auszusetzen.

Damit wurde die große Pleitewelle aber zunächst nur nach hinten verschoben. Experten rechnen mit einem sprichwörtlichen „Tsunami“, denn die Unterstützungsmaßnahmen können nicht ewig andauern. Die Zeit tickt daher, um dieses Drohszenario zu vermeiden.

Private Equity Fonds: Heilsbringer oder falsche Propheten?

Durch die Pandemie wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen sollten sich daher unbedingt über die unterschiedlichsten Restrukturierungsmöglichkeiten Gedanken machen. Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, einen Partner mit deep pockets an Bord zu holen.

Das wird in Österreich aber meist kategorisch abgelehnt.

So wird von vielen immer das Schreckgespenst gieriger ausländischer Investoren, die die Krise als Schnäppchenjagd nutzen und angeschlagene Unternehmen zu Spottpreisen erwerben wollen, an die Wand gemalt. Diese Kritik mag mitunter gerechtfertigt sein, Private Equity Fonds können aber durchaus zu „Heilsbringern“ der Unternehmen werden. Dass Private Equity Fonds nicht altruistisch handeln, sondern ihren Beitrag zur Sanierung der Gesellschaft mit der Aussicht auf künftige Gewinne abgegolten haben wollen, ist einzuräumen; dagegen ist aber auch nichts einzuwenden.

Denn die Übernahme eines Unternehmens in der Krise (Distressed M&A) kann kriselnden Unternehmen bei allen Risiken auch große Chancen bieten.

Debt Equity Swap

Im Zusammenhang mit dem Erwerb von Unternehmen in der Krise fällt nicht selten das Schlagwort „Debt Equity Swap“.

Darunter wird ganz allgemein die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital verstanden: Die Gläubiger werden zu Gesellschaftern der krisengeplagten Gesellschaft. Gläubiger, zumal solche, die Forderungen anderer Gläubiger zu diesem Zweck zuvor aufgekauft haben, wie beispielsweise Private Equity Fonds, können sich für die Übernahme einer kriselnden Gesellschaft eines Debt Equity Swaps zur Sanierung der Gesellschaft bedienen.

Mit dem Debt-Equity-Swap kann es der strauchelnden Gesellschaft gelingen, sich zu entschulden und durch den Entfall von künftigen Zinszahlungen sowie aus den Darlehen resultierender Tilgungsverpflichtungen die Gesellschaft zusätzlich zu stärken.

Ausgestaltungsvarianten eines Debt Equity Swap

Die Ausgestaltungsformen eines solchen Restrukturierungsmittels sind mannigfaltig.

Welche „Spielart“ eines Debt Equity Swaps im Einzelfall zum Einsatz gelangen kann, hängt entscheidend vom jeweils zu sanierenden Unternehmen und den rechtlichen Rahmenbedingungen ab.

In den meisten Fällen erfolgt die „Sanierung“ in Form einer Sachkapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss. In der Regel ist dem eine nominelle Kapitalherabsetzung vorgelagert (Kapitalschnitt). Damit kann eine bestehende Überschuldung der Gesellschaft beseitigt werden. Die verminderten Fremdkapitalkosten wirken sich zudem positiv auf die Zahlungsfähigkeit aus. Allerdings ist eine Sachkapitalerhöhung aufgrund der einzuhaltenden Formalitäten zeitaufwendig und daher nicht immer geeignet, eine Krise oder gar eine Insolvenz abzuwenden.

Ein gangbarer Alternativweg könnte daher eine (direkte) Übertragung der Beteiligung an den Gläubiger gegen den Verzicht auf Kreditforderungen sein. Eine weitere Möglichkeit besteht im Forderungsverzicht des Gläubigers gegen Auskehr eigener Anteile der Gesellschaft an den Gläubiger.

Will ein Kreditgeber die mit dem direkten Erwerb der Gesellschafterstellung verbundenen Risiken oder Belastungen vermeiden, ist auch eine Umwandlung von Forderungen in nachrangiges Kapital in Erwägung zu ziehen, zB in Genussrechte, stille Beteiligungen oder Wandel- bzw Optionsanleihen (Debt Mezzanine Swap oder Debt Hybrid Swap). Der wesentliche Vorteil einer solchen Variante besteht darin, dass das nachrangige Kapital grundsätzlich so strukturiert werden kann, dass es zwar handelsrechtlich Eigenkapital, steuerrechtlich jedoch Fremdkapital darstellt.

Interessant kann außerdem die Verwertung der Pfandrechte an den Gesellschaftsanteilen sein, sofern die Gläubigerforderungen durch Pfandrechte an den Gesellschaftsanteilen des Schuldners besichert sind.

Nicht immer wird sich eine Insolvenz vermeiden lassen können. Manchmal ist die Insolvenz auch gewollt, um das Unternehmen zu entschulden und weitermachen zu können. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Sanierung außerhalb der Insolvenz mit rechtlich unüberwindbaren Hindernissen verbunden oder schlicht zu teuer wäre.

In Deutschland können die erwerbswilligen Gläubiger nach der neuen gesetzlichen Regelung den Debt Equity Swap auch gegen den Willen der Altgesellschafter im Rahmen eines Insolvenzplans umsetzen. In Österreich klafft hier aber eine in der Praxis schmerzliche Wunde auf.

Ziel eines Debt Equity Swaps

Die vielfältigen Ausgestaltungen zeigen: „Viele Wege führen nach Rom!“

Mit einem Debt Equity Swap und der damit verbundenen Umwandlung von Forderungen in Gesellschaftsanteile fallen Verbindlichkeiten weg. Dadurch kann in weiterer Folge eine Überschuldung beseitigt und die Zahlungsfähigkeit wiederhergestellt werden. Der Gläubiger enthält im Gegenzug eine Beteiligung an der Gesellschaft und sohin insbesondere ein Mitsprache- und Gewinnbezugsrecht.

Ausblick

Grundsätzlich sind die milliardenschweren COVID-19-Hilfspakete zu begrüßen.

Sie bieten nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern geben Unternehmen wichtige Zeit, sich auf die Herausforderungen einzustellen und über Restrukturierungsmaßnahmen nachzudenken. Damit die Pleitewelle aber nicht nur einfach zeitlich nach hinten verlagert wird, muss auch der Gesetzgeber diese Zeit nutzen und über neue Sanierungskonzepte nachdenken. Zu zögerliches Verhalten wird „Zombie-Unternehmen“ entstehen lassen, also solche Unternehmen, die eigentlich nicht mehr lebensfähig sind, durch die Hilfsmaßnahmen aber künstlich am Leben gehalten werden. Wie es bei Zombies üblich ist, werden diese mit der Zeit auch weitere, bisher noch gesunde Unternehmen anstecken.

Gerade jetzt in der Krise wären Eigenkapitalinstrumente zur Stützung der Unternehmen sinnvoll. Rufe in diese Richtung wurden schon bei der A-Tec-Pleite 2010 und im Vorfeld des IRÄG 2010 laut, verstummten dann aber leider wieder. Umso erfreulicher ist es, dass die neue EU-Restrukturierungsrichtlinie Debt Equity Swaps erwähnt.

In Zeiten der Finanzkrise werden Debt Equity-Swaps zu einer immer beliebteren Alternative zu anderen Formen der Refinanzierung. Bei der derzeitigen Rechtslage und Ausgestaltung der Finanzierungs- und Gläubigerlandschaft in Österreich ist das aber schwierig. Aber wann, wenn nicht jetzt, ist es Zeit für „revolutionäre“ Ideen?!

Erfreulich wäre letztlich, wenn wir mit der gegenwärtigen Corona-Krise endlich die Stigmatisierung von Insolvenzen hinter uns lassen könnten. Anders als beispielsweise in den USA, fehlt in Österreich eine failure culture: eine Insolvenz ist hierzulande ein Makel, der nur schwer abgelegt werden kann. Leider scheuen deshalb viele heimische Unternehmen die Möglichkeit, durch eine Insolvenz ihr Business neu aufzustellen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und weiterzumachen. Frei nach dem Motto: hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen.

Über die Autoren:

Mag. Maximilian König, ist Rechtsanwalt und Partner von Bitterl König Rechtsanwälte (www.bklegal.at) in Wien. Er berät Startups sowie nationale und internationale Investoren bei Venture Capital Transaktionen, Gerichtsverfahren und komplexen gesellschaftsrechtlichen Fragen.

DDr. Johannes Mitterecker, LL.M. (Columbia) ist Rechtsanwalt (bpv Hügel Rechtsanwälte www.bpv-huegel.com) in Österreich und New York. Er ist spezialisiert auf Gesellschaftsrecht, M&A-Transaktionen und Umstrukturierungen. Ein Branchen-Schwerpunkt liegt auf Private Equity, Venture Capital und Startups.

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