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Automatisierung: Droht uns eine „Generation unvermittelbar“?

die Automatisierung nimmt konkrete Formen an. Wie geht die Gesellschaft damit um? ©flickr_Rog01_CC2.0
Fluch oder Segen – die Automatisierung nimmt konkrete Formen an. Wie geht die Gesellschaft damit um? ©flickr_Rog01_CC2.0

Es wird die Großzahl der heutigen Jobs in 30 Jahren nicht mehr geben. Meinen höchstwahrscheinlich auch nicht mehr. Dieser Satz gilt im Digitalisierungskontext als verinnerlicht. Doch sind uns die Konsequenzen bewusst? Wenn wir ein unseren Blick in die Zukunft wenden, sehen wir uns mit sozialpolitischen Problemen, volkswirtschaftlichem Verlust bei betriebswirtschaftlichen Gewinnen konfrontiert.

Eine der wichtigsten Studien zum Thema von Carl Benedikt Frey und Michael Osborne aus dem Jahr 2013 geht nach dem Screening von über 700 Berufen davon aus, dass fast 50 Prozent aller Jobs in den USA durch die Digitalisierung bedroht sind. Ökonomen sind heute schon besorgt über die Polarisierung des Arbeitsmarktes. Während Jobs, die weitreichende Kenntnisse erfordern und Hilfstätigkeiten stetig anwachsen, bricht die Mittelschicht im produzierenden Gewerbe und auf dem Dienstleistungssektor heute schon ein.

Die größte politische Herausforderung der kommenden Jahrzehnte

Bei anhaltendem Tempo der Automatisierung ganzer Branchen wird eine Gesellschaftsschicht massiven Zuwachs erhalten. Nämlich jene, die Menschen repräsentiert, die auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden können. Wir stehen vor einer sozialen Herausforderung, die unsere Gesellschaft verändern wird und die politisch so hoch wie nur möglich eingestuft werden sollte. Der israelische Bestsellerautor Yuval Noah Harari sieht in seinen Buch „Homo Deus: A Brief History of Tomorrow“ auf der einen Seite die Entwicklung einer gottähnlichen Spezies („homo deus“)  die sich mittels der technischen Wunder über den homo sapiens stellt, weil dessen Bedeutung für die gesellschaftliche Weiterentwicklung langsam Richtung Nichtigkeit verschwindet.

Die Kombination kognitiv und manuell zieht nicht mehr

Der Homo sapiens zog seine Leistungsstärke über Jahrtausende aus einer Kombination seiner kognitiven und manuellen Fähigkeiten. Erfordern diese Aufgaben kein Mindestmaß an emotionalen, kreativen oder intuitiven skills, werden sie von Maschinen übernommen werden. Millionen an Busfahrern, Bauarbeitern und Lageristen werden in einigen Jahren keine adäquate Arbeit mehr finden. Das Gegenargument, dass auch Millionen neue Jobs durch die Digitalisierung entstehen werden, hilft nicht wirklich. Wie soll ein 45-jähriger Schlosser auf VR-Designer umsatteln? Selbst, wenn er nach fünf Jahren die Anforderungen erfüllt, hat sich der technische Fortschritt wahrscheinlich schon wieder selbst überholt.

Empathie als Job-Garantie?

Nein, ich denke nicht, dass Computer jemals „klüger“ als Menschen werden. Dem liegt eine grobe Unterschätzung allem Menschlichen zugrunde. Trotz über 30 Milliarden Dollar an Investitionen in „kognitive Systeme“ (Schätzung: International Data Corporation) wird ein japanischer Pflegeroboter mit großen Augen und Krankenschwester-Kostüm zwar seine Aufgabe, den Patienten zu füttern und ihn zu waschen, erfolgreich erledigen, allerdings seinem Gegenüber nie die Empathie und Fürsorge einer menschlichen Pflegekraft vermitteln können; egal wie humanoid der Sprach-Algorithmus und geschmeidig der Bewegungsapparat auch wirken mag.

Die Industrienationen stehen vor dem Problem, dass für Menschen nicht genügend Jobs geschaffen werden können, die ein Algorithmus nicht besser machen kann.

Die gewaltige Frage, die neben der finanziellen Ausstattung der „Generation unvermittelbar“ also auftritt, ist die nach der Motivation? Wie hält eine Gesellschaft Millionen an Arbeitslosen bei guter Laune? Was verschafft ihnen die Wertschätzung, die eben nur ein Job vermitteln kann? Sollen sich in wenigen Jahren Heerscharen von Versicherungsmaklern, Supermarktkassiererinnen, Tankwarten durch das spärliche bedingungslose Grundeinkommen mit Yoga und Gartenarbeit mental fit halten? Eine absurde Utopie. Aber wie motiviert man Menschen, die in der Gesellschaft keinen Platz mehr haben?

„Citizen Score“ – Religionsersatz Smartphone

Der Autor Harari verfolgt eine theoretische Idee: Was, wenn virtuelle Religion wieder an den Platz treten, der Heilsversprechen und Hoffnung vereint. Ein soziales Netzwerk, in dem das nächste Level das Himmelreich ist. Was nach einer Dystopie klingt, ist in anderen Teilen der Welt Realität: Die chinesischen Konzerne Alibaba und Tencent haben eine Kredit-App namens „Citizen Score“ entwickelt, die für sozial erwünschtes Verhalten Punkte vergibt. Maximal können chinesische Bürger 950 Punkte erreichen. Ab 600 gibt es günstige Kredite und leichteren Zugang zu Visa. Ab 700 Punkten darf man nach Singapur reisen. Ab 750 nach Europa. Punktabzüge gibt es für kritische Kommentare gegen die Kommunistische Partei oder an sozialen Missständen. Pluspunkte winken beim richtigen Konsumverhalten und Jubelmeldungen auf die Regierung. In die persönliche Bewertung fliest auch das Verhalten der Freunde ein, mit denen man über soziale Netzwerke verbunden ist. Noch ist die Teilnahme freiwillig. Ab 2020 soll „Citizen Score“ für alle chinesischen Bürger verpflichtend werden.  Harari führt an, dass Religionen nie etwas anderes taten, als virtuelle Gesetze zu erfinden und einen Device als Referenzobjekt zu installieren. Früher die Bibel, heute das Smartphone. Die virtuelle Gottheit ist in diesem Fall der Staat.

Entwicklungen wie in Science Fiction-Dystopien

Der kanadische Schriftsteller Douglas Coupland („Generation X“) und Teilnehmer des Google-Programms „Cultural Institute“ möchte Punkte verteilen, damit Menschen sich ihre Freiheitsrechte verdienen. In Kanada sorgt die App „Peeple“ für kontroverse Diskussionen. Menschen können nach Belieben wie Restaurants oder Hotels beurteilt werden. Wenn die Tendenzen nicht real wären, würden sie gut in eine Folge der Netflix-Serie „Black Mirror“ passen.

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