Analyse

Der Adblocker-Krieg: Wer den Kampf zwischen Apple und Google verstehen will, muss in Milliarden denken

Apple auf der Jagd nach Googles Werbemilliarden.
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Wer die Sache mit den neuen Werbeblockern für das iPhone verstehen will, darf nicht in kleinen bunten Apps und dem beschaulichen österreichischen Markt, sondern muss global und in großen Zahlen denken. Denn es geht um Milliarden US-Dollar, um die Riesenmärkte USA und China, und um die Vorherrschaft von großen Hightech-Konzernen im mobilen Internet.

Vergangene Woche wurde von Apple mit dem Start von iOS 9 Nutzern von iPhone und iPad ermöglicht, sich Werbeblocker zu installieren. Viele User dachten „juhu, endlich“, und die Apps wie „Peace“, „Blockr“ oder „Crystal“ schossen in kurzer Zeit an die Spitze der Kauf-Download-Charts. Bei Apple dachte man „danke“, weil man ja immer 30 Prozent des App-Kaufpreises als Provision einstreicht.

Gigantische Ausmaße

Nun zu den besagten Milliarden: Eine Analyse von Goldman Sachs hat aufgezeigt, dass der mobile Werbeumsatz von Google im Jahr 2014 zu 75 Prozent von iOS-Geräten stammt, die Analysten sprechen von fast 9 Mrd. US-Dollar, also etwa 13,5 Prozent des Gesamtumsatzes von Google (2014: 66 Mrd. US-Dollar Umsatz). Hier ist das Wachstumspotenzial von mobiler Werbung in den nächsten Jahren zu beachten. Laut Mary Meeker, einer hoch angesehenen Risikokapitalgeberin und Analystin von KPCB, liegt das Potenzial von Mobile Advertising allein in den USA bei 13 Mrd. US-Dollar. Laut Marktforscher eMarketer sollen weltweit 2016 mehr als 100 Mrd. US-Dollar für Anzeigen auf Smartphones und Tablets ausgegeben werden und damit mehr als 50 Prozent der gesamten Ausgaben für Digitalwerbung ausmachen.

Wesentliche Bestandteile der größten Werbefirma der Welt werden demnach bald aus dem Mobile-Bereich kommen (Google weist anders als Facebook nicht aus, wie viel es Mobile verdient). Welche Bammel Google vor Werbeblockern hat, zeigt das Beispiel der Kölner Firma Eyeo: Ihr zahlte Google angeblich 25 Millionen US-Dollar, damit AdWords-Werbung nicht von AdBlock Plus ausgeblendet wird.

Die Marktmacht von Apple stellt sich so dar: Der Konzern hat mehr als eine Milliarde iOS-Geräte verkauft und behauptet, dass mehr als 50 Prozent der aktiven Geräte auf iOS 9 upgedatet wurden (Apples globaler Marktanteil bei Smartphones liegt laut Gartner bei etwa 15 Prozent). Abzüglich jener iPhones und iPads, die nicht mehr in Betrieb sind, iOS 9 nicht können oder kaputt gingen, kann man grob schätzen, dass es mehrere hundert Millionen Smartphones und Tablets weltweit gibt, die Adblocker-fähig sind.

An dieser Stelle muss man auch relativieren: Werbung kann nur im Safari-Browser ausgeblendet werden, nicht aber in Apps; neben Safari gibt es auch alternative Browser wie Chrome; nicht jeder wird sich einen Werbeblocker installieren; und nicht jede Werbeform wird blockiert (v.a. nicht native Ads wie die Sponsored Posts bei Facebook).

„Krieg“, „Messer“, „Atombombe“

Wenn nun anerkannte Marktbeobachter wie der Analyst Horace Dediu von einer „Atombombe“ in Bezug auf die iOS-Werbeblocker sprechen, wenn sich der App-Entwickler Marco Arment in einem „Krieg“ sieht (er hat den Nummer-1-Adblocker „Peace“ aus Reue aus dem App Store zurückgezogen) und The Verge-Journalist Nilay Patel Apples Werbeblockade als „Messer in Googles Umsatz“ beschreibt, dann spricht das Bände. Zwar neigt man im US-amerikanischen Raum gerne zu Übertreibungen, aber klar ist: Es geht in dem Ringen zwischen Google und Apple um nichts weniger als die Zukunft des Web.

Wenn Apples Strategie aufgeht, dann werden sich die Betreiber von werbefinanzierten Online-Angeboten zunehmend dazu gezwungen sehen, aus dem offenen Web (Googles Domäne) in das geschlossene Ökosystem der Apps (wo Apple die Vorherrschaft hat) zu wechseln. Nur dort ist es dann möglich, Werbung ungefiltert anzuzeigen (bestes Beispiel Facebook), allerdings unterliegt man dort stark den Regeln von Apple, das Apps zulassen oder ablehnen kann. Die Fälle, in denen Apple Content verboten hat, der zu sexy ist, sind bekannt.

Zudem hat Apple sein eigenes iAd-Werbenetzwerk seit Jahren in der Hinterhand schlummern, mit dem Werbung in Apps gebracht wird (und den iPhone-Konzern an den daraus entstehenden Umsätzen beteiligt). Wenn nun Publisher im offenen, mobilen Web wegen intensiver Adblocker-Nutzung der Werbeumsatz wegbricht, werden sie ihr Heil auch in der neuen News-App von Apple suchen. Keine große Überraschung: Dort kann der Content mit iAds monetarisiert werden, 30 Prozent des Umsatzes bekommt Apple.

Die Qual der Wahl

Wie dieser Krieg zwischen Apple und Google ausgehen wird, weiß keiner. Fest steht, dass es vor allem am Konsumenten liegt, der sich zwischen diesen beiden Welten irgendwann einmal entscheiden wird müssen. Einfach ist die Wahl nicht: Soll man in der werbefinanzierten Gratis-Welt bleiben, in der die persönlichen Daten zu Werbezwecken ausgewertet werden, oder in die Kontrollzone von Apple wechseln? Oder sich vielleicht doch lieber wieder eine Papierzeitung kaufen?

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