Gespräch

Chefökonom Börsch: „Inflation ist auch sozial einigermaßen ungerecht“

Dollar vs. Euro. © Ibrahim Boran on Unsplash
Dollar vs. Euro. © Ibrahim Boran on Unsplash

Eines der am häufigsten diskutierten Themen derzeit ist die Geldentwertung, bedingt (auch) durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Wie geht es damit weiter? Werden Dinge des Alltags (noch) teurer? Alexander Börsch ist der Chefökonom von Deloitte Deutschland und hat mit Trending Topics über die Inflation und deren Gefahren gesprochen.

„Aufschwung kam schnell“

Als Chefökonom beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit der Wirtschaft und den Marktrends. Was wird 2021 auf uns noch zukommen? „Ich glaube, man muss immer schauen, was kurz und was langfristig ist“, erklärt Börsch.“Kurzfristig wird uns 2021 und sicher auch 2022 die Inflation beschäftigen. Das ist eigentlich etwas Neues, seit Jahrzehnten galt die Inflation als besiegt. Das ist wieder ein Thema, das hochkommt – und hat mit vielen Dingen zu tun.“ Unter anderem etwa damit, dass die Inflation nach der Corona-Krise „viel, viel schneller“ passiert sei, als wir alle gedacht hätten.

„Ich kann mich erinnern, vor einem Jahr hat kaum jemand geglaubt, dass wir heute da stehen können, wo wir tatsächlich stehen. Der Aufschwung war sehr schnell und tatsächlich einigermaßen unerwartet.“ Die Nachfrage sei sehr hoch, demgegenüber würden aber unterbrochene Lieferketten stehen. „Das treibt natürlich dann die Preise nach oben“.

Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch und die Folgen der Inflation

Bevölkerung wird älter

Auch die Demographie werde sich ändern, meint Börsch. „Wir reden jetzt seit Jahren und Jahrzehnten über demografischen Wandel, über Überalterung. Aber jetzt kommen wir zu dem Punkt, wo das wirklich spürbar wird. Wir werden weniger Leute haben, die in den Arbeitsmarkt kommen, wir werden auch andere Konsumententrends sehen, weil eine ältere Bevölkerung andere Produkte und Dienstleistungen braucht wie eine jüngere. Das ist so einer dieser Makrotrends, der jetzt sich auch mit der Inflation so ein bisschen verknüpft. Das heißt, wir werden wahrscheinlich auch engere Arbeitsmärkte sehen, was auch nochmal zu erhöhter Inflation führen wird. Da gibt es tatsächlich so ein Zusammenspiel zwischen den kurz- und langfristigen Makrotrends.“

„Sachen sind teurer geworden“

Erhöhte Inflationsraten zeigen sich in den USA genauso wie in der Eurozone. Drucken wir zu viel Geld? In Deutschland beträgt die Inflation schließlich bereits vier Prozent, in den USA ist sie noch ein wenig höher. „Das heißt, wir haben einen Kaufkraftverlust“, erklärt Börsch. „Sachen sind teurer geworden. Was wir im Moment noch sehr stark sehen, ist, dass es keine Inflation auf ganz breiter Front ist, also das alle Preise etwa gleichzeitig um fünf Prozent gestiegen sind, sondern die sind auf bestimmte Waren und Dienstleistungen sehr fokussiert. Das heißt, in den USA sind zum Beispiel die Preise von Gebrauchtwagen irre gestiegen. Eine Hypothese dazu wäre, dass die Leute auf einmal ein Auto gebraucht haben, aber wegen der Unsicherheit vielleicht kein neues wollten. Deswegen sind die Gebrauchtwagenpreise extrem durch die Decke gegangen und das zieht dann die Inflation sehr stark nach oben. Wir sehen das jetzt noch nicht überall, aber bei einigen Produkten und Dienstleistungen sehr, sehr konzentriert.“

„Inflation sozial ungerecht“

Ob sich das wieder einpendeln wird, sieht Börsch zwiegespalten: „Die Position der Zentralbanken ist eigentlich, dass das ein vorübergehendes Phänomen ist. Die Fed wie die EZB sagen, wir sehen, es gibt ein Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage, aber das wird sich wieder schließen. Das könnte sich schließen, weil eben das Angebot ausgeweitet wird, weil mehr produziert wird, und deswegen wird diese sehr expansive Geldpolitik weitergeführt – in den USA wie in Europa.“ Ob das tatsächlich so kommt, sei aber eine einigermaßen offene Frage.

Die Inflation werde auf jeden Fall die Einkommensschwächeren treffen, zeigt sich Börsch überzeugt. „Es sind auch Güter und Dienstleistungen betroffen, die jeder braucht. Das geht bei den Lebensmitteln los. Das heißt, es ist tatsächlich dann ein Problem, wenn die Inflation sehr stark steigt, dass man sich weniger leisten kann. Das ist dann natürlich vor allem dann ein Problem, wenn man wenig Einkommen hat. Das heißt, Inflation ist auch sozial einigermaßen ungerecht.“

Bleiben die Notenbanken also auf dem geldpolitischen Gaspedal, dann wird sich dieses Problem vor allem zu Lasten der Wenigverdiener ausweiten. Würden sie aber der Inflation Einhalt mit höheren Zinsen gebieten, dann hätte man das andere Problem: Man würgt die Konjunktur zu früh ab. In den USA, so Börsch, seien 2022, 2023 solche Maßnahmen zu erwarten, in der Eurozone zeitversetzt ein wenig später.

Podcast

Im Gespräch mit Jakob zeigt Alexander Börsch Wege, sich gegen die Geldentwertung (einigermaßen) abzusichern. Er spricht außerdem über folgende Themen:

  • warum immer mehr Menschen in Gold, Aktien und Krypto investieren
  • die Blasengefahr durch Aktien-Run
  • Investment-Rekorde in europäische Tech-Unternehmen
  • Scale-up-Ausverkauf
  • Fehlender Kapitalmarkt in Europa
  • welche Rolle Pensions-Fonds und Versicherungen spielen

Zu Hören gibt es den Podcast:

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