Interview

Damian Izdebski: „Ich kann jedem Unternehmer so eine Insolvenz nur ans Herz legen“

Fünf Jahre ist es mittlerweile her seit, der Computer-Fachhändler DiTech in die Insolvenz schlitterte. Gründer Damian Izdebski, einer der bemerkenswertesten Unternehmer Österreichs, musste danach eine harte Zeit durchmachen. aber er hat sich wieder aufgerappelt. seit nunmehr vier Jahren baut er mit techbold einen Dienstleister auf, der sich als Brandschutzunternehmen für KMU in sämtlichen IT-Belangen sieht.

Und: Nach Investments durch bekannte Business Angels von rund 2,5 Millionen Euro ist techbold nunmehr in der Position, andere Firmen zu übernehmen. Mit May-Computer, systemgruppe und Bitquadrat hat Izdebski allein in den letzten drei Monaten gleich drei Unternehmen zugekauft, weitere sollen folgen.

Im Interview mit Trending Topics spricht Izdebski über den Masterplan von techbold, über Security-Lücken bei österreichischen KMU und darüber, wie er sich nach dem Aus von DiTech wieder auf die Beine gestellt hat.

Trending Topics: Für die User, die mit techbold nicht vertraut sind – was ist techbold?

Damian Izdebski: Die techbold Technology Group besteht aus zwei Unternehmen. Das eine hat einen Schwerpunkt auf IT-Hardware. Dort haben wir in den letzten Jahren beginnend mit Gaming-PCs über Virtual Reality bis zu Mining-Hardware sehr viel im Bereich der Computer-Hardware gemacht, vor allem wenn es darum geht, High-Performance-Geräte zu bauen.

Unser zweites Unternehmen ist ein IT-System-Haus, wo wir es uns zur Aufgabe gemacht haben, KMU in Österreich mit 10 bis 100 Computer-Arbeitsplätzen eine ganzheitlich bei der IT zu betreuen. Wir übernehmen die Verantwortung für Backup, Server, Firewalls und PCs auf Basis von wartungs- und Support-Verträgen. Wir sind die ausgelagerte IT-Abteilung dieser Unternehmen.

Das Ganze wurde im Juli 2015, vor ziemlich genau vier Jahren, mit der Beteiligung von Hansi Hansmann, Michael Altrichter, Stefan Kalteis, der Compass-Gruppe und startup300 gegründet – also es sind alle mit dabei, die man aus der Business-Angel-Szene kennt.

Deine Wachstumsstrategie funktioniert über Zukäufe. techbold hat Mayer-Computer und die systemgruppe übernommen. warum gerade diese beiden Unternehmen, und wie funktioniert die Integration?

In den ersten drei Jahren war es unsere Aufgabe, eine Struktur zu schaffen, die für dieses Wachstum ausgelegt ist. Es hat viel Kraft und Geld gekostet, ein Unternehmen aufzubauen, das von der Software, von den Prozessen, von der IT-Infrastruktur so ausgelegt ist, dass man solche kleinen IT-Dienstleister übernehmen kann. Das war die Strategie, die wir bereits seit drei Jahren verfolgen. wir haben zuerst das Rückgrat aufgebaut, um dieses anorganische Wachstum voranzutreiben.

In den letzten drei Monaten haben wir bereits drei Übernahmen gemacht. Es handelt sich in allen Fällen um kleine IT-Dienstleister, die schon lange am Markt etabliert sind. Die Firma May-Computer besteht seit den 1980er Jahren, ist 35 Jahre am Markt, ein Urgestein der IT-Dienstleister. Ein Thema, das uns sehr stark beschäftigt, ist das der IT-Fachkräfte. Es geht um hochqualifizierte IT-Techniker, System-Administratoren, System-Techniker.

Die Übernahme dieser kleinen IT-Dienstleister ermöglicht uns natürlich den Zugang zu diesen Fachkräften. Es handelt sich um Unternehmen mit drei bis zehn Mitarbeitern, die wir übernehmen. Die Herausforderung ist nicht nur, dass die Mitarbeiter sich wohl fühlen und auf unsere Systeme eingeschult werden, sondern auch, dass sich für den Kunden nichts ändert. Das alles in relativ kurzer Zeit unter einen Hut zu bringen, ist schon eine Herausforderung.

 techbold hat mehrere Finanzierungsrunden gemacht und mehrere Millionen aufgenommen. Ist das das Kapital für diese Übernahmen?

Es ist kein Geheimnis. In Summe haben wir zweieinhalb Millionen an Equity aufgenommen. Dieses Geld wurde dazu verwendet, um das Unternehmen dahin zu bringen, wo es heute ist, wir sind ja schon ein 50-Mann-Betrieb. Aus der kleinen Startup-Ecke sind wir schon heraus gewachsen. Und eben (wir das Geld verwendet, Anm.) für dieses anorganische Wachstum. Es wird nicht bei diesen drei Unternehmen bleiben.

Es wird also weitere Übernahmen geben?

Aktuell sind wir mit vier, fünf Unternehmen in Verhandlung. Man muss das richtig dosieren, man darf sich dabei nicht übernehmen. wir werden versuchen, dass wir alle paar Monate ein Unternehmen, das gut zu uns passt, das von der Kundenstruktur gut zu uns passt, zu finden.

Hast du deine Firma jemals als Startup gesehen?

Wir haben die zweieinhalb Jahre nach der Gründung ziemlich alles durchlebt, was auch ein Startup durchlebt, also diese Achterbahn. Ein Unternehmen wie unseres organisch aufzubauen, wäre keine große Kunst. Man gewinnt einen Kunden nach dem anderen, stellt einen Techniker nach dem anderen an, und nach vier fünf Jahren hat man ein kleines gesundes Unternehmen. Man braucht auch nicht viel Investment, um so einen Dienstleistungsbetrieb aufzubauen.

Unsere Aufgabe war eine andere. Ganz am Anfang, nach einem Jahr, hat der Hansi (Hansmann, Anm.) zu mir gesagt: „Ich habe nicht in eine profitable techbold investiert, ich habe in eine große techbold investiert“. Das ist schon einmal eine Ansage. Einen gesunden Weg zwischen Wachstum und Profitabilität zu finden, ist da die Herausforderung. Unsere Aufgabe war, mit den Mitteln, die uns die Investoren zur Verfügung gestellt haben, relativ schnell ein, 30, 40-Mann-Unternehmen hinzustellen. Dem haben wir uns stark gewidmet und gleichzeitig neue Kunden gewonnen. Kumuliert haben wir seit der Gründung 20 Millionen umgesetzt. Allein für das heurige Jahr haben wir eine Planung von zehn Millionen Euro Umsatz, und das ist für ein Dienstleistungsunternehmen schon eine Nummer.

Wenn ich an meine Anfangszeiten im Handel (bei DiTech, Anm.) zurückdenke, waren zehn Millionen Euro relativ schnell gemacht, im Dienstleistungsumfeld ist das schon sehr viel. Da müssen Blut und Schweiß fließen.

Was bekommen Kunden bei euch?

Zu unseren Kunden zählen viele Steuerberater, Rechtsanwaltskanzleien, Finanzdienstleister, Immobilienentwickler. Es sind Unternehmen, die eine hohe Abhängigkeit von ihrer IT haben, alle in der Größe zwischen zehn und hundert Mitarbeitern. Diese Unternehmen haben in den seltensten Fällen eigene Angestellte, die sich um die IT kümmern. Die IT-Themen werden an einen Partner ausgelagert, und so ein Partner sind wir. Wir übernehmen die Gesamtverantwortung dafür, dass die IT in einem Unternehmen funktioniert – also Cybersecurity, Server, Updates, Backups, Support. wir liefern auch die neuen Geräte. Das alles zu attraktiven Preisen, weil wir sonst dieses Wachstum nicht hinlegen hätten können. Wir gewinnen jede Woche neue Kunden dazu. Das ist eine hohe Verantwortung, weil man die Verantwortung für die Daten und die Infrastruktur und dafür, dass sein Kerngeschäft funktioniert, übernimmt. Wenn wir versagen, dann steht alles.

Ein wichtiger Punkt ist die IT-Security. Sind KMU in Österreich ins Visier von Hackern geraten?

Die Entwicklung der letzten zwei drei Jahre sind enorm, was die Angriffe anbelangt. Einer unserer Schwerpunkte sind IT-Audits, wo wir Schwächen in der IT feststellen. Bisher haben wir 150 solcher Audits gemacht. Hätte mir vor drei Jahren jemand gesagt, was wir da vorfinden, ich hätte es ihm nicht geglaubt. Da gibt es katastrophale Zustände, und die sind leider keine Ausnahmen. Drei Viertel aller Unternehmen, die wir auditieren, haben keine funktionierenden Backups, drei Viertel haben keine Firewall oder eine, die alles durchlässt, weil sie falsch konfiguriert ist.

Da gibt es auch so Highlights wie dieses: Bei zwei Drittel der Unternehmen gibt es Ex-Mitarbeiter, die immer noch in den Systemen aktiv sind und sich immer noch mit dem Unternehmen verbinden können, obwohl sie seit einem halben Jahr nicht mehr dort arbeiten. Sehr viele dieser KMU haben das einfach nicht im Griff. Es ist grob fahrlässig, wie hier teilweise gehandelt wird. Unsere Aufgabe ist, das aufzudecken, zu dokumentieren und so schnell wie möglich diese Schwachstellen zu schließen.

Warum ist das so?

Eine der Ursachen ist die Landschaft der IT-Betreuer in Österreich. Viele der Unternehmen werden von One-Man-Shows betreut. Die haben ihre zehn, fünfzehn Kunden und funktionieren so wie die Feuerwehr. Erst wenn es bei einem Kunden brennt, fahren sie hin, löschen das Feuer und müssen dann schon wieder zum nächsten Kunden. Hier von einer strategischen Entwicklung der IT zu sprechen, ist gar nicht möglich. Ich sehe die techbold als Brandschutzunternehmen. Wir versuchen alles zu unternehmen, damit es nie zu einem Brand kommt. Und wenn, dann ist es ein kleines Feuerchen, das schnell gelöscht werden kann. Ich glaube, dass das der richtige Ansatz ist, in die Wartung, in die Updates zu investieren. Dieser Ansatz ist eines der Erfolgsrezepte hinter unserer Entwicklung.

Lass uns einen Blick in die Vergangenheit machen. Du bist mit DiTech leider gescheitert. Was hast du aus dieser Phase deines unternehmerischen Lebens gelernt, das du heute bei techbold einbringen kannst?

Ich habe definitiv sehr viel gelernt, übers Business, über die Finanzierungsstrukturen, über die Abhängigkeit von Fremdkapital, von Banken, von Kreditversicherern. Was das Fachliche angeht, kann ich jedem Unternehmer so eine Insolvenz nur ans Herz legen. In keiner anderen Situation kann man so viel übers Business lernen.

Die finanzielle Lektion ist eine sehr schmerzvolle. Man verliert alles und darf mit sehr vielen Schulden neu starten. Am schwierigsten aus der emotionalen Sicht war die Lektion über Menschen, Freundschaften, Loyalität, über die Gesellschaft und über die sozialen Reaktionen. Das ist etwas, was man unterschätzt. es ist schwierig, damit umzugehen, ohne in eine Depression zu verfallen.

Alleine die Struktur der Eigentümer ist ein Beweis dafür, dass die techbold ganz anders aufgestellt ist. Die DiTech hatte keine Investoren, wenig Eigenkapital, war sehr durch Fremdkapital finanziert. Die techbold ist quasi zu 100 Prozent Eigenkapital-finanziert, dass heißt, es sind keine Kredite, keine Banken, keine Fremdkapitalgeber. Es sind unsere Aktionäre, die an das Unternehmen glauben, die das Geld investiert haben, und mit diesem Geld bauen wir das Unternehmen auf. Wir sind eine AG, haben einen Aufsichtsrat. Die Gewalt im Unternehmen ist ganz anders aufgestellt.

Letztendlich sind die Geschäftsmodelle nicht vergleichbar. Die DiTech war ein Handelsunternehmen, ein Riesending, mit hunderten von Millionen an Umsatz und überschaubarer Marge. Dementsprechend mit einem großen Risiko. Wir (techbold, Anm.) sind ein Dienstleistungsunternehmen. wir verkaufen natürlich auch Hardware, aber im Verhältnis zu den Dienstleistungen ist das ein überschaubarer Anteil.

Auch in Österreich wird viel über die Kultur des Scheiterns diskutiert. Gibt es es so etwas hierzulande überhaupt?

Ich glaube wir sind da sehr weit davon entfernt. Ich bin das personifizierte Scheitern geworden in den letzten Jahren. es wird einem nicht leicht gemacht. Nach so einer Insolvenz wirst du sehr schnell vom Superhero der Nation zum Loser der Nation. Alle haben es schon immer gewusst, und eigentlich war das eh von Anfang an klar dass das nicht funktioniert. Du hast plötzlich 8 Millionen Analysten, die plötzlich deine Bilanzen analysieren, obwohl die wenigstens von ihnen je im Leben unternehmerisches Risiko getragen haben.

Wir sind nicht das Land der Unternehmer und haben dementsprechend wenig Verständnis für unternehmerisches Scheitern. Die Leistung, die man über 15 Jahre lang gebracht hat, wird sehr schnell ausgeblendet. Wir haben über 15 Jahre mehr als eine Milliarde Umsatz gemacht, wir haben fast 400 Leuten Arbeitsplätze gegeben, ich habe 35.000 Monatsgehälter ausbezahlt, mehr als 30 Millionen Euro an Steuern und Abgaben abgeliefert. Das darf man nicht vergessen.

Aber im Moment der Insolvenz zählt das alles nicht mehr. Du bist nur mehr der Loser. Die Amerikaner sehen das Gesamtpaket. Sie sehen den Aufbau, sie sehen den Erfolg, sie sehn, was man an Erfahrung und Know-how gewonnen hat, und sie sehen natürlich auch die Insolvenz und versuchen, das als Gesamtbild zu betrachten.

Das Wiederaufstehen ist das Schwierigste. Die Insolvenz ist fünf Jahre her, und ich werde immer noch damit konfrontiert. Wo es am schwierigsten wird, sind Banken und Fremdfinanzierungspartner. Es war eine Challenge, eine Bank zu finden, wo ich mein Gründungskapital hintragen und einzahlen darf, damit ich überhaupt die Firma gründen kann. Erst die zwölfte oder dreizehnte Bank hat sich erbarmt und das Geld unserer Investoren genommen.

Wenn einmal eine Insolvenz in deinem Lebenslauf drin steht, bist zu unfinanzierbar. Das macht das Ganze noch einmal schwieriger.

Was hat dich dazu gebracht, es noch einmal mit einer Firma zu versuchen?

Ich bin zwei, drei Monate nach der Insolvenz in die USA gegangen. Ein neues Unternehmen war für mich undenkbar. Ich dachte, ich such mir irgendeinen Job und versuche, meine Schulden abzuarbeiten. dann habe ich in den Staaten ein Job-Angebot angenommen und hab nach drei Tagen gekündigt. Ich hab festgestellt, dass ich als Angestellter eher unvermittelbar bin, und in einem Konzern zu arbeiten, ist nicht meins.

Nach meiner Rückkehr nach Wien, habe ich entschieden, etwas Neues zu machen nach dem Motto „Einmal Unternehmer, immer Unternehmer“. Nachdem ich eine Marktlücke gefunden habe, war es relativ leicht, die Business Angels zu überzeugen. Die ticken halt anders als das ganze Land. Die haben in der Insolvenz der DiTech und im Scheitern des ersten Unternehmens eine Chance gesehen, dass die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des zweiten Unternehmens eine viel höhere ist. Für die war das nie ein Thema.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: was soll techbold für dich in drei, fünf Jahren sein? was ist der große Masterplan?

Der Masterplan wird immer laufend an die Entwicklungen adaptiert. Ich glaube an die Strategie der Marktkonsolidierung. Allein in Wien gibt es 40, 50 solcher IT-Dienstleister, die stark unter Druck sind. Man muss als IT-Dienstleister immer sofort reagieren, auch am Wochenende oder in der Nacht. Da tun sich diese kleinen IT-Dienstleister immer schwerer. Und sie tun sich schwer, Techniker zu finden. In Wien werden an die 5.000 IT-Fachkräfte gesucht. Die Kleinen haben hier keine Chance. Und sie haben erkannt, dass ein Zusammenschluss mit einem größeren Unternehmen die einzige mögliche Zukunft ist, sowohl für ihre Mitarbeiter als auch für ihre Kunden.

Diese IT-Dienstleister kommen ja auch teilweise zu uns, übernehmen Führungspositionen und können weiter das machen, was ihnen schon immer Spaß gemacht hat. Und das, was sie nicht gerne gemacht haben, wie Buchhaltung oder Abrechnung, müssen sie dann nicht mehr machen, das tun wir.

Hansi Hansmann, Michael Altrichter und startup300 sind auch Investoren von Trending Topics.

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