Kommentar

Die ursprüngliche Idee von Bitcoin ist so gut wie tot.

© Pawel Janiak on Unsplash
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„A purely peer-to-peer version of electronic cash would allow online payments to be sent directly from one party to another without going through a financial institution.“

Mit diesen Worten ist die Idee von Bitcoin in die Welt getreten. Ein oder mehrere Unbekannte unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto haben in einem Whitepaper erstmals 2009 die Grundlagen einer Technologie formuliert, die heute nach wie vor die Grundlage für eines der spannendsten Phänomene der Welt dient. Doch irgendwo, irgendwann, ist Bitcoin vom Weg abgekommen und hat sich immer mehr von dem entfernt, was es eigentlich sein sollte: ein dezentrales Zahlungsnetzwerk für jeden, das ohne Intermediäre auskommt.

Aus Bitcoin ist heute das genaue Gegenteil davon geworden: Es ist Spekulationsobjekt für Reiche, Neureiche und große Institutionen geworden – eine Art digitales Gold, dass nun zunehmend angehäuft wird, um sich gegen eine mögliche Inflation im Zuge der Wirtschaftskrise abzusichern und Werte aus dem Fiatsystem, das von Staaten kontrolliert wird, in den digitalen Space mit weniger Kontrollmöglichkeiten zu schaffen.

Warum man nicht mit Bitcoin zahlt

Die Technologie von Bitcoin ist im Vergleich zu anderen Blockchains eigentlich veraltet. Als Zahlungsnetzwerk ist es – das wird seit Jahren beanstandet – viel zu langsam für den täglichen Gebrauch. Bitcoin schafft gerade mal sieben Transaktionen pro Sekunde, bei Visa als größter Kreditkartenanbieter sind es 6.000. Die Durchschnittszeit für eine Transaktion liegt derzeit bei etwa 15 Minuten – niemand würde bei einer echten Peer-to-Peer-Zahlung an einer Supermarktkasse so lange warten, um den Zahlungseingang zu bestätigen.

Es gibt aber noch einen Grund, warum Bitcoin im Alltag nicht taugt. Klar: die hohe Volatilität. Vor einem Monat lag Bitcoin bei 18.500 Euro, heute (Sonntag) sind es 29.500. Hätte man sich also vor einer Woche eine PlayStation 5 (500 Euro), hätte man dafür damals 0,027 BTC bezahlt. Diese 0,027 BTC wären heute, Sonntag, 800 Euro wert – für die PS5 hätte man also aus heutiger Sicht 300 Euro teurer gekauft.

Niemand kann also ernsthaft behaupten, Bitcoin wäre ein gutes Zahlungsmittel. So lange der Kurs so stark schwankt wie jetzt, kann man niemanden empfehlen, mit BTC (und den meisten anderen Krypto-Assets) zu bezahlen. Stattdessen sagen die Kenner immer: Wenn du BTC hast, hodle.

Peer-to-Peer als Ausnahmefall

Nun führen manche das Argument ins Feld, dass ja nun auch PayPal ins Geschäft eingestiegen ist – und der Plan vorsieht, dass man künftig mit Bitcoin oder einigen anderen Krypto-Assets wie Ethereum bald in Online-Shops bezahlen wird können. Das muss erst einmal gezeigt werden – vermutlich wird PayPal einfach so wie Coinbase und andere Broker seinen Kunden BTC und Co gegen Gebühr verkaufen und schon alleine damit Geschäft machen.

Aber einmal angenommen, die PayPal-Nutzer nehmen wirklich von dem Angebot Gebrauch und zahlen mit Bitcoin in Online-Shops. Die Transaktion findet dann nicht „Peer to Peer“ statt, sondern lediglich zwischen dem Nutzer und PayPal. Dieser übergibt die BTC, die ohnehin schon in der PayPal-Wallet (App) liegen, an PayPal, und PayPal wird einen entsprechenden Betrag in Dollar oder Euro an den Händler überweisen bzw. ihm gutschreiben. Nie wird eine direkte Transaktion zwischen dem Käufer und dem Verkäufer stattfinden.

Stattdessen versuchen sich PayPal oder Square zu den neuen Intermediären zu machen. Satoshi Nakamoto hat dass Bitcoin-Whitepaper 2009 geschrieben, als Reaktion auf die damalige Finanzkrise. Folgende Headline ist in den ersten jemals geschriebenen Block der Bitcoin-Chain eingeschrieben:

„The Times 03/Jan/2009 Chancellor on brink of second bailout for banks“

Hier lässt sich sicher viel interpretieren – aber vermutlich war es nicht die Idee von Nakamoto und seinen Anhängern, Fintech-Riesen ein digitales Instrument in die Hand zu geben, dass sie dann der breiten Masse weiter verkaufen können. 2019 zeigte eine Analyse von Chainalysis, dass lediglich 1,3 Prozent der Bitcoin-Transaktionen bei Händlern stattfand, mehr als 90 Prozent hingegen an den Krypto-Börsen stattfanden. Es gibt kaum Gründe, anzunehmen, dass sich das stark verändert hat. Stattdessen wird Bitcoin als digitales Gold behandelt, dass es zu bunkern gilt.

Die neuen Intermediäre

Zwar geht es technisch natürlich, dass Bitcoin direkt von A nach B geschickt werden, weltweit und ohne Zwischenhändler.

„What is needed is an electronic payment system based on cryptographic proof instead of trust, allowing any two willing parties to transact directly with each other without the need for a trusted third party.“

Doch Anwendung findet diese Möglichkeit in der Praxis wenig. Zwischen 300.000 und 400.000 Transaktionen werden pro Tag auf der Bitcoin-Blockchain durchgeführt – das ist fast nichts im Vergleich zu den Milliarden Kreditkartenzahlungen, die jeden Tag stattfinden. Der große Teil der Transaktionen findet auch Krypto-Börsen statt – also wenn mit BTC spekuliert wird und die Nutzer Cryptos von den Exchanges kaufen und wieder an sie verkaufen.

Binance, Coinbase und Co. sind mit ihren dutzenden Millionen Nutzern jene Intermediäre geworden, die Bitcoin eigentlich ausschalten wollte. Um an BTC zu gelangen, muss man sich in der Regel an sie wenden – denn nur sie können die begehrte digitale Ware auch besorgen. Wenn die US-Software-Firma MicroStrategy sich in großem Umfang BTC besorgt und medial ein neues Zeitalter des „Bitcoin Standard“ ausruft, dann hat das wenig mit finanzieller Freiheit zu tun, sondern einfach mit einem Mega-Deal mit Coinbase.

Reiche werden reicher

„Banking the unbanked“ ist ein Schlachtruf, der aus dem Blockchain-Sektor mehr und mehr verschwindet. Zwar gibt es immer noch viele Menschen, die an eine Finanzrevolution mittels Bitcoin glauben – schließlich könne jeder ohne Erlaubnis seiner Regierung mittels Smartphone und Internet an dem Bezahl-Netzwerk teilnehmen. Ironischerweise hat auch das Diem-Projekt von Facebook (Ex-Libra) dieses Motto aufgeschnappt – nur passiert ist bisher nichts.

Stattdessen zeigt sich, dass Bitcoin weniger ein ein Netzwerk ist, das für jeden Menschen da ist, sondern eine Pyramide der Ungleichverteilung. Während 50 Prozent der Bitcoin-Wallet-Adressen nur 0,02 Prozent aller Bitcoins halten, liegen etwa 30 Prozent in den 10.000 größten Bitcoin-Adressen. Durch den letzten BTC-Bullrun hat sich das Vermögen der Top 100 noch einmal vergrößert. Immer mehr zeigt sich, dass die Gier nach dem digitalen Gold für eine Verknappung am Markt sorgt.

Cassio Gusson, Autor bei Cointelegraph, eines der größten Cryapto-Medien, bringt es ganz gut auf den Punkt:

„I am happy to buy my Bitcoin, just as I buy a Che Guevara T-shirt and light a cigarette, believing that I am “fighting” the system while I wait for my mom to bring me dinner.“

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