Interview

„Das meiste Content Marketing ist Bullshit“, meint Customer-Experience-Experte Gerry McGovern

Der Ire Gerry McGovern im Gespräch, in dem er sich kein Blatt vor den Mund nimmt. © Gerry McGovern
Der Ire Gerry McGovern im Gespräch, in dem er sich kein Blatt vor den Mund nimmt. © Gerry McGovern

Microsoft, Cisco, VMware, IBM, die Europäische Kommission oder die OECD: Diese und andere Firmen und Institutionen wenden sich in Sachen Customer Experience und Usability gerne an den Iren Gerry McGovern, der international als Experte dafür gilt. Ende Oktober kommt McGovern nach Wien, um am Smart Content Day die Keynote zu halten. Mit TrendingTopics.at hat McGovern vorab ein Gespräch geführt.

Sie werden am Smart Content Day in Wien die Keynote halten. Was wird das Wichtigste sein, was die Besucher an Wissen mit sich heimnehmen werden?

Gerry McGovern: Konsumenten sind heute so mächtig wie noch nie. Sie sind viel organisierter, skeptischer und misstrauischer. Weltweit gibt ist das Vertrauen in Marken, Institutionen und Organisationen kollabiert. Das Zeitalter der Konsumenten ist angebrochen, und Organisationen und Marken müssen viel einfacher, transparenter und ehrlicher werden. Andernfalls wird das Misstrauen so groß, dass Konsumenten ständig zwischen Marken wechseln und einfach nicht mehr glauben, was Marken ihnen erzählen wollen.

Sie beraten diese Organisationen dabei, den Konsumenten im Web in den Mittelpunkt zu rücken. Das impliziert auch, dass Unternehmen zuvor den Konsumenten überhaupt nicht ins Zentrum gestellt haben. Warum hat es erst das Internet gebraucht, um sie umdenken zu lassen?

Große Organisationen waren sehr mächtig, sie haben Kommunikationskanäle kontrolliert und Marketing und Werbung dazu genutzt, um Propaganda und falsche Informationen zu streuen. Das Web aber hat Konsumenten die Fähigkeit gegeben, sich zu organisieren. Früher haben die Organisationen die Konsumenten untersucht, aber heute ist es anders herum,. Konsumenten können die Organisationen untersuchen. Außerdem hören Konsumenten immer häufiger auf ihre Freunde und Peer-Groups, wenn sie Entscheidungen treffen, und nicht mehr so stark auf Marketing und Werbung.

Sie haben fünf Bücher darüber geschrieben, wie das Web die Macht der Konsumenten gestärkt hat. Was ist das beste Beispiel dafür?

Die Suchmaschine, weil sie den Konsumenten Kontrolle gibt, sie erlaubt es ihnen, Dinge zu untersuchen. Natürlich ist auch Social Media voll von Tools, die Konsumenten stärken, aber bei Social Media geht es weniger um die Beziehung zu Marken und vielmehr um die Beziehung zu Freunden.

Man könnte aber auch sagen, dass diese neue Konsumenten-Power Illusion ist. Das Internet ist zur mächtigsten Marketing-Maschine gewachsen, wo große Firmen mit großen Budgets diktieren, was Konsumenten kaufen werden, weil sie deren Bedürfnisse dank Auswertung persönlicher Daten genauestens kennen und zielgerichtet Werbung schalten.

Das ist ein guter Punkt. Es sind heute gleichzeitig die besten und die schlechtesten Zeiten für Konsumenten. Wir werden bald einen großen Kampf um persönliche Daten erleben. ich glaube, dass der Konsument am Ende gewinnen wird, die Kontrolle über persönliche Daten wird bald als Menschenrecht angesehen werden. Jene Marken, bei denen sich herausstellt, dass sie die Daten missbrauchen, werden Twitter-Tsunamis und Facebook-Erdbeben erleben.

Eines der neuen Tools, um Konsumenten im Web von einer Marke zu überzeugen, heißt Content Marketing. Was halten Sie davon?

Das meiste Content Marketing ist Bullshit. Studien zeigen, dass 80 bis 90 Prozent von Marketing-Content nutzlos ist. Nein, es ist sogar mehr als nutzlos, es stört und verwirrt die Nutzer. Marketing fördert so öfter Misstrauen als Vertrauen. Wir brauchen einen radikal anderen Marketing-Ansatz, der wirklich darauf fokussiert, dem Konsumenten dabei zu helfen, eine Aufgabe zu lösen, als ständig zu versuchen, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Sie sind bekannt dafür, Webseiten auf ihre Essenz zu reduzieren. Wie würden Sie Facebook redesignen, das ja im Vergleich zu Google voller Content und Werbebotschaften ist?

Spannende Frage. Ich denke, dass Facebook sehr ordentlich strukturiert ist, es hat ein sehr simples und sauberes Design. Allerdings muss ich zugeben, dass ich Facebook persönlich nicht benutze. Aber es stimmt, es ist sehr viel Content auf der Seite, aber das ist kein Problem, solange es Mechanismen wie Search oder Priorisierungen gibt, die hervorheben, was am relevantesten ist.

Einer Ihrer Kunden ist auch die Europäische Kommission. Was tun Sie für die?

Ich erarbeite eine einheitliche Navigations- und Informations-Architektur. Wir versuchen, die vielen verschiedenen Webseiten radikal zu vereinfachen und ihnen ein gemeinsames Interface zu geben. Diese Informationsstruktur wird in jedem Land und in jeder Sprache funktionieren. Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass es für jede Anfrage, die ein Bürger bei der Kommission stellen kann, im Schnitt zwölf verschiedene Abteilungen gibt. Diese interne Komplexität wollen wir verstecken und eine einfacher Umgebung für die Leute schaffen, die es nutzen.

Was ist Ihre persönliche Lieblings-Seite, um an News zu kommen?

Für mich ist Google News der Startpunkt, von dem ich zu Seiten von Time, CNN, BBC, New York Times oder RTE (Raidió Teilifís Éireann, die öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft Irlands, Anm.) weiter gelange. Außerdem verwende ich http://buzzsumo.com, eine Suchmaschine für Spezialisten, die trackt, was gerade in Social Media am angesagtesten ist.

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