Interview

Business Angel Johannes Siller: „Bei Startups ist der Vertrieb mit Abstand die größte Challenge“

Business Angel Johannes Siller. © J. Siller
Business Angel Johannes Siller. © J. Siller
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Er ist Gründungsmitglied von startup300 und PrimeCrowd, baut aber nebenbei seinen eigenen kleinen Startup-Hub in der oberösterreichischen Stadt Leonding auf: Johannes Siller ist mit derzeit 37 Investments einer der wichtigsten Business Angels des Landes und hat eigenen Angaben zufolge bereits 4 Millionen Euro in Tech-Firmen gesteckt. Er selbst ist seit mehr als 25 Jahren Unternehmer im IT-Bereich, schlitterte vor etwa 15 Jahren selber fast in den Konkurs – und bringt dieses Wissen und Erfahrung neben Kapital seit rund zwei Jahren in Startups ein.

Im Interview mit Trending Topics spricht er über seine Investments, Reibereien in Gründer-Teams und den Mangel an einem guten Vertrieb bei Jungfirmen.

Sie haben als Business Angel mittlerweile in mehr als 35 Startups und Unternehmen investiert. Wie bestreiten Sie dieses Geschäft?

Johannes Siller: Es sind nicht alles Startups, in die ich investiert habe. Früher waren es einige technische Co-Gründungen, wie etwa FirmenABC, oder Beteiligungen bei anderen Dienstleistungsfirmen in der IT-Branche. Da finden sich Security-Spezialisten oder Geodaten-Spezialisten daruntern.

Ich habe das Startup-Thema seit etwa zwei Jahren auf dem Schirm und in knapp 20 investiert. Ich bin einer der derzeit elf österreichischen Business Angels des European Angels Fund, das heißt, dass der EAF immer als Co-Investor auftritt. Wenn ich 50.000 investiere, investiert die EU auch 50.000. Ich trete dabei als Treuhänder auf, und die EU steht hinter mir.

In welche Startups investieren Sie, welchen Fokus haben Sie gelegt?

Ich investiere in alles, was mit IT und Software zu tun hat, und vor allem dann, wenn es sich um B2B handelt. Das ist der Bereich, aus dem ich selbst kommen, denn vor 20 Jahren habe ich die Firma Ebit gegründet, ein klassischer Software-Entwickler im Bereich Customer Relationship Management.

Neben Geld, was bringen Sie ins Startup ein? Sind sie Hands-on mit dabei?

Ich helfe immer dort aus, wo Not am Mann ist. Deswegen beteilige ich mich nur an Startups, wo ich wirklich etwas beitragen kann. Und so kommen fast alle Startups, die mit B2B-Software zu tun haben, irgendwann einmal auf meinen Tisch.

Wo müssen Sie da meistens einspringen?

Vertrieb ist immer das große Thema. Dadurch, dass ich seit 20 Jahren Vertriebs-Software mache. Startups haben oft technische Gründer, die aber wenig Ahnung von Vertrieb haben. Ich weiß aus meiner langjährigen Erfahrung, dass Vertrieb einfach das Wichtigste ist.

Und daran mangelt es oft?

Ja, bei Startups ist der Vertrieb mit Abstand die größte Challenge. Klar, bei DeepTech gibt es natürlich auch viele technische Herausforderungen, aber in der Regel gibt es bei der Technik viel Kompetenz und Know-how bei den Gründern. Aber über Vertrieb und Marketing gibt es oft kein Wissen, weil man das an Unis oder Fachhochschulen nicht lernt.

Welche Tricks gibt es im Vertrieb, um das zu schaffen?

Ich impfe den Gründern von Anfang an ein, dass der Vertrieb alle angeht. Es darf keinen im Team geben, der sich daraus zurückziehen kann. Ich erwarte mir von den Gründern, dass der Hauptfokus auf den Vertrieb gelegt wird. Wir arbeiten dann oft gemeinsam aus, welche vertrieblichen Maßnahmen Sinn machen. Man muss den Kundennutzen verständlich transportieren. Da steckt viel Arbeit drinnen, das aufzubereiten, und da habe ich in meinem Netzwerk  einige Beteiligungen und Personen, die da unterstützen können.

Sie haben bis dato rund 4 Millionen Euro in Beteiligungen investiert. Welchen Return On Investment sehen Sie?

Ein Business Angel denkt so: Er will in den nächsten drei bis fünf Jahren das Zehnfache seines Investments wieder retour haben. Der European Angels Fund sucht sich Business Angels aus, die einen Exit mit mindestens einen Multiple von 7 innerhalb von fünf Jahren bereits geschafft haben.

Sie hatten bis dato zwei Exits. Haben diese diesen Multiple gebracht?

Ja. Das eine ist Aktionsfinder, das an die Österreichische Post verkauft wurde, und das zweite ist FirmenABC, wo es Anfang des Jahres einen Teil-Exit gab. Bei FirmenABC war ich von Anfang an dabei, da war dieser Multiple sehr leicht zu erreichen.

Business Angel Johannes Siller. © J. Siller
Business Angel Johannes Siller. © J. Siller

In Leonding, in der Kornstraße 7a, sind einige Ihrer Beteiligungen untergebracht. Bauen Sie da Ihren eigenen Startup-Hub?

Ja. Das war zwar nicht die Strategie, aber das ist dann so gewachsen. Aus der Not heraus habe ich ein Gebäude für meine Kernfirmen wie die Ebit errichten müssen, und habe das dann gleich von Anfang an ein wenig größer geplant weil ich gemerkt habe, dass die Startups gerne zu uns kommen. Das wird sehr gut angenommen, weil es wesentliche Dinge hier gibt: Man kann sich hier über die Erfahrung am Kunden austauschen, man kann gemeinsam als Team nach außen auftreten, und man kann sich Ressourcen teilen. Es werden da keine Türen zugesperrt, und den Mitarbeitern taugt das, weil sie bei einem kleinen Startup mitarbeiten können, aber trotzdem die sozialen Kontakte wie in einer großen Firma. Da sind meistens immer so um die 50 Leute da. Die Kornstraße werden wir weiter ausbauen und die Fläche für die Beteiligungen mehr als verdoppeln.

Sie haben also Ihren eigenen Startup-Hub, kooperieren aber auch mit start300 und PrimeCrowd. Wie strukturieren Sie das, wenn es um Investments geht?

Das ist alles noch etwas Work in Progress. Ich bin Gründungsmitglied bei beiden Vereinigungen. Meine Intention bei beiden von Anfang an mit dabei zu sein war, mir einen Dealflow aufzubauen. Über solche Vereinigungen kommen potenzielle Investments zu mir, das hat bisher sehr gut geklappt. Und startup300 und PrimeCrowd haben unterschiedliche Konzepte, da sich PrimeCrowd nicht mehr selbst an Startups beteiligt, sondern Investoren vermittelt, während sich startup300 selbst beteiligt. Da muss man immer die richtigen Konstellationen ausloten. Wenn ich bei einem Investment dabei bin, dann möchte ich immer gerne im Lead sein.

Wie positionieren Sie sich im Feld der anderen österreichischen Business Angels?

Ich halte mich gerne im Hintergrund, die Bühne ist mir nicht wichtig, die gehört den Startups. Startups schätzen an mir, dass ich selber seit über 25 Jahren Unternehmer bin und selbst gegründet habe. Bei Gründungen ist es nach einer gewissen Zeit oft so, dass es etwas rauer wird. wenn man plötzlich nicht mehr Everbody´s Darling ist. In dieser Phase hat man gerne jemanden an der Seite, der das selbst alles auch durchgemacht hat.

Was haben Sie genau durchgemacht?

Ich kenne das, ich wäre vor über 15 Jahren selbst fast in den Privatkonkurs geschlittert und habe mit einer Firma in den Konkurs gehen müssen. Diese Erfahrung ist auch sehr wichtig.

Angehende Gründer müssen sich also immer auf raue Zeiten vorbereiten?

Ja, es gibt natürlich nicht immer die Kurve nach oben. Das hängt immer mit den vertrieblichen Erfolgen zusammen. Da kommt es dann darauf an, wie die Gründer reagieren. Sie müssen zeigen, ob sie bereit sind, den Weg zu gehen und zu kämpfen, auch wenn es schwieriger wird, oder ob sie sich zurückziehen und einen Ausweg suchen. Es kommt oft zu Reibereien unter den Gründern, die berühmten Founder Clashes. Durch so eine Phase muss man einfach durch, und wenn man die übersteht, dann passt es. Ich habe das genauso erlebt.

Wie schafft man es, diese Phase zu überstehen?

Es geht immer um das Team. Ich bin diesbezüglich bei den Investments viel sensibler geworden. Unter den Gründern gibt es riesengroße Unterschiede. Wichtig ist, dass sie nicht aufgeben, wenn es schwierig wird. Ein echter Business Angel geht durch diese Phase mit, der hat einen langen Atem. Ich bin nicht auf kurzfristige Gewinne aus und bin dazu bereit, aber das Gründer-Team muss auch dazu bereit sein.

Wie geht es diesbezüglich Ihrem Portfolio?

Ja da gibt es natürlich Reibereien, das braucht man nicht leugnen.

Sie sind Gründungsmitglied von startup300. In einem Artikel wurde dem Business-Angel-Netzwerk eine Monopolstellung in Oberösterreich vorgeworfen. Trifft das zu?

Naja, im Prinzip strebt jedes Unternehmen eine Monopolstellung an. Das ist der Ausdruck einer sehr erfolgreichen Business-Strategie. Ich beobachte das auch nur aus der Ferne, aber es scheint so, als ob jemand versucht, im Hintergrund politische Entscheidungsträger zu beeinflussen. Aber die Politiker sollen sich nicht einmischen. Es hindert niemanden daran, sich in Oberösterreich anzusiedeln und einen Startup-Hub zu machen, das liegt nicht in der Hand von startup300.

Kommen wir zur Großwetterlage. Wie bewerten Sie das Jahr, das fast vorüber ist, in punkto Startups?

Die Awareness ist da, und viele junge Leute sehen das Gründen als Alternative zur klassischen Karriere. Das ist gerade im IT-bereich wichtig, weil der etwa das Programmieren immer einen faden Ruf hatte und jetzt in ein besseres Licht gerückt wird. Die Politik hinkt halt immer hinterher. In Wirklichkeit brauchen wir keine Förderungen und Politiker, die sich auf die Bühne stellen, in Wirklichkeit brauchen wir weniger Bürokratie, das wäre viel wichtiger. Warum kommt der Arbeitsinspektor und will meinen Mitarbeitern vorschreiben, wann sie Mittagspause machen sollen? Ich meine, das sind Wissensarbeiter, die können das wohl selber entscheiden.

Offenlegung: Trending Topics hat Investment von startup300 bekommen.

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